Jüdisches Leben ist in Rimpar ab dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts nachweisbar: 1577 geriet der Schutzjude Schmul aus Rimpar in Haft, weil er verbotenerweise auf dem Gebiet des Würzburger Hochstifts Handel getrieben hatte. Sein Schutzherr, der Reichsritter Konrad von Grumbach, sorgte für seine Freilassung. Konrad von Grumbach genehmigte 1579 die Einrichtung eines jüdischen Friedhofs in Schwanfeld, das ebenfalls unter seiner Herrschaft stand. Dort beerdigte die Judenschaft aus Rimpar bis zur Auslöschung ihrer Gemeinde im 20. Jh. ihre Toten. Konrad von Grumbach war später hoch verschuldet und musste Rimpar 1593 an das Würzburger Hochstift verkaufen.
Aus dem 17. und 18. Jahrhundert gibt es nur wenige Informationen über das jüdische Leben im Ort. Für 1675 sind fünf jüdische Haushalte mit insgesamt 23 Personen nachgewiesen; 1698 sind es sechs Familien mit 30 Personen. Die Israeliten verdienten sich ihren Lebensunterhalt durch diverse Handelstätigkeiten. Zwei der jüdischen Haushalte waren etwas begütert und betrieben u.a. Vieh- und Pferdehandel. Die ärmeren Familien schöpften ihre Einkünfte aus mobilem Kleinhandel. Spätestens in der ersten Hälfte des 18. Jh. formierte sich eine israelitische Kultusgemeinde in Rimpar. Deren Vorgänger Jehuda ben Isaak Mosche stiftete 1742 ein Memorbuch. Ab Mitte des 18. Jh. sind jüdische Hausbesitzer im Ort nachweisbar. Die Judenschaft wuchs bis 1762 auf elf Familien mit 44 Personen an. 1794 lebten rund 80 Jüdinnen und Juden im Rimpar.
1814 kam der Ort an das Königreich Bayern, erhielt 1817/18 im Rahmen des geltenden bayerischen Judenedikts 24 Matrikelstellen und wurde dem Distriktsrabbinat Würzburg zugeteilt. Zur Kulturgemeinde gehörten damals 118 Personen. Bis 1852 erhöhte sich deren Mitgliederzahl auf 34 Familien mit rund 150 Personen. Neben dem Viehhandel, den zwölf der Familien betrieben, verdienten sich die Israeliten ihren Lebensunterhalt damals durch Warenhandel aller Art. Die 1819 von Würzburg ausgehenden antijüdischen Hep-Hep-Krawalle hatten auch auf Rimpar Auswirkungen. Hier brach der aufgestachelte Mob in die Synagoge ein und zerstörte die Inneneinrichtung, Ritualen und Torarollen. Die Regierung schickte ein Militärkommando, bestehend aus zwei Offizieren und 50 Soldaten, nach Rimpar, das zehn Tage lang im Ort stationiert war und weitere Ausschreitungen verhinderte.
1833 ließ die Judenschaft ein neues Gemeindehaus mit Religionsschule, Lehrerwohnung, Küche und Ritualbad erbauen. Es befand sich auf dem Grundstück Nr. 85 (Vorgängerbau des heutigen Hauses Marktplatz 5). Den Elementarunterricht besuchten die jüdischen Kinder an der christlichen Volksschule im Dorf. Dafür hatte die Judenschaft ein Schulgeld an die Gemeindeverwaltung zu bezahlen. Daneben musste die jüdische Kultusgemeinde u.a. den Religionslehrer, der zugleich als Vorsänger tätig war, und einen Synagogendiener entlohnen und Gebühren für den Oberrabbiner in Würzburg und den Friedhof in Schwanfeld begleichen.
Ab den 1830er/1840er Jahren wanderten einige Israeliten aus Rimpar nach Amerika aus, in der Hoffnung auf sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg. Unter ihnen befanden sich auch Mitglieder der Familie Lehmann, die mit dem Unternehmen der „Lehmann-Brothers“ in der Finanzwelt von New York später eine große Karriere machten. Herbert Lehmann stieg 1933 zum Gouverneur im Bundesstaat New York auf. Trotz dieser Emigrationswelle wuchs die Kultusgemeinde in Rimpar bis Mitte des 18. Jh. stetig an, so dass 1850 eine Erweiterung der Synagoge notwendig geworden war. Besonders dringend war die Vergrößerung der Frauenabteilung. Um dafür Platz zu gewinnen, erwarb man Teile der angrenzenden Grundstücke. Der Betsaal der Synagoge erhielt innerhalb der nächsten beiden Jahre auf drei Seiten eine Frauenempore mit 25 Plätzen, die über einen neuen, achtseitigen Turm zugänglich gemacht wurde. Auch der Eingang zur Männersynagoge wurde im Zuge der Baumaßnahme neu gestaltet.
Durch die Abschaffung des Matrikelparagraphen im Jahr 1861 war es den Juden seitdem u.a. erlaubt, sich überall anzusiedeln. Daher gab es in der 2. Hälfte des 19. Jh. eine große Landflucht und die jüdischen Gemeinden in den Dörfern verloren viele Mitglieder. Dies bedeutete starke finanzielle Einbußen für die Kultusgemeinden. Auch in Rimpar setzte eine starke Abwanderung der jüdischen Familien in Großstädte, insbesondere nach Würzburg, ein. Zählten 1867 noch 142 Personen zur Judenschaft, so gehörten ihr 1895 nur noch 75 Personen an. Sie waren weiterhin vorwiegend in den traditionellen Erwerbszweigen (Handelstätigkeiten mit Waren aller Art) tätig.
Ab Ende des 19. Jh. wurden die Toten der Gemeinde nicht mehr mit dem Leiterwagen auf den dreieinhalb Wegstunden entfernten Friedhof von Schwanfeld gebracht, sondern mit einem Leichenwagen, den die am Verbandsfriedhof beteiligten Gemeinden gemeinsam anschafften. Im Jahr 1910 bestand die Kultusgemeinde Rimpar noch aus 46 Mitgliedern. Einige unter ihnen beteiligten sich als Soldaten am Ersten Weltkrieg. Zu Ehren der vier Gefallenen aus ihren Reihen ließ die jüdische Gemeinde 1922 eine Granittafel an der Ostwand der Synagoge anbringen. Auch auf dem Ehrenmal im Ortsfriedhof sind ihre Namen verzeichnet. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jh. gab es neben einigen jüdischen Viehhändlern und Metzgern auch ein Stoff- und Kurzwarengeschäft unter jüdischer Führung in der Niederhoferstraße.
Bei der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 lebten in Rimpar noch rund 50 Jüdinnen und Juden. Trotz des wirtschaftlichen Boykotts und den zunehmenden Repressalien wanderten zunächst nur wenige von ihnen aus. Im Mai 1937 wohnten noch 46 Israeliten in Rimpar. Während des Novemberpogroms 1938 verwüsteten SA- und SS-Männer die Synagoge und die Wohnungen der letzten jüdischen Familien, zerstörten die Einrichtungen, den Hausrat und die Vorräte. Angesichts der lebensbedrohlichen Situation, in der sich die Israeliten befanden, entschlossen sich Mitglieder der aus Rimpar stammenden, in Amerika lebenden Familie Lehmann zur Gründung des „Mayer Lehman Charity Fund“. Diese Organisation übernahm die für die Einwanderung in die USA nötigen Bürgschaften, half bei den Formalitäten zur Auswanderung und gab eine Starthilfe für die Neuankömmlinge in Amerika. Insgesamt konnten sie auf diese Weise rund 100 Verfolgte retten. 1939 lebten nur noch 15 jüdische Personen in Rimpar. 22 waren in die USA emigriert, einer nach Dänemark. Weitere 14 waren in deutsche Großstädte, v.a. nach Frankfurt, geflüchtet. Der Landwirt und Viehhändler Abraham Schwab musste 1939 seinen Betrieb aufgeben und seine Immobilien an die Bayerische Bauernsiedlung abtreten.
Von den noch in Rimpar lebenden Israeliten wurden sechs am 24. April 1942 über Würzburg nach Izbica bei Lublin deportiert und dort umgebracht. Die drei letzten jüdischen Einwohner hat man in das Altersheim in Würzburg gebracht. Von dort kamen sie am 23. September 1942 in das Ghetto Theresienstadt und wurden ermordet.
1949 erfolgte der Versuch vor der Würzburger Spruchkammer und dem Landgericht, die NS-Verbrechen in Rimpar juristisch aufzuklären. Die Große Strafkammer ließ die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen fünf Beschuldigte wegen schweren Landfriedens- und Hausfriedensbruchs, schwerer Sachbeschädigung und anderer Vergehen zu. Das Verfahren musste jedoch aufgrund mangelnder Beweise und wegen der am 31.12.1949 verordneten „Weihnachtsamnestie“ eingestellt werden.
Die Kommune enthüllte 1989 eine Gedenktafel am Rathaus, dem früheren Grumbachschloss. Sie erinnert an die frühere jüdische Gemeinde und ihre Synagoge. 1996 trafen sich viele Mitglieder der berühmten Familie Lehmann in Rimpar, um hier den Wurzeln ihres Geschlechts nachzuforschen. Dieses Ereignis wurde von führenden Politikern aus den USA und Deutschlands mit Grußworten begleitet und von der internationalen Presse ausführlich kommentiert. Im selben Jahr hat man im Rathaus eine Dauerausstellung über die Geschichte der Rimpacher Juden eröffnet und eine Gedenktafel am früheren Wohnhaus der Lehmann-Familie (Niederhoferstr. 7) enthüllt. Seit 1999 finden regelmäßig Gedenkveranstaltungen zum Novemberpogrom statt. Im Jahr 2008 verlegte der Künstler Gunter Demnig (*1947) zum Gedenken an die Opfer der Shoah 13 Stolpersteine im Ort.
(Christine Riedl-Valder)
Bilder
Bevölkerung 1910
Literatur
- Axel Töllner / Hans-Christof Haas: Rimpar. In: Wolfgang Kraus, Gury Schneider-Ludorff, Hans-Christoph Dittscheid, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Band III/1: Unterfranken, Teilband 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger unter Mitarbeit von Gerhard Gronauer, Jonas Leipziger und Liesa Weber, mit einem Beitrag von Roland Flade, Lindenberg im Allgäu 2015, S. 776-792.
- Magnus Weinberg: Die Memorbücher der jüdischen Gemeinden in Bayern, Bd. 1. Frankfurt am Main 1937, S. 87-89.
- K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 243.