Jüdisches Leben
in Bayern

Regensburg Gemeinde

Die erste urkundliche Erwähnung jüdischen Lebens findet sich in einer kaiserlichen Urkunde aus dem Jahr 981. Vermutlich kamen aber bereits vorher jüdische Fernhändler in die Donaustadt, was man indirekt der Raffelstettener Zollordnung um 903 entnehmen kann. Ihr Wohnviertel (lat. "habitacula judeorum") lag um das Jahr 1000 im ältesten durchgängig besiedelten Teil der Altstadt. Dies ist der früheste schriftliche Hinweis auf ein jüdisches Quartier in ganz Mitteleuropa. Damit ist die Gemeinde von Regensburg zugleich auch die älteste im heutigen Bayern. Kaiser Friedrich Barbarossa bestätigte den Regensburger Juden 1182 ihr Recht auf den Handel mit Edelmetallen; sie standen der Krone besonders nahe, und sie gehörten als Kammerknechte zu den "Reichsgütern" (lat. "ad imperialem cameram dinoscuntur pertinere").

Wohl um das Jahr 1200 kam der Gelehrte Jehuda ben Samuel (ca. 1145-1217) aus Speyer nach Regensburg und gründete eine Jeschiwa. Mit ihn wurde die Stadt ein wichtiges spirituelles Zentrum des aschkenasischen Judentums. Im Jahr 1210 erwarb ein Abraham ben Mose im Namen der 22 jüdischen Familienvorstände vom Kloster St. Emmeram den Grund für einen eigenen Friedhof. Eine Urkunde König Heinrichs VII. bestätigte ihnen 1230 erneut das Privileg des Edelmetallhandels sowie das Recht, einen eigenen "Judenrichter" zu wählen, der als einziger für innerjüdische Rechtsstreitigkeiten zuständig war. Außerdem konnte kein Christ gegen einen Regensburger Juden klagen, wenn er nicht wenigstens einen weiteren Juden zum Zeuge seiner Sache hatte! 1233 überließ der König Bischof Siegfried von Regensburg die Einkünfte des Reiches von den Juden in der Stadt. Der bayerische Landfrieden von 1244 untersagte ausdrücklich allen christlichen Untertanen den Geldhandel mit Zins, garantierte jedoch ausdrücklich den Juden dieses Recht und setzte auch die äußerste Zinshöhe fest. Um etwa den anstehenden Zehnten an die römische Kurie bezahlen zu können, verpfändeten die finanziell bedrängten Mönche von Kloster Weltenburg im Jahr 1283 ihre Messgewänder (!) an jüdische Kreditgeber in Regensburg. Sie mussten schließlich einen Hof verkaufen, um die Paramente wieder auslösen zu können.

Die Beziehungen zur christlichen Obrigkeit scheinen relativ gut gewesen zu sein, denn die Regensburger Juden überstanden im Gegensatz zu vielen rheinischen bzw. bayerischen Gemeinden die Pogrome der Kreuzzüge und der Pest 1349/50 unbeschadet. Gleichzeitig wurde die Gemeinde ein Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit mit großer Anziehungskraft. Noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts studierten achtzig externe Studenten an der Regensburger Jeschiwa. Die Regensburger Juden bezeichneten sich selbst als "buerger zu Regensbuerch", Kommune und Rat erkannten sie als Mitbürger an. Das große jüdische Viertel mit einer repräsentativen Synagoge lag im Mittelpunkt der Stadt, fast unmittelbar am Domplatz.

Die Finanzkraft der Gemeinde war zudem beträchtlich: Um 1320 verpfändete Ludwig der Bayer noch als römisch-deutscher König die jährlich anfallende Regensburger Judensteuer an seine gemeinsam herrschenden Vettern im Teilherzogtum Niederbayern. Zwei Jahre später quittierten Heinrich XIV. von Niederbayern (reg. 1310-1339), sein jüngerer Bruder Otto IV. (reg. 1310-1334) und Vetter Heinrich XV. (reg. 1312-1333) der Gemeinde eine Summe von 700 Pfund Regensburger Pfennigen – während im selben Jahr die gesamte Stadt Landshut nur 300 Pfund zahlte. Im Jahr 1322 verpfändete der König die Regensburger Schutzjuden mit allen Rechten, die das Reich noch an seinen Kammerknechten hatte, an die niederbayerischen Herzöge. Ein Jahr später forderte Ludwig der Bayer die Regensburger Juden zum Gehorsam gegenüber ihren neuen Schutzherren auf. Mit einer Urkunde vom 5. März 1325 bestätigten die niederbayerischen Herzöge der Regensburger Gemeinde alle alten Rechte und Privilegien. Das ursprünglich königliche Judengericht von Regensburg unterstand jedoch von da an den Herzögen und wurde von diesen zuweilen auch weiterverpfändet.

Auf seinem Romzug im Jahr 1327 stockte Ludwig der Bayer die Pfandsumme, die letztlich von den Verpfändeten selbst aufzubringen war (!), um weitere 6500 Silbermark auf. Immerhin verband er sich für das Reich, dass für die Zeit der Pfandschaft keine weiteren Lasten auf die Regensburger Juden gelegt werden sollten – die Gefahr, dass ihre finanzielle Leistungsfähigkeit überfordert würde, war dem Wittelsbacher dann doch zu groß. Um die Steuern und Pfandlasten aufbringen zu können, mussten die jüdischen Geldhändler ihren Schuldzins immer höher schrauben. Dadurch sank ihr Ansehen, wuchs der Hass auf die vermeintlichen "Wucherer". Die Stimmung wurde so drückend, dass die jüdischen Familien anscheinend die Stadt verlassen wollten oder sich zumindest nach neuen Schutzherren umsahen. Dies wurde jedoch von den Landesherrn nicht gestattet. Am 3. März 1374 verpflichtete sich der Gemeindevorstand im Namen aller Juden mit Brief und Siegel, weitere zwölf Jahre fest in Regensburg wohnen zu bleiben...

Das Regensburger Judenregal verblieb bis 1492 in den Händen der Herzöge. Obwohl Herzog Ludwig IX. (reg. 1450-1479) bereits zu Beginn seiner Regierungszeit alle Juden aus seiner Hauptstadt und dem ganzen Herzogtum verbannte (Vertreibung aus Landshut 1450), galt dies nicht für die Gemeinde in Regensburg: Sie stellten ein königliches Pfand dar und blieben dadurch geschützt. In der Folge zogen noch viele weitere jüdische Flüchtlinge aus Niederbayern in die Donaustadt.

Das circa 150 x 150 m messende Judenviertel in Regensburg umfasste rund mehr als 30 Häuser mit rund 40 Wohneinheiten. Die Gebäude hatten etwa 60-80 m² große Kellergewölbe. Laut einem Verzeichnis von 1350/53 waren 31 Gebäude Eigentum von Christen, darunter auch der Stadel, in dem jüdische Kaufleute ihre Waren gelagert hatten, das "Brunnenhaus", die Fleischbank und das Tanzhaus (Hochzeitshaus). Zum jüdischen Viertel gehörten auch eine Metzgerei, eine Bäckerei, ein Badhaus, eine Mikwe, das Gemeindehaus, ein Hospital, die Talmudschule und eine Synagoge. Das Gotteshaus westlich der späteren Neupfarrkirche unterschied sich von vergleichbaren Anlagen in anderen Städten: Es fand sich an hervorgehobener, repräsentativer Stelle unweit des früheren römischen Stadttores und einer Hauptstraße, war also prominent sichtbar. Die Struktur des jüdischen Viertels unterschied sich ansonsten nicht von der christlichen Umgebung, denn verwinkelte Gassen und kleine Plätze gab es überall in der Stadt. Nach den schriftlichen Quellen war das Ensemble von einer besonderen Mauer mit einer einzigen Pforte im Westen umzäunt. Später kamen weitere gesicherte Durchlässe hinzu, so dass im Spätmittelalter insgesamt sechs Tore existiert haben sollen, die in der Nacht verschlossen wurden. Ausgrabungen im Jahr 1995 haben die Existenz dieser Mauer jedoch nicht belegen können; vielleicht hatte sie auch eher symbolischen Charakter und daher keine besonders tiefen Fundamente.

Vom Turm aus gesehen ist am dritten Strebepfeiler des südlichen Seitenschiffes von St. Peter eine sogenannte "Judensau" angebracht. Die Skulptur ist heute sehr stark verwittert, weil sie im Gegensatz zum übrigen Figurenschmuck nicht von der Dombauhütte ergänzt oder erneuert wird. Eine Abbildung aus dem Jahr 1848 zeigt die Figurengruppe im ursprünglichen Zustand: Zwei Juden greifen nach den Zitzen der Sau, der dritte hält oder leckt das Tier am Ohr. Die Israeliten werden durch lange Kaftane und diskriminierende Judenhüte mit kugelförmigen Spitzen gekennzeichnet. Die Skulptur ist auf mehreren Ebenen bösartig: Das Schwein ist im Judentum trefe, also unrein, und wird von praktizierenden Gläubigen nicht verzehrt. In der christlichen Ikonographie verkörperte das Tier sündhafte Triebe, den Teufel oder Dämonen.

Die Darstellung will also zum Ausdruck bringen, dass Juden mit der Schweinsmilch auch das Gift des Bösen in sich aufnehmen. Die Skulptur stammt aus der Zeit nach 1350 und weist mit Absicht in Richtung des damaligen jüdischen Viertels.

Das antijudaistische Bildmotiv ist kein Einzelfall. Es kam im frühen 13. Jahrhundert auf und verbreitete sich überall im Heiligen Römischen Reich. Bis heute sind die meisten der 40 erhaltenen, teils noch drastischeren Varianten der "Judensau" an Kirchen und anderen Gebäuden im deutschsprachigen Raum zu finden. Mit dem Ende der NS-Herrschaft begannen sich Staat, Kirche und Kommunen mit diesem problematischen Kulturerbe ernsthaft auseinanderzusetzen. Unterhalb der Regensburger Figurengruppe wurde zunächst eine kleine Tafel angebracht, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit einem vorgelagerten zweisprachigen Informationstext ergänzt wurde.

Als 2022 eine Privatklage zur Entfernung einer "Judensau" in Wittenberg vor dem Bundesverfassungsgericht scheiterte, nahm dies der Freistaat Bayern als Eigentümer des Doms gemeinsam mit der Diözese und der IKG Regensburg zum Anlass, um 2023 eine neue Tafel anzubringen. Verfasst wurde der bilinguale Text in Zusammenarbeit mit Eva Haverkamp-Rott, Professorin am Lehrstuhl für Jüdische Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Zusätzlich zu der Tafel wird mit einem QR-Code ein weiterführender Text über die Antisemitischen Schmähplastiken vom Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe zur Verfügung gestellt.

Im Jahr 1492 erlangte Regensburg wieder den Status einer immediaten Reichsstadt. Die jüdische Gemeinde sah sich zunehmenden Schikanen durch den Stadtrat ausgesetzt, während die Geistlichkeit mit antijüdischen Predigten das Volk aufhetzte. In ihrer Not wandten sich die Regensburger Gemeindevorsteher an ihren Schutzherrn, Herzog Georg von Niederbayern. Dieser bestätigte zwar 1502 ihre Rechte und Privilegien, doch bereits zwei Jahre später war Georg tot und das wiedervereinigte Herzogtum Bayern wurde von München aus regiert. Herzog Albrecht IV. der Weise (reg. 1447-1508) und der Stadtrat von Regensburg bereiteten daher einen neuen Schlag gegen die Juden vor: Unter dem Vorwand ausstehender Schutzgelder wollte man sie gewaltsam enteignen und aus der Stadt jagen. Von diesem Plan erfuhr der römisch-deutsche König Maximilian I. von Habsburg (reg. 1486-1519) und schickte einen Brief, in dem er "ernstlich" jede Maßnahme gegen seine Kammerknechte verbot (Schutz der Regensburger Juden vor Pfändung und Bedrängung, dat. 24. April 1504). Für die Unterstützung seines Vaters im Erbfolgekrieg musste Herzog Albrecht IV. von Bayern 1506 die Territorien Rattenberg, Kufstein, Kitzbühel, Neuburg am Inn, die Gegend um Mondsee und Wildeneck, einige schwäbische Ortschaften, aber auch das die Einkünfte des Judenregals in Regensburg auf alle Zeiten an die Habsburger bzw. Maximilian abtreten.

Nach dem Tod von Maximilian I. am 12. Januar 1519 hatte der Rat freie Hand bei der Vertreibung der jüdischen Gemeinde aus Regensburg. Die Synagoge und die Häuser des jüdischen Viertels wurden zerstört, der Friedhof mit etwa 4200 Grabsteinen eingeebnet, wobei die Steine als Baumaterial verwendet wurden. Einige finden sich bis heute im Mauerwerk von Patrizierhäusern. Im nördlichen Teil des Domkreuzgangs befindet sich ein weiterer Grabstein, der 1848 für eine Beschreibung des Regensburger Doms vom damaligen Leiter der jüdischen Schule übersetzt wurde: "Zion klage! Jerachmiel, Sohn des Simeon, verschied am zweiten Tage der Woche, 24 Tage im Monate Sivan [Mai/Juni] 5011 [1250]. Möge seine Seele aufgenommen seyn im Bunde der Verklärten". Die etwa 500 vertriebenen Jüdinnen und Juden flohen nach Polen oder Tirol. Kurzzeitige Ansiedelungen in den wittelsbachischen Stadtteilen Stadtamhof und Sallern endeten im 16. Jahrhundert.

Über der Synagoge wurde die Mariahilf-Kirche errichtet. Schnell entstand hier eine Wallfahrt zur Schönen Madonna, die jedoch schon nach wenigen Jahrzehnten ihren Elan verlor. Weil die Kirche 1542 den Protestanten übertragen wurde, entschied sich das Hochstift für die Übertragung der Wallfahrt nach St. Kassian. Anlässlich ihrer spätbarocken Ausgestaltung bildete der Augsburger Maler Johann Bernhard Götz (1708-1776) das Pogrom von 1519 in einem Deckenfresko ab. Es zeigt alle damaligen Stereotypen des Judenhasses: Ratisbona, die Allegorie der Stadt Regensburg, stellt im Triumph ihren Fuß auf einen Juden. Neben ihm liegen pralle Geldsäcke, vor ihm fünf ermordete Kinder. Rechts im Bild wird eine riesenhafte Synagoge eingerissen, während Juden über die Steinerne Brücke fliehen - all dies unter dem Schutz der Schönen Madonna, die auf einer Säule mit der Jahreszahl 1519 in lateinischen Ziffern steht. Eine kleine Hinweistafel mit einem QR-Code informiert heute über den historischen Hintergrund.

Fast 300 Jahre lang berief sich der Regensburger Magistrat auf ein Privileg Kaiser Karls V. und verwehrte Juden die Niederlassung. Auch bei den Reichstagen war zunächst nur eine zeitlich befristete Anwesenheit gestattet. Nach der Einrichtung des Immerwährenden Reichstags 1663 konnten sich auf dem Freihof der Reichserbmarschälle von Pappenheim einige jüdische Familien ansiedeln, jedoch wurde diese kleine Gemeinde von der reichsstädtischen Obrigkeit mit Misstrauen verfolgt und bei der Religionsausübung behindert. Aus dem Jahr 1773 stammt eine Kellermikwe, die in einem mittelalterlichen Wohnhaus (Holzländerstraße 5) angelegt wurde und sich durch das Grundwasser speist.

Erst nach der Säkularisation 1803 konnten Juden im kurzlebigen Fürstentum Regensburg unter Carl Theodor von Dalberg (reg. 1803-1810) gegen eine Schutzgebühr von 50 Gulden das "Kleine Bürgerrecht" erwerben und auch Grundstücke erwerben - wenn sie denn ein beträchtliches Grundvermögen vorweisen konnten. Einige wenige Großkaufleute erhielten von Dalberg zudem eine Erlaubnis für Bankiers- und Kommissionsgeschäfte im In- und Ausland. Zu jenen privilegierten Unternehmern gehörte Philipp Reichenberger, der gleichzeitig auch Vorstand der neu entstandenen jüdischen Gemeinde war.

1810 ging das Fürstentum an das neu gegründete Königreich Bayern, Regensburg wurde Regierungssitz des Regenkreises, der 1837 weitestgehend im Regierungsbezirk Oberpfalz aufging. Das Bayerische Judenedikt 1813 sah die Vergabe von Matrikelstellen für 17 jüdische Haushaltungen vor, zuzüglich weiterer 15 Familien mit großer wirtschaftlicher Bedeutung für die kommunale Wirtschaft. Die Verstorbenen wurden seit dem 17. Jahrhundert auf den jüdischen Friedhöfen in Pappenheim, Schnaittach, Georgensgmünd, Wallerstein und Fürth beigesetzt. Das Judenedikt erlaubte erst ab 50 Familien einen eigenen Friedhof und eine Synagoge. Trotzdem genehmigte die Kreisregierung die Anlage eines Friedhofs, für den nach längerer Suche ein Grundstück hinter der Schießstätte (Schillerstraße 29) für 110 Gulden angekauft wurde. Die Gelder für den Grundstückskauf und die Arbeiten zur Erstellung des Friedhofs wurde durch Spenden der jüdischen Gemeinde finanziert und im November 1822 eingeweiht.

Weitere wichtige Neuerungen für die jüdische Gemeinde in Regensburg war 1832 die Errichtung einer jüdischen Volksschule im alten "Steyerer Haus" an der Unteren Bachgasse 5 (später ins "Thon-Dittmer-Haus" am Haidplatz 8 verlegt). Die Kinder wurden dort von Anfang an in deutscher und hebräischer Sprache unterrichtet. Ebenfalls in der Unteren Bachgasse 5 wurde in dieser Zeit ein koscheres Schlachthaus im Untergeschoss sowie eine Synagoge eingerichtet, die bis ins Jahr 1907 genutzt wurde. Der erste angestellte Rabbiner war Dr. Seligmann Schlenker.

Erst die freie Wohnortwahl sorgte ab 1861 für zu einem deutlichen Anwachsen der Gemeinde, die binnen zwanzig Jahren auf 2 Prozent der Gesamtbevölkerung anstieg und 1880 immerhin 675 Männer, Frauen und Kinder zählte. Mit Dr. Seligmann Meyer war von 1881 bis 1925 ein Rabbiner und Religionslehrer tätig, der das Gemeindeleben nachhaltig prägte.

Erfolgreiche jüdische Unternehmer nahmen sehr bald eine führende Rolle ein. Als Beispiel ist der Holzhändler Simon Maier Loewi zu nennen, der aus der Gegend um Forchheim stammte. Dieser organisierte mit hohem finanziellem und tatkräftigem Einsatz den Transport des Holzes aus dem bayrischen Wald bis hin zu den bayrischen Sägewerken, indem er den Fluss Regen mit Hilfe von Flößen schiffbar machte. Aufgrund seines geschäftlichen Erfolges war es ihm möglich jährlich Geld an die Armen der Stadt zu spenden und ebenfalls eine Stiftung zu gründen, die sich für die Bedürftigen in Regensburg einsetzte und zwar egal, welcher Religion diese angehörten. Der gebürtige Böhme David Funk aus Kamenitz, der 1876 die Kalkwerke und Portland-Zementfabrik "Walhalla" in Schwabelweis am Fuße des Keilbergs übernahm. Er legte von Anfang an Wert auf soziale Aspekte in der Unternehmensführung; aus dieser Verantwortung heraus richtete er für seine Arbeiter bereits 1880 eine eigene Betriebskrankenkasse ein.

Das Regensburger Rabbinat wurde zum Distriktsrabbinat erhoben, zuständig für die 1897 gegründete IKG in Straubing und die nicht gemeindlich organisierten Juden in Landshut und Passau. Die Zeit der nationalsozialistischen Verfolgung führte zu großen Aktionen gegen die jüdische Bevölkerung. Am 15. März wurde der jüdische Kaufmann Otto Selz, ein Mitglied der Filialgemeinde Straubing, erschossen und verstümmelt aufgefunden. Er hatte wenige Wochen zuvor mit Erfolg eine Strafanzeige gegen das Hetzblatt "Der Stürmer" gestellt, weil es ihn als Wucherer und "Bauernwürger" diffamierte. Bereits Ende März 1933 nahm die Regensburger Polizei in einer Massenverhaftung 124 jüdische Personen in "Schutzhaft", unter ihnen auch den Likörproduzenten Albert Binswanger. Sein handschriftlicher Bericht der Ereignisse ist in der Sammlung des Jüdischen Museums Berlin erhalten. Am 1. April begann ein systematischer Boykott jüdischer Geschäfte. Demonstrationen, Boykottaufrufen, Schmähungen und die zunehmende Ausgrenzung führte zu spürbarer Abwanderung entweder durch Auswanderung oder den Umzug in andere Orte in Deutschland. Durch Zuzug aus Osteuropa und den umliegenden Orten zählte die Gemeinde um 1938 etwa 300 Personen. Während des Novemberpogroms 1938 zerstörten SA- und SS-Männer jüdische Geschäfte und Wohnungen. Ganze Familien wurden verschleppt und 50 Männer zu einem demütigenden Zug durch Regensburg gezwungen, danach verbrachte man sie teils für mehrere Wochen in das Konzentrationslager Dachau. 1942 wurden die verbliebenen Regensburger Juden aus dem "Judenhaus" (Gesandtenstraße 10), einer Zwangs-Sammelunterkunft, in Vernichtungslager deportiert. Niemand überlebte. Am 19. März 1945 bis zum 23. April 1945 befand sich im NS-freundlichen Gasthaus "Colosseum" (Stadtamhof 5) am nördlichen Donauufer ein provisorisches KZ-Außenlager unter SS-Bewachung. Rund 400 männliche Zwangsarbeiter des Konzentrationslagers Flossenbürg wurden dort unter unmenschlichen Bedingungen zusammengepfercht und zur Trümmer-Räumung nach alliierten Luftangriffen herangezogen. Das stattliche Gebäude mit dem Namenszug steht noch heute und beherbergt ein italienisches Restaurant sowie Privatwohnungen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kamen Überlebende der Konzentrationslager und weitere jüdische Flüchtlinge als DPs nach Regensburg, wo ihnen die US-Armee Wohnraum requirierte. Im September 1945 betrug ihre Zahl etwa 250 bis 300 Personen, bis Ende 1946 waren es mehr als 1200 Personen. Die DP-gemeinde wurde durch die UNRRA versorgt und verwaltete sich durch ein selbst gewähltes Komitee mehr oder weniger vollständig selbst. Der Verwaltungssitz und das Zentrum der Jüdischen DP-Gemeinde Regensburg lag in der Götz-Villa (Gabelsberger Straße 11), weitere Räumlichkeiten lagen in der Pfauengasse 1 nahe dem Neupfarrplatz. Regensburg war zugleich der Sitz des Regionalkomitees Oberpfalz-Niederbayern der befreiten Juden in der US-Zone. Das Komitee verlegte die jiddische Wochenzeitung "Najer Moment". Die DP-Gemeinde Regensburg besaß einen Gebetsraum und einen Cheder, außerdem konnten sich die Mitglieder in einer Volks- und einer Berufsschule auf das Leben in Übersee vorbereiten. Zur körperlichen Ertüchtigung gab es zwei Sportvereine, den Bar Kochba und den Hapoel Regensburg. Im Januar 1948 erreichte die Gemeinde mit 1.540 Mitgliedern ihren Höchststand, zumal weitere DPs aus Wörth nach Regensburg verlegt wurden. Nach der Gründung des Staates Israel im Mai 1948 wanderten die meisten DPs dorthin aus oder suchten sich in Amerika und anderen Ländern eine neue Heimat. Die verbliebenen rund 200 Gemeindemitglieder gingen in der 1950 neu gegründeten IKG Regensburg auf.

Das 1971 eingeweihte neue Gemeindezentrum der IKG Regensburg bietet auch einen Raum, der für Gottesdienste genutzt werden kann. Die Ausgrabungen auf dem Neupfarrplatz nach 1995 brachten wie die noch verbliebenen Reste des bedeutendsten mittelalterlichen Judenviertels in Bayern zum Vorschein.

Anlässlich der Ausstellung "Geschichte und Kultur der Juden in Bayern" 1988/1989 erstellte das Haus der Bayerischen Geschichte einen Rundgang durch die Altstadt, vom Städtischen Museum am Dachauplatz bis zur Schillerstraße. Von 1995 bis 1998 fanden großflächige archäologische Ausgrabungen auf dem Neupfarrplatz statt, wobei man viele bestens erhaltene Keller aus der Zeit der Romanik und Gotik entdeckte. Das umfangreiche Fundgut, unter anderem ein Schatzhort, gab weitere wertvolle Informationen zur jüdischen Gemeinde im Mittelalter. Der spektakulärste Fund jedoch war der komplett erhaltene Grundriss der zerstörten Synagoge. In einem Dokumentationszentrum (document Neupfarrplatz) werden mit moderner Medientechnik diese Spuren sichtbar gemacht. An die Synagoge und ihre Geschichte erinnert das 2005 eingeweihte Denkmal "Misrach" des israelischen Künstlers Dani Karavan. Daneben, in der evangelischen Kirche, thematisiert eine Tafelausstellung mit vielen historischen Aufnahmen über die "Jüdische[n] Orte in Regensburg".

Nachdem die Schülerarbeit der Regensburger Berufsfachschule für Wirtschaft mit ihrer Thematisierung des KZ-Außenlagers "Colosseum" einen zweiten Preis des Schülerwettbewerbs Deutsche Geschichte des Jahres 1982/83 gewonnen hatte, wurde die Frage nach einer angemessenen Gedenkstätte für die Opfer wieder aufgeworfen. Anfang der 1990er Jahre setzte eine überparteiliche Initiative die Anbringung einer Gedenktafel am Geländer der Steinernen Brücke angebracht wurde. Im Jahr 1994 wurde diese durch einen großen Gedenkstein ersetzt. Dieser befindet sich ca. 40 Meter vom "Colosseum" entfernt und vermeidet die exakte Benennung. Im Auftrag der Stadt Regensburg wurde schließlich im Jahr 2011 eine bronzene Bodenplatte vor dem Gebäude des ehemaligen Außenkommandos verlegt.

Seit 1995 haben sich auch jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion der Gemeinde angeschlossen. Die Zahl der Gemeindemitglieder ist deshalb bis 2007 auf etwa 500 Personen angestiegen. Das seit 1960 bestehende Gemeindezentrum erwies sich als nicht mehr ausreichend. 2016 war der Baubeginn für ein neues Jüdisches Zentrum mit Synagoge, Kulturräumen und Verwaltungsbüros. Der Standort Luzengasse / Brixener Hof liegt auf dem Grundstück der 1938 abgerissenen Synagoge. Im Februar 2019 konnte die Synagoge und das Gemeindezentrum eingeweiht werden. Die virtuelle Ausstellung "Regensburg und seine jüdische Gemeinde im Mittelalter" entstand 2021 auf dem Kulturportal Bavarikon. Die Stadt Regensburg bietet im Rahmen des EU-Projekts "Rediscover - Das Jüdische Kulturerbe in der Donauregion" einen gedruckten und digitalen zweisprachigen Stadtplan Jüdisches Regensburg an, der kostenfrei zum Download bereit steht.


(Patrick Charell | Michael Hartung)

Abraham Zvi Idelsohn (1882-1938) war in Lettland aufgewachsen und ließ sich in kantoralem Gesang und in klassischer Musik ausbilden. Er war als Kantor in Berlin, Augsburg, Leipzig, Regensburg (1903) und Johannesburg tätig. Zwischen 1906 und 1921 lebte er hauptsächlich in Jerusalem. Hier entstand "Sefer HaSchirim", eine "Sammlung hebräischer Lieder für Kindergärten, Volks- und höhere Schulen", die 1912 vom Hilfsverein der Deutschen Juden herausgegeben wurde. Während des Ersten Weltkriegs war Idelsohn als Kapellmeister der Osmanischen Armee in Gaza stationiert. Er starb 1938 in Johannesburg.

Im Rahmen der Recherchen in der Israelischen Nationalbibliothek im November 2019 wurde von einem Projektteam – Danny Donner, Dr. Gila Flam, Thomas und Andreas Spindler – das in der Musikwissenschaft nahezu unbekanntes Liederbuch wiederentdeckt. Das "jüdisch-deutsche Liederbuch von 1912" ist in seiner Art und Konzeption weltweit einzigartig. Abraham Zvi Idelsohn war seiner Zeit weit voraus und schuf es als Sammlung der beliebtesten hebräischen und deutschen Lieder. Er konzipierte es als grundlegendes musikpädagogisches Werk, um es für den Musikunterricht in Kindergärten, Volks- und höheren Schulen in Palästina, Deutschland und in der Diaspora einzusetzen. Das in der Israelischen Nationalbibliothek von Jerusalem erhaltene Original ist ein herausragender Beleg der gleichberechtigten Verwendung hebräischer und deutscher Musik. Zugleich spiegelt es die Träume der Juden wieder, in der deutschen Gesellschaft als gleichberechtigte Bürger angekommen zu sein. Dieser Traum zerplatzte 1933 mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten.

Innovativ war Idelsohns Idee das Liederbuch zweisprachig anzulegen und im hebräischen Teil der Liedsammlung die Notenschrift analog der hebräischen Schrift von rechts nach links zu notieren. Es ist das erste in dieser Art dokumentiere Werk mit enormer Relevanz für die heutige Gesellschaft. Das Liederbuch ist online zugänglich über die digitale Bibliothek und Wissensplattform "Arche Musica", das zentrales Kernstück des deutsch-israelischen Forschungs- und Bildungsprojektes "Projekt 2025 – Arche Musica". 

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Waltraud Bierwirth (Hg.): Die Steine zum Sprechen bringen. 200 Jahre jüdischer Friedhof in Regensburg, Regensburg 2022.
  • Yehuda Shenef: OT 0094 Fragment der Brüstung einer Bima [aus Regensburg]. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Peter Wolf u.a. (Hg.): Stadt befreit. Wittelsbacher Gründerstädte. Katalog zur Bayerischen Landesausstellung [...] in Friedberg / Aichach 2020. Augsburg 2020 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 69), S. 106.
  • Andreas Lehnertz: Judensiegel im spätmittelalterlichen Reichsgebiet. Beglaubigungstätigkeit und Selbstrepräsentation von Jüdinnen und Juden. Bd. 2. Wiesbaden 2020 (= Forschungen zur Geschichte der Juden A30), S. 431-437, 456-460, 612-616, 740f., 742-745 (JSo1, Nr. 1 (1297 V 1), Nr. 5 (1302 XII 4), JSo2, Nr. 4 (1356 VI 8), JSo3 Nr. 2 (1391 III 10), Nr. 3 (1391 III 17).
  • Claudia Fuchs: Jüdisches Gemeindezentrum mit Synagoge in Regensburg. Regensburg 2019 (= Die Neuen Architekturführer 191).
  • Klaus Himmelstein (Hg.): Jüdische Lebenswelten in Regensburg. Eine gebrochene Geschichte. Regensburg 2018.
  • Helmut Huber: Die Fresken und Stucksymbole in der Stiftspfarrkirche St. Kassian. Geistlicher Führer. Regensburg 2018, S. 8-10.
  • Waltraud Bierwirth: "Die Firma ist entjudet". Schandzeit in Regensburg 1933-1945. Regensburg 2017.
  • Ole Harck: Archäologische Studien zum Judentum in der europäischen Antike und dem zentraleuropäischen Mittelalter. Petersberg 2014 (= Schriftenreihe der Bet Tfila 7), S. 168-174 u. 260-264.
  • Eugen Trapp: Bilder für eine Pfarr- und Wallfahrtskirche. Anmerkungen zum Freskenprogramm. In: Kollegiatstift "Unserer Lieben Frau zur Alten Kapelle" / Norbert Glatzel (Hg.): Die Stiftskirche St. Kassian. Regensburgs älteste Pfarrkirche. Regensburg 2015, S. 37-48.
  • Barbara Eberhardt / Cornelia Berger-Dittscheid: Regensburg. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 1: Oberfranken, Oberpfalz, Niederbayern, Oberbayern, Schwaben. Erarbeitet von Barbara Eberhardt und Angela Hager unter Mitarbeit von Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Frank Purrmann. Lindenberg im Allgäu 2007, S. 261-285.
  • Silvia Codreanu: Das jüdische Viertel am Neupfarrplatz in Regensburg. Jüdischer Alltag aus der Sicht der neuesten Ausgrabungen. In: Egon Wamers / Fritz Backhaus (Hg.): Synagogen, Mikwen, Siedlungen. Jüdisches Alltagsleben im Lichte neuer archäologischer Funde. Frankfurt a.M. 2004 (= Schriften des Archäologischen Museums Frankfurt 19), S. 117-128.
  • Siegfried Wittmer: Jüdisches leben in Regensburg. Vom frühen Mittelalter bis 1519. Regensburg 2001.
  • Uwe Moosburger / Helmut Wanner: Schabbat Schalom. Juden in Regensburg - Gesichter einer lebendigen Gemeinde. Regensburg 1998.
  • Karl Bauer: Regensburg. Kunst- Kultur- und Alltagsgeschichte. 5. erw. u. verb. Aufl. Regensburg 1997, S. 132-136, 435 u. 471-473.
  • Hans Simon-Pelanda: Im Herzen der Stadt: Das Außenlager Colosseum in Regensburg. In: Dachauer Hefte 12 (1996), S. 159 - 168.
  • Rudolf Goerge: Gab es in Freising eine "Judensau"? Eine Richtigstellung. In: Amperland Jg. 31 (1995) Nr. 1, S. 65-67.
  • Andreas Angerstorfer: Rabbi Jehuda ben Samuel he-Hasid (um 1140–1217), "der Pietist". In: Haus der Bayerischen Geschichte / Manfred Treml / Wolf Weigand (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern - Lebensläufe. München 1988 (= Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur 18), S. 13-20.
  • Renate Heuer: Isaak Alexander (1722?–1800), Rabbiner zu Regensburg. "Unser ausgezeichneter thorakundiger Herr und Meister Morenu hoRav Eisik, Sein Licht leuchte". In: Haus der Bayerischen Geschichte / Manfred Treml / Wolf Weigand (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern - Lebensläufe. München 1988 (= Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur 18), S. 37-42.
  • Andreas Angerstorfer: Von der Judensiedlung zum Ghetto in der mittelalterlichen Reichsstadt Regensburg. In: Haus der Bayerischen Geschichte / Manfred Treml / Josef Kirmaier / Evamaria Brockhoff (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern – Aufsätze. München 1988 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 17), S. 161-172.
  • Karl Bosl (Hg.) / Peter u. Renate Blickle: Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern, Abt. II: Franken und Schwaben vom Frühmittelalter bis 1800, Bd. 4: Schwaben von 1268 bis 1803. München 1979, S. 139, 203, 256f. u. 265, 460-464.
  • Lothar Altmann: Die Baugeschichte des gotischen Domes von der Mitte des 13. bis zu Anfang des 16. Jahrhunderts. In: Verein für Regensburger Bistumsgeschichte / Georg Schwaiger (Hg.): Der Regensburger Dom. Beiträge zu seiner Geschichte. Regensburg 1976 (= Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg 10), S. 97-110.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 101.
  • Historischer Verein von Oberpfalz und Regensburg (Hg.) / Joseph Rudolph Schuegraf (Bearb.): Geschichte des Domes von Regensburg und der dazu gehörigen Gebäude, Bd. II. Regensburg 1848 (= Verhandlungen des Historischen Vereins von Oberpfalz und Regensburg 12 / 4 n. F.), S. 64f. u. Tavel IV, S. 112f.