In der Gemeinde Redwitz an der Rodach (Landkreis Lichtenfels) gab es vom 17. Jahrhundert bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts eine jüdische Gemeinde. Die Ortsherren waren die Mitglieder der Aelsfamilie von Redwitz, die hier ihr Stammschloss hatten. 1595 soll der erste Jude aus Redwitz in einem Weismainer Gerichtsbuch genannt worden sein. Die beiden Redwitzer Hirsch und Jakob Gerson amtierten 1687 als Vorsteher der Beerdigungsbruderschaft in Burgkunstadt. Dort wurden also auch die Verstorbenen aus Redwitz bestattet.
Nachdem 1675 zwölf Juden in Redwitz lebten, stieg die Zahl 1716 auf fünf Familien und 1734 auf acht Familien. Die Gemeinde konnte zu dieser Zeit um 1714 bereits ein Haus für den Vorbeter errichten. Da 1716 zum ersten Mal ein Betsaal in Redwitz erwähnt wurde, ist von einer stabilen Gemeinde auszugehen. So konnte auch 1741 ein eigener Synagogenbau für die über 30 jüdischen Familien errichtet werden. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts zählte die jüdische Gemeinde um die vierzig Familien. Die Familie von Redwitz erhielt 1797 von 33 Familien etwa 213 Gulden Schutzgeld. Ein Anliegen der Gemeinde war, für mittellose Juden eine Übernachtungsgelegenheit zu schaffen. Dafür war im Wohnhaus von Simon Seligmann ein Raum vorgesehen. 1791 wurde eine "Herberge der Alten Juden" im Wohnhaus von Abraham Wolf erwähnt.
Bei der Erstellung der Matrikellisten erhielt die Gemeinde 38 Plätze. Die erste Stelle nahm der Vorsinger und Schächter Isaac Juda Auriel (geb. 1760) ein. Die angegebenen Erwerbszweige waren Schnittwarenhändler, Viehhändler, Hausierhändler, Tagelöhner und Ökonom. Die jüdische Gemeinde zählte 1829 196 Mitglieder und hatte ihren höchsten Stand erreicht. Die damit erreichte Finanzkraft machte es der Gemeinde natürlich leichter, eine Rabbinatsstelle mit zu finanzieren. Da Redwitz die größte jüdische Gemeinde hatte, wurde der Sitz des künftigen Distriktsrabbiners in Redwitz angesiedelt.
Zum ersten Rabbiner des neu gebildeten Distrikts, der die Gemeinden Lichtenfels, Mistelfeld, Horb, Küps, Oberlangenstadt, Kronach, Friesen, Mitwitz und Rednitz umfasste, wurde 1827 der erst 21jährige Moses Gutmann (1805-1862), ein gebürtiger Baiersdorfer, gewählt. Gutmann war der erste akademisch ausgebildete Rabbiner in Bayern und hatte im April 1827 die Staatsprüfung abgelegt. Gutmann war anfänglich ein Vertreter des Reformjudentums und 1831 mit den Rabbiner Aub aus Bayreuth und Kunreuther aus Burgebrach an der Ausarbeitung einer neuen Synagogen-Ordnung beteiligt. Ziel war es, den Anteil der Predigt und des lehrenden Vortrags im synagogalen Gottesdienst zu erhöhen.
Im Zuge der Revolution von 1848 kam es zu antisemitischen Ausschreitungen in Redwitz, als am 12. März 1848 Häuser von Gemeindemitgliedern überfallen und ausgeplündert wurden. Zu dieser Zeit hatte bereits der Abwandungsprozess eingesetzt, da die Gemeindezahl 1852 nur noch 120 und 1875 noch 51 Personen zählte. Martin Pauson (1861-1934) wurde in Redwitz geboren und zog 1880 nach München, wo er 1884 eine "Porzellan- und Glaswarenhandlung mit Porzellanmalerei und Zinngießerei" in der Neuhauser Straße 5 eröffnete. Bald spezialisierte er sich auf die Krugveredelung, das heißt die Verarbeitung von rohen Bierkrügen aus dem Westerwald durch Zinnapplikationen sowie der farbigen Gestaltung mit Malerei und Druck. Dieser Geschäftszweig war im München der Jahrhundertwende überwiegend in jüdischer Hand. Pausons Bierkrüge zählen zu den gestalterisch hochwertigsten in der Goldenen Zeit der Bierstadt München, außerdem bekam er Großaufträge der Brauereien Pschorr, Löwenbräu und Münchner-Kindl-Bräu.
Der Tod von Rabbiner Gutmann bedeutete auch das Ende des Distriktsrabbinats in Redwitz, das jetzt nach Burgkunstadt eingegliedert wurde. 1879 musste auch die jüdische Schule geschlossen werden. Um 1890 werden nur noch gelegentliche Gottesdienste in der Synagoge vermutet, was bei 17 Gemeindemitgliedern sehr wahrscheinlich ist.
1903 zählte die jüdische Gemeinde noch 22 Mitglieder. 1905 waren von den 22 Mitgliedern nur noch vier Steuerzahler. Gottesdienst wurde in der Synagoge nur noch zu Festtagen gefeiert. 1913 war die Gemeindemitgliederzahl auf 13 Personen geschrumpft. Im Handbuch von 1924/1925 zählte Redwitz noch 12 Mitglieder, wurde aber noch unter den selbständigen Gemeinden aufgeführt. Nachdem der Verkauf des Synagogengebäudes 1927 erfolgte, ist die Auflösung der Gemeinde wahrscheinlich bis zu diesem Zeitpunkt erfolgt.
Von den in Redwitz geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen: Ida Blümlein geb. Kuh (1891), Frieda Fichtelberger geb. Kuh (1895), Martin Fleischmann (1895), Emma Gerngroß geb. Midas (1862), Thomas Grosser (1855), Max Gutmann (1899), Rosa Hammel geb. Gutmann (1881), Max Hopfmann (1868), Meta Lilienfeld geb. Gutmann (1903), Mathilde Nordhäuser (1878), Johanna Steuermann geb. Midas (1860).
Bilder
Bevölkerung 1910
Literatur
- Gutmann, Moses: Die Apokryphen des Alten Testaments, Altona 1841
- Gesellschaft für Familienforschung in Franken / Staatliche Archive Bayerns (Hg.): Staatsarchiv Bamberg - Die 'Judenmatrikel' 1824-1861 für Oberfranken (gff digital, Reihe A: Digitalisierte Quellen, 2 = Staatliche Archive Bayerns, Digitale Medien, 4), Nürnberg 2017
- Bernhard Purin: "Großartige Auswahl in Bierkrüge aller Art". Münchens jüdische Bierkrugveredler. In: Lilian Harlander / Bernhard Purin (Hg.): Bier
ist der Wein dieses Landes. Jüdische Braugeschichten (AK Jüdisches Museum München). München 2016, S. 113. - K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 157.
- K. statistisches Bureau: Ergebnisse der Volkszählung im Königreiche Bayern am 1. Dezember 1875 [...]. München 1877 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 36). S. 142.