Die erste Erwähnung Neustädter Juden fällt mit dem Rintfleischpogrom 1298 zusammen, als am 23. Juni in der Stadt 71 Menschen ermordet wurden. Viele Überlebende ließen sich für die kommenden Jahrzehnten in Nürnberg nieder.
Ab 1374 gewährte der Nürnberger Burggraf Friedrich V. (reg. 1358-1397) einzelnen Schutzjuden befristeten Aufenthalt in Neustadt an der Aisch. Sein Nachfolger Johann III. (reg. 1398-1420) erteilte 1409 ein auf zwei Jahre ausgestelltes Generalprivileg, dass ihre Rechte und Pflichten, insbesondere die Abgaben festlegte. Es markiert den offiziellen Beginn der Neustäter Kultusgemeinde, die sich auf den „Gänss-Hügel“ in der Nähe der Burg (Altes Schloss) konzentrierte. Als im Jahr 1421 ein katholisches Heer aus Flandern gegen die Hussiten marschierte, nahm es am 23. August in Neustadt Quartier. Laut einem Bericht des Nürnberger Rats wurden die Juden an diesem Tag „hart geschlagen“, einige auch zwangsgetauft. 1486 bezog die Brandenburger Kurfürstin Anna von Sachsen ihren Witwensitz in Neustadt und nahm weitere Familien auf, die man andernorts vertrieben hatte. Als sie 1515 starb, waren auch ihre ehemaligen Schutzjuden vom allgemeinen Ausschaffungsmandat der Fürstentümer Ansbach und Bayreuth betroffen: Die Gemeinde löste sich auf.
Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts lebten nur noch vereinzelt Juden in Neustadt. Noch am 30. Januar 1699 bestätigte Markgraf Christian I. Ernst von Bayreuth (reg. 1655-1712) dem Neustädter Magistrat, dass sie „bis uff fernere Verordnung befugt seyn solle, die jenige Juden, so sich in ihrer Stadt Nieder laßen wollen, abzuweisen und nicht zu recipieren“. Kurze Zeit später jedoch gestatte er, dass sich Süßle Hirsch aus Frensdorf und Joseph Levi aus Burgellern als Schutzjuden im Ort niederließen. Zumindest Levi hatte sich an den Ansbacher Hoffaktor Salomon Samson gewandt, der seinen Einfluss nutzte um die Ausnahmegenehmigung zu erwirken.
Nach Josephs Tod wollten die Neustädter seine Familie wieder vertreiben und den Zuzug abgewanderter Verwandter verhindern. Zwar gab es zumindest 1763 noch zwei weitere „recipierte Haushaltungen“, doch mit dem Verkauf des Levi’schen Hauses im Jahr 1770/71 enden die Nachrichten über Neustädter Juden im 18. Jahrhundert.
Neustadt wurde vor allem durch ihren Anschluss an die 1865 fertig gestellte Bahnlinie zwischen Fürth und Würzburg für jüdische Händler attraktiv. Bis 1867 siedelten sich wieder neun Familien an, fast alle kamen aus Dörfern des Umlands. Neustadt gehörte zum Rabbinat Diespeck im Distrikt Uehlfeld. 1867 wollten die Neustädter jedoch eine eigene Kultusgemeinde gründen und legten dem Bezirksamt einen entsprechenden Antrag vor. Zuletzt lehnte die Regierung Mittelfrankens das Vorhaben am 25. Juli 1868 aus praktischen Erwägungen ab. Nun strebten die Neustädter Juden wenigstens das Recht auf eigene Gottesdienste an. Es gibt keinen Aktennachweis, aber man kann davon ausgehen, dass die Gottesdienste im stillen Einvernehmen aller Parteien tatsächlich vor Ort zelebriert wurden.
Während sich im Lauf der Jahre immer mehr Juden ansiedelten, schrumpfte die benachbarte Gemeinde in Pahres kontinuierlich. 1877 lebte dort nur noch die Familie Reinstein, die aber schon ihren Umzug nach Neustadt plante. Nahum Reinstein leitete daher die Auflösung der Gemeinde in die Wege und wandte sich mit einem ungewöhnlichen Anliegen an die Behörden: Die Synagoge in Pahres sollte Stein für Stein abgebaut und das neue Gotteshaus in Neustadt werden.
Die Idee wurde überall positiv aufgenommen, am 14. Juli 1877 traf die staatliche Genehmigung ein. Noch im selben Jahr stand die Synagoge auf der Hausnummer 234 G (heute Gartenstraße 6). Mit ihr hofften die Neustädter Juden, doch noch eine eigene Gemeinde gründen zu können. Ein neuer Antrag wurde 1880 abgelehnt, auch weitere Versuche in den Jahren 1893, 1890 und 1896 scheiterten: Neustadt blieb bis zuletzt eine Filiale von Diespeck, jedoch wechselte der Gemeindesitz als Ironie der Geschichte im Jahr 1915 nach Neustadt.
Nach dem Tod des Lehrers Leser Hecht wurde im September 1931 Nathan Eschwege als Religionslehrer „in den Volksschulen zu Neustadt a. A.“ eingestellt. Seine Nachfolge trat 1923 Simon Blumenthal an. Er lebte und lehrte im Haus Nr. 235 (heute Nürnberger Straße 13), zudem erteilte er jüdischen Religionsunterricht am Gymnasium.
Bereits in den frühen Jahren der Weimarer Republik entwickelte sich Neustadt zu einem Zentrum des Antisemitismus, gefördert durch Politiker, Lehrkräfte und evangelische Geistliche. Abgesehen davon bedrückten viele Sorgen die Juden der Diespecker Verbundsgemeinde: Ihre Zahl war auf 102 Personen in 38 Haushalten gefallen, darunter viele mittellose oder alleinstehende Personen. Sie konnten nichts zu den Ausgaben beitragen und benötigten vielmehr selbst Unterstützung.
Als im August 1923 ein Denkmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen elf jüdischen Soldaten auf dem Friedhof in Diespeck enthüllt wurde, verlief die Zeremonie - unter starken Polizeischutz - völlig ungestört. Für die dringend nötige Erweiterung des Friedhofes genehmigte die Stadtverwaltung 1925 einen Zuschuss von 400 Mark. Im selben Jahr formierte sich die zwischenzeitlich verbotene Ortsgruppe der NSDAP erneut. Am 21. Juni 1931 wurde Neustadt die zweite nationalsozialistisch regierte Stadt in Bayern. Damit begannen Schmierereien und Sachbeschädigung, Schmähreden und ein harter Boykott gegen jüdische Geschäfte.
Nach der Machtübernahme der NSDAP 1933 verschärfte sich die Situation. Zwei Jahre später wurde in der „Fränkischen Tageszeitung“ ganz offen der Vorschlag unterbreitet, man möge in der ohnehin bald leerstehenden Synagoge das Heimatmuseum unterbringen – das Gotteshaus könnte mit geringem Aufwand seinen maurischen Charakter verlieren und so aus dem Stadtbild verschwinden. Bereits 1936 wurde der Schaf- und Schnittwarenhändler Heinrich Sämann schwer verletzt und kam bewusstlos in das örtliche Krankenhaus. Bis 1938 verließen über 50 Jüdinnen und Juden die Stadt: Etliche emigrierten, andere verzogen in größere Städte. Jene die in Neustadt blieben, mussten 1938 unter dem Zwang der Verhältnisse ihre Anwesen verkaufen. Das Novemberpogrom erfasste Neustadt bereits am Nachmittag des 9. November 1938. Die letzten verbliebenen jüdischen Hausvorstände wurden in den Rathaussaal zitiert, wo man ihnen zwei Tage zum Verlassen der Stadt einräumte. Die Ausschreitungen in der Nacht auf den 10. November sehr brutal und konzentrierten sich auf die letzten jüdischen Wohnhäuser. Am 18. Dezember 1938 vermerkte der Neustädter Bürgermeister: „I. Sämtliche Juden sind aus Neustadt / Aisch abgemeldet. II. Erledigt zum Akt“.
1945/46 lebten wieder einige wenige Jüdinnen und Juden in Neustadt, die meisten von ihnen stammten aus Polen. Zur dauerhaften Etablierung einer Gemeinde kam es jedoch nicht mehr. Im März 1988 enthüllte Bürgermeister Horst Erny eine Gedenktafel am Synagogengebäude. 2004 veröffentlichte die Mundartdichterin Grete Mikisch den Gedichtband „Wies‘ Leem so lafft“ mit Illustrationen ihrer früheren Schulfreundin, der 1935 aus Deutschland geflohenen jüdischen Französin Anni Ragolski. Im April 2013 wurden durch den Künstler Gunter Demnig (*1947) fünf "Stolpersteine" für jüdische SchülerInnen vor dem Schulzentrum in der Comeniusstraße 4 verlegt.
Bevölkerung 1910
Literatur
- Barbara Eberhardt / Hans-Christof Haas: Neustadt an der Aisch. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 2: Mittelfranken. Erarbeitet von Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Angela Hager unter Mitarbeit von Frank Purrmann und Axel Töllner mit einem Beitrag von Katrin Keßler. Lindenberg im Allgäu 2010, S. 448-465.
- K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 192.