Jüdisches Leben
in Bayern

Nenzenheim Gemeinde

Für das 17. und 18. Jahrhundert liegen nur spärliche Quellen für jüdisches Leben in Nenzenheim vor. Erste Hinweise auf Juden in Nenzenheim finden sich in einem 1623 angelegten Zinsbuch der Herren von Hutten, zu deren Eigengütern die Herrschaft Frankenberg und damit auch das Dorf Nenzenheim gehörte. Ein Eintrag nennt als Hausbesitzer einen Juden Salomon. In einem Verzeichnis von 1638, das dem Zinsbuch beigefügt wurde, werden allerdings keine Schutzjuden erwähnt. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wohnte wohl nur ein, zum Ende zwei bis drei, um 1720 vier bis fünf jüdische Hausbesitzer in Nenzenheim.

In der Nenzenheimer Dorfordnung von 1736 werden Juden im Zusammenhang mit dem Schutz der christlichen Feiertage erwähnt.  Im Jahr 1758 tauchen die Namen von drei vorher nicht erwähnten Juden im Zusammenhang mit Hauskäufen auf. Möglicherweise wurden zu diesem Zeitpunkt vermehrt Juden in Nenzenheim aufgenommen. 1759 schrieb eine neue Dorfordnung den ansässigen Schutzjuden vor, nicht zu schächten, ohne vorher eine Beschau des Schlachtviehs vorgenommen zu haben. Nachdem der markgräflich-ansbachische Staatsminister Voit von Salzburg 1782 das Rittergut Nenzenheim übernommen hatte, nahm er dort verstärkt Schutzjuden und ihre Familien auf. In der Zeit von 1790 bis 1796 erwarben die jüdischen Nenzenheimer fünf Güter mit Ackerland und Wiesengrund. Ermöglicht hatte dies "Erneuerte preußische Landrecht" der Hohenzollern, das nach der juristischen Einverleibung der Markgrafschaft in das Königreich Preußen den ansässigen Schutzjuden den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen über einen bloßen Hausgarten hinaus erlaubte.  

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren etwa 14 jüdische Haushalte in Nenzenheim ansässig. Zum Zeitpunkt der Matrikelaufnahme durch das Königreich Bayern 1813 lebten zwölf verheiratete Männer, zwölf Frauen und 38 Kinder in Nenzenheim.

Die Kinder der jüdischen Gemeinden Nenzenheim, Bullenheim, Dornheim und Weigenheim unterrichtete in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert mehr als drei Jahrzehnte der Hüttenheimer Religionslehrer Abraham Faber. In den 1830er Jahren besuchten insgesamt rund 50 Kinder den jüdischen Religionsunterricht. Davon stammten vier aus Nenzenheim. 1833 verfügten acht der neun jüdischen Haushalte über ein halbes Haus und ein Haushalt über ein sog. Vollgut mit je sieben bis neun Äckern und je eine bis zwei Wiesen. Die Kultusgemeinde gehörte von 1838 bis 1880 zum Distriktsrabbinat Welbhausen, danach zum Distriktsrabbinat Kitzingen. Die Verstorbenen wurden in Rödelsee, danach in Hüttenheim beigesetzt.

1840 entspann sich ein Streit um die Schabbesdrähte (Eruv), die im Ort am Freitag gespannt wurden, um den Juden auch am Sabbat Besorgungen innerhalb eines (fiktiven) Anwesens zu ermöglichen. Obwohl die Gemeinde der jüdischen Kultusgemeinde gegen eine Aufwandsentschädigung zugesichert hatte, dafür zu sorgen, dass die Eruvstangen und -drähte nicht beschädigt wurden, kam die Gemeinde ihren Verpflichtungen nicht nach. Nach gerichtlichen Auseinandersetzungen einigten sich die Gemeinde und die jüdische Kultusgemeinde. Langwierige Konflikte ergaben sich 1861, als die Würzburger Kreisregierung den Schulverbrand zwischen dem unterfränkischen Hüttenheim und den damals mittelfränkischen Gemeinden Nenzenheim, Bullenheim und Weigenheim auflöste: In den 43 Folgejahren sollten zehn verschiedene Lehrer in Nenzenheim unterrichten. Da die jüdische Gemeinde Nenzenheim keinen eigenen Religionslehrer finanzieren konnte, berichtete Gemeindevorsteher Feist 1871 an das Bezirksamt Scheinfeld, dass die jüdischen Schulkinder seit 1861 keinen Religionsunterricht erhalten hätten. Schließlich entschieden sich die Nenzenheimer doch noch für die Anstellung eines eigenen Religionslehrers. Nach längeren Auseinandersetzungen mit der Bezirksregierung über die Zuständigkeit des Hüttenheimer Lehrers präsentierte der Kultusvorstand 1873 schließlich den Frankfurter Privatgelehrten Hirsch Labin. 1890 übernahm der aus Krainfeld im Großherzogtum Hessen stammende Gottlieb Lind die Lehrerstelle, der bis 1910 in Nenzenheim blieb. 

1910 lebten in Nenzenheim, das damals 560 Einwohner zählte, 27 Juden. Im 1. Weltkrieg fiel der jüdische Nenzenheimer Hermann Hirschmann, der auch auf dem örtlichen Gefallenendenkmal genannt ist. Die jüdischen Nenzenheimer gehörten überwiegend zum ärmeren Teil der Dorfbevölkerung und betrieben Fellhandel, handelten mit Fetten und Ölen und betrieben zwei Kolonialwarengeschäfte. Der wachsende Antisemitismus nach dem Ersten Weltkrieg machte sich bereits 1923 in Nenzenheim bemerkbar, als dort 1923 eine von dem späteren Gauleiter von Mainfranken organisierte "Schlageter-Feier" mit 3000 Teilnehmern stattfand. Bereits 1933 wurden die jüdischen Nenzenheimer beispielsweise beim Einkaufen diskriminiert, und die jüdische Kolonialwarenhändlerin vermied soweit möglich bei Besorgungen die Dorfstraße. Zahlreiche Nenzenheimer wanderten bereits 1935 und 1936 nach Palästina und Nordamerika aus. 1938 verkauften drei ehemals große jüdische Familien ihre Anwesen und verließen den Ort. Am 10. November 1938 fand in Nenzenheim ein Pogrom statt, dessen Einzelheiten nie geklärt wurden. Frühmorgens wurden die meisten jüdischen Frauen und Männer aus ihren Häusern geholt und zusammengetrieben. Sie mussten der Zerstörung der Synagoge beiwohnen und wurden zum Teil über Nacht inhaftiert.

1942 wurden die noch in Nenzenheim lebenden, zwischen 59 und 78 Jahre alten Juden größtenteils in das Ghetto Theresienstadt, einige auch nach Krasniczyn und Izbica deportiert. Keiner der 15 Juden, die 1938 in Nenzenheim lebten, überlebte die Deportationen. 

Bilder

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Hans Schlumberger / Cornelia Berger-Dittscheid: Nenzenheim. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.2. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, 1241-1258.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 198.