Jüdisches Leben
in Bayern

Nabburg Gemeinde

Aus dem Mittelalter liegt nur ein Hinweis auf einen jüdischen Einwohner vor: 1324 gestattete Kaiser Ludwig der Bayer (reg. 1314-1347) einem Juden Jakob von Eger, sich in Nabburg gemäß des Nürnberger Judenrechts anzusiedeln. Eine Gemeinde (Kehillah) gab es jedoch zu keiner Zeit. Erst im späten 19. Jahrhundert sind wieder einige wenige jüdische Mitbürger nachweisbar: Im Jahr 1910 waren es sechs Jüdinnen und Juden, die zur jüdischen Gemeinde in Amberg beziehungsweise zum Distriktsrabbinat Regensburg gehörten. Die in Nabburg verstorbenen jüdischen Personen wurden im jüdischen Friedhof in Floß beigesetzt. Die jüdischen Familien der Stadt waren die miteinander eng verwandten Familien Wilmersdörfer, Baum und Bruckmann. 

Um 1890 eröffnete der gebürtige Böhme Alois Baumam (1860-1917) von der Familie Wilmersdörfer ein Textilkaufhaus am Unteren Markt 3, in dem er Mode- und Schnittwaren verkaufte ("Baum-Haus"). Zeitweise gab es eine eigene Schneiderei und Weberei im Geschäft. Alois Baum war seit 1885 mit Klara geb. Wilmersdörfer (1861-1925) verheiratet und zeugte mit ihr drei Kinder. Besonders erwähnenswert ist aber eine Stiftung, die vom Ehepaar Baum während des Ersten Weltkriegs eingerichtet wurde. Der einzige Sohn Josef (1897-1968) nahm als Soldat am Krieg teil und geriet im September 1916 bei Lipica Dolna an der Narajowka in Galizien (heute westliche Ukraine) in russische Kriegsgefangenschaft. Die um das Schicksal ihres Sohnes ernsthaft besorgten Eltern beschlossen daraufhin, jedes Jahr "zwei bedürftige Kriegsteilnehmer des jetzigen Krieges oder deren Familien" finanziell zu unterstützen im Rahmen der "Alois und Klara Baum’schen Kriegsstiftung 1914/1917". Die Stiftung wurde immer wieder erweitert, als die Inflation das Grundkapital zu sehr reduziert hatte. Eine letzte Zustiftung ist 1925 aktenkundig. Im Februar 1925 übergab Sally Bruckmann (1890-ca. 1942), Ehemann von Gertrud Baum (1892-ca. 1942) zur Erinnerung an seine am 28. Januar verstorbene Schwiegermutter Clara Baum Bürgermeister Johann Eckl 50 Mark "als vorläufigen Zins für eine am 1. Todesjahrestag der verst. Frau Baum zu errichtende Stiftung". Der Stadtrat verfügte am 18. Februar 1925, die Summe der Armenkasse zufließen zu lassen.

Nach der NS-Machtübernahme 1933 wurden die jüdischen Mitbürger zum Ziel von Diffamierungen und diskriminierenden Ausschreitungen. Im Novemberpogrom 1938 wurde das Kaufhaus Baum(-Bruckmann) überfallen und demoliert, Inhaber Sally (Salomon) Bruckmann kam in "Schutzhaft" und wurde bis Mitte Dezember im KZ Dachau festgehalten. 1939 zog er mit seiner Familie nach Leipzig um. Der letzte jüdische Einwohner von Nabburg war mit einer "arischen" Frau verheiratet, was ihn vor der Deportation schützte. Die Familie Baum-Bruckmann jedoch kam in der Shoah ums Leben, bis auf Werner Bruckmann (1920-1979), weil er bereits 1936 nach Palästina emigrieren konnte. Im Jahr 2007 verlegte der Künstler Gunther Demnig (*1947) vor dem ehemaligen Kaufhaus Baum einen Stolperstein. Auf Basis der Gedenkschrift "Gedenke und erzähle" von Gabriele Ziegler und Franz Grundler drehte Thomas Feldbauer Gedenke - ein Film über das Schicksal der jüdischen Familie Baum.

Nach dem Zweiten Weltkrieg richteten die US-Militärverwaltung und die UNRRA in Nabburg Unterkünfte für sogenannte "Displaced Persons" (DPs) ein. Dafür beschlagnahmten sie privaten Wohnraum im Ortsgebiet. Im November 1946 lebten 36 Jüdinnen und Juden in Nabburg und bildeten eine kleine DP-Gemeinde, die sich nach dem üblichen Muster größtenteils selbst verwaltete. Ein gewähltes Komitee unter dem Vorsitz von E. Friedberg und J. Cukerfein hatte in der Hallerstraße 365 seinen Verwaltungssitz, dort befand sich auch das soziale Zentrum der Gemeinde. Von weiteren religiösen oder kulturellen Einrichtungen ist nichts bekannt. Anfang 1948 in die jüdische Gemeinde Schwandorf integriert.


(Patrick Charell)

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Gabriele Ziegler/ Franz Grundler: Gedenke und erzähle. Die jüdischen Familien Baum, Wilmersdörfer und Bruckmann in Nabburg. Nabburg 2007.
  • Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 288.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 112.