Im 19./20. Jahrhundert lebten in Münchberg einige jüdische Personen oder auch Familien, ohne dass es zur Bildung einer selbständigen Gemeinde kam. Die hier lebenden Juden gehörten zur IKG Hof. Ein Zuzug in die Stadt war erst nach 1861 möglich. Bei den Volkszählungen wurden folgende Zahlen jüdischer Einwohner festgestellt: 1871 zwei jüdische Einwohner, 1880 drei, 1890 einer, 1910 sechs,1933 neun (0,1 % der Einwohnerschaft). Jüdischen Familien gehörten zwei Geschäfte in der Stadt, die ab dem 1. April 1933 zwei tage lang von SA- und SS-Leute blockiert wurden. Von den neun 1933 hier lebenden jüdischen Personen zogen sieben zwischen 1935 und 1939 nach München, zwei nach Hannover. Am 1. April 1939 wurde kein jüdischer Einwohner mehr festgestellt.
Nach dem Sturz der NS-Diktatur strömten sog. "Displaced Persons" (DPs) – befreite Häftlinge aus den Konzentrationslagern und Überlebende der Todesmärsche – in die US-Amerikanische Besatzungszone. Die Militärverwaltung errichtete Durchgangs- und Auffanglager in ganz Bayern. Während nichtjüdische DPs relativ bald in ihre jeweiligen Länder zurückkehrten, hatten Juden oft keine Heimat mehr und mussten auch durch die stalinistische Sowjetmacht Verfolgung befürchten. Sie blieben daher länger in den DP-Einrichtungen und fanden im Land der Täter eine Heimat auf Zeit. In Münchberg beschlagnahmte die Militärverwaltung 1945 privaten Wohnraum und brachte jüdische DPs im Stadtgebiet unter. In der zentralen gelegenen Ludwigstraße 22 befand sich die Gemeindeverwaltung, das soziale und kulturelle Zentrum lag in der Villa Bergmann (Gartenstraße 50). Wie üblich verwaltete sich die DP-Gemeinde unter dem gewählten Vorsitz von Nathan Czapelski und Baruch Czamocha größtenteils selbst, versorgt von der UNRRA. Es gab eine eigene Volksschule und eine Bibliothek, einen Cheder (Religionsschule) und eine eigene Ambulanz. Bemerkenswert ist das "Münchberg Seminary", eine Schule der zionistischen NOCHAM Kibbuz-Bewegung (Noar Chaluzi Meuchad = Vereinigte Jugendpioniere). Im Dezember 1945 lebten 75 Jüdinnen und Juden in Münchberg. Ihre Zahl stieg bis Juli 1947 auf 336 und erreichte damit ihren Scheitelpunkt. Die Zahlen sanken ab da langsam, durch die Verlegung in andere Einrichtungen und durch Auswanderung. Diese Tendenz beschleunigte sich nach der Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948, im Februar 1951 lebten nur noch 24 DPs in der Stadt. Die Gemeinde wurde im Laufe des Jahres aufgelöst und die Gebäude wurden ihren Besitzern zurück gegeben. Die Villa Bergmann ist heute eine Ferienwohnung.
(Patrick Charell)
Bevölkerung 1910
Literatur
- K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 159.