In Mönchsdeggingen bestand von 1684 bis zur Auflösung am 25. April 1879 eine Jüdische Kultusgemeinde. Einige der ersten jüdischen Familien waren Flüchtlinge aus Höchstädt a. d. Donau zugezogen, das zur Pfalzgrafschaft Pfalz-Neuburg gehörte. Bald erwarben die Zuzügler eigene Häuser. 1707 waren sieben jüdische Familien am Ort, 1739 bereits 31 Familien. In den ersten Jahrzehnten (bis um 1730) bildeten die Juden in Mönchsdeggingen und Harburg eine gemeinsame Gemeinde. Ursprünglich gehörte die Mönchsdegginger Kultusgemeinde zusammen mit jener in Harburg zum Rabbinat Oettingen, seit 1743 zum neu gebildeten Distriktsrabbinat Wallerstein.
Am Anfang des 19. Jahrhunderts waren es 40 Familien, zur besten Zeit um 1839 sogar 53 jüdische Familie, die etwa einem Viertel der damaligen Gesamteinwohnerschaft entsprachen. Noch im Jahr 1840 existierte im mehrheitlich evangelischen Pfarrdorf eine blühende jüdische Kultusgemeinde mit zweihundert Personen. Ab diesem Jahr gehörte der Ort zum kurzlebigen Rabbinat Harburg.
An Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde eine Synagoge, eine Schule (in der jüdischen Volksschule lernten 1857 noch 74 Schulkinder), ein rituelles Bad und einen Friedhof. Die Mikwe (Alemannenstr. 52c), im Volksmund "Judenduck" genannt, gehört zu den bis heute sichtbaren Zeugen der fast 200-jährigen Geschichte der jüdischen Gemeinde in Mönchsdeggingen. Sie befindet sich in der Ortsmitte und wurde 1841 im neomaurischen Stil in der Ortsmitte errichtet. Der Bau war vom fürstlichen Gerichtsarzt angeordnet worden und mit einem Warmwasserbehälter versehen, so dass dem durch eine hölzerne Wasserleitung geführten Quellwasser heißes Wasser beigefügt werden konnte. Nach Auflösung der jüdischen Gemeinde diente das Gebäude längere Zeit als örtliche Arrestzelle, wozu das eigentliche Bad zugeschüttet und mit einem Holzboden überdeckt wurde (Netzwerk Historische Synagogenorte in Bayerisch-Schwaben).
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Aus dem 19. Jahrhundert sind bekannt: Naftali Hirz Sternberger (bis 1861), gefolgt von seinem Schwiegersohn Nathan Sonn aus Schweinshaupten. Von 1861 an lebte bis zu seinem Tod 1875 auch dessen Vater Rabbiner Mosche Sonn in Mönchsdeggingen, eine zu seiner Zeit hoch angesehene rabbinische Autorität. Die jüdischen Familien lebten vor allem vom Handel mit Landesprodukten und Waren. Im 19. Jahrhundert gab es mehrere bedeutende jüdische Leder- und Getreidehändler am Ort, die mit ihren Waren das Monopol für das halbe Ries und Kesseltal innehatten. Nach 1861 verzogen fast alle jüdischen Familien nach Nördlingen oder in andere wirtschaftlich attraktivere Ortschaften, nachdem eine geplante Bahnlinie nicht durch Mönchsdeggingen geführt wurde. Die in Mönchsdeggingen verbliebenen jüdischen Einwohner wurden der Nördlinger Gemeinde zugeteilt. Theodor Harburger konnte im Rahmen seiner Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern am 21.November 1926 ein Memorbuch aus Mönchsdeggingen fotografieren. Das Buch wurde am 30. Mai 1773 angelegt. Ein Eintrag erinnert an den 1802 verstorbenen Graf Kraft Ernst von Oettingen-Oettingen und Oettingen-Wallerstein. Da sich die Gemeinde von Mönchsdeggingen 1879 aufgelöst hatte, befand sich das Werk im Besitz der jüdischen Gemeinde Nördlingen. Anlässlich der Ausstellung "Geschichte und Kultur der Juden in Bayern" 1988/1989 erstellte das Haus der Bayerischen Geschichte eine Exkursion in Nordschwaben (Mönchsdeggingen-Nördlingen).
(Patrick Charell)
Bilder
Bevölkerung 1840
Literatur
- Johannes Mordstein: „daß wür ebenfahlß Eur Hochgräffliche Excellenz gehorsame unterthanen seint.“ Partizipation von Juden an der Legislationspraxis des frühmodernen Staates am Beispiel der Grafschaft Oettingen 1637- 1806, in: Rolf Kießling u.a. (Hg.): Räume und Wege Jüdische Geschichte im Alten Reich 1300-1800. Berlin 2007 (= Colloquia Augustana Band 25), S. 79-105.
- Theodor Harburger: Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, hg. von den Central Archives for the History of the Jewish People, Jerusalem, und dem Jüdischen Museum Franken – Fürth & Schnaittach, Bd. 3. Fürth 1998, S. 389f.
- Max Direktor: Hirsch Kutz (1802–?), Buchbinder in Mönchsdeggingen. In: Manfred Treml / Wolf Weigand (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern: Lebensläufe. München 1988 (= Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur 18), S. 113-116.
- Max Siebert: Das Königreich Bayern topographisch-statistisch in lexicographischer und tabellarischer Form dargestellt. München 1840, S. 513.
Weiterführende Links
- Exkursion: Juden in Nordschwaben II (Haus der Bayerischen Geschichte)
- Gemeinde Mönchsdeggingen (Alemannia Judaica)
- Mönchsdeggingen (Netzwerk historischer Synagogenorte in Bayerisch-Schwaben)
- Archivalien zur Geschichte der Synagogen und Gemeinden in Bayerisch Schwaben (Jüdisches Museum Augsburg Schwaben)
- Ehemalige Mikwe (Bayerischer Denkmal-Atlas)