Juden aus Maßbach sind erstmals im Jahr 1504 in einem Bericht des Fuldaer Fürstabts Johann von Henneberg-Schleusingen erwähnt. Im 1555 ließ Graf Wilhelm IV. von Henneberg-Schleusingen (1478-1559) alle Juden aus seinen Besitzungen, zu denen auch Maßbach gehörte, ausweisen. Trotzdem lebte nachweislich ein Schutzjude weiterhin im Maßbacher Schloss. Später wurde das Ansiedelungsvebrot wieder aufgehoben, denn aus einem 1601 geschlossenen Vertrag kann man entnehmen, dass Juden in Maßbach Vieh hielten und vermutlich auch damit handelten. Ein Lehenbuch, das zwischen 1630 und 1643 angelegt wurde, verzeichnet drei Häuser bzw. Hausteile im Ort, die mehrere Generationen lang im Besitz von jüdischen Familien waren.
Eine Beschreibung des Amts Poppenlauer aus dem Jahr 1655 nennt für Maßbach sieben jüdische Haushalte mit 28 Personen unter dem Schutz des Melchior von Hatzfeld. Sie ernährten sich von „allerhandt gewerb“, unter anderem waren sie als Geldverleiher, Wolle-, Leinen- und Viehhändler tätig. Mit den entsprechenden Gewerbezeichen, die sie vorher kaufen mussten, durften die Israeliten im gesamten Hochstift Würzburg ihrem Handel nachgehen. Die jüdischen Händler Lazarus und Nathan aus Maßbach belieferten 1672 auch Marie Katharina Gräfin von Hatzfeld und Gleichen, die Ehefrau ihres Schutzherrn, mit den damaligen Luxuswaren Zucker und Papier. Aufgrund der nachgewiesenen Anzahl jüdischer Haushalte darf man davon ausgehen, dass im Laufe des 17. Jahrhunderts in Maßbach eine jüdische Kultusgemeinde gegründet wurde. Bis 1699 stieg die jüdische Bevölkerung im Ort auf 13 Familien mit 67 Personen an. Darunter befand sich auch ein jüdischer Schulmeister. Seinen Nennung verweist darauf, dass sich damals schon eine jüdische Schule, sprich Synagoge im Dorf befand.
1710 waren 18 jüdische Familien im Ort ansässig. Laut einer Visitation der Kirchenbehörde in Maßbach im Jahr 1716 umfasste die jüdische Gemeinde damals 123 Seelen. Neben den ritterschaftlichen Juden hatten sich damals im Ort auch vier Schutzjuden des Hochstifts Würzburg niedergelassen, die in der Henneberg´schen Burg, dem Freihof des Hochstifts wohnten. Es gab neben einem Orts- auch einen Landvorgänger (= Barnos). Sieben jüdische Haushalte besaßen ein eigenes Haus, die übrigen wohnten zur Miete, zwei von ihnen sogar bei Christen. Die jüdische Gemeinde erhielt im Laufe des 18. Jahrhunderts noch starken Zuwachs: 1726 lebten 27 Familien unter dem Schutz der Freiherrn von Rosenbach und 10 weitere Familien unter dem Schutz des Würzburger Hochstifts. Bis Ende des 18. Jahrhunderts betrug ihre Zahl durchschnittlich 40 jüdische Haushalte, darunter 12 Schutzjuden des Hochstifts. Der Würzburger Fürstbischof hatte nach dem großen Dorfbrand im Jahr 1722 seinen Freihof um drei neue Häuser als Wohnsitz für jüdische Familien erweitern lassen. 1784 kam noch ein weiteres hinzu. Jede der zwei Gemeinden hatte ihren eigenen Rabbiner. 1717 erwarben die ritterschaftlichen Juden ein Gebäude (Haus-Nr. 45, heute Neue Straße 1) für ihren Rabbiner. Auch das Ritualbad war hier untergebracht. Die benachbarte Synagoge fiel 1747 einem Brand zum Opfer, wurde aber danach wieder vergrößert aufgebaut. 1766 beschloss ein Gremium von Gemeindevorständen die Errichtung einer Talmud-Tora-Schule in Burgpreppach und einer Jeschiwa in Maßbach. Letztere wurde von Moses Sußmann gestiftet, der auch eine Armenstiftung im Ort begründete. Die Toten der Judenschaft fanden ihre letzte Ruhestätte auf dem jüdischen Friedhof Kleinbardorf, der dreieinhalb Wegstunden entfernt lag.
1816 fiel der Untermainkreis, und damit auch Maßbach, an das Königreich Bayern. Seitdem galt das bayerische Judenedikt. Die jüdische Gemeinde Maßbach war 1814 mit 43 Familien und 165 Seelen die größte im Distrikt Münnerstadt. 1817 erhielten 35 jüdische Familien (152 Personen) einen Matrikelplatz und hatten damit ein legitimes Aufenthaltsrecht im Dorf. Die IKG gehörte zum Landesrabbinat Würzburg; 1840 wurde sie dem Distriktsrabbinat Bad Kissingen zugeteilt. Fast alle jüdischen Haushalte hatten um 1800 ihr Einkommen durch Handelstätigkeiten, vor allem gab es unter ihnen viele Schmuser und Viehhändler, die zum Teil auch selbst schlachteten. Bis 1835 hatten elf Israeliten ein Handwerk ergriffen; viele männliche und weibliche Jugendliche hatten auswärts eine Ausbildung oder Anstellung aufgenommen. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts veränderte sich die Erwerbslage: Es gab nun drei jüdische Großhändler, 13 waren im Gewerbe und Handwerk und 5 als Landwirte tätig. Die übrigen Familienväter arbeiteten weiterhin im Handel, 7 von ihnen noch als Viehhändler. Mit rund 180 Mitglieder erreichte die jüdische Gemeinde zwischen 1835 und 1848 ihre Höchstzahl.
1814 gab es 32 schulpflichtige jüdische Kinder in Maßbach. In den wohlhabenden jüdischen Familien war es Brauch, dass sie durch einen Hauslehrer Elementarunterricht erhielten. Später besuchten alle Kinder die christliche Volksschule im Ort. Den Religionsunterricht leitete der örtliche Rabbiner und Vorsänger im Gemeindehaus (Plan-Nr. 45, heute Neue Straße 1), wo sich auch seine Wohnung befand. Das Gebäude wurde 1833 saniert. 1884 hat man es zu einer israelitischen Elementarschule erweitert. Neben dieser Schule existierte noch eine weitere Bildungseinrichtung am Ort. Hirsch Goldstein betrieb in seinem Wohnhaus (Plan-Nr. 161, heute Poppenlauerer Straße 9) ein privates „Israelitisches Unterrichts-Institut“, in dem christliche und jüdische Knaben ab 11 Jahren u.a. in Fremdsprachen und kaufmännischen Fächern geschult wurden. Nach dem Wegzug Goldsteins erwarb die Kultusgemeinde 1895 das Haus und richtete darin ihre israelitische Elementarschule ein. Das alte Schulhaus hat man verkauft. Das jüdische Ritualbad, das schon seit langem im Keller der Doppelhaushälfte (Plan-Nr. 159, heute Poppenlauerer Straße 5) eingebaut war, musste auf Anordnung der Regierung 1825 renoviert werden und erhielt einen Heizkessel. 1878 standen erneut Reparaturen an, die diesmal den Kamin betrafen, aufgrund eines Streites mit der Hausbesitzerin jedoch erst 1882 ausgeführt werden konnten.
In der zweiten Hälfte des 19. Jh. verringerte sich die Zahl der Israeliten durch Aus- und Abwanderung. Grund dafür war die Aufhebung des Matrikelparagraphen im Jahr 1861. Von nun an durften die Juden ihren Aufenthaltsort frei wählen. Zehn Jahre später, 1871, trat die Verfassung des Deutschen Kaiserreiches in Kraft, die auch für Bayern gültig war und nun die vollständige rechtliche Gleichstellung der Israeliten mit sich brachte. Der jüdische Bevölkerungsanteil im Dorf sank daraufhin um rund 100 Personen bis auf 83 Jüdinnen und Juden im Jahr 1900.
In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts schrumpfte die Kultusgemeinde weiter und erreichte 1925 den Stand von nur mehr 33 Personen. Da sich mit der Mitgliederzahl auch die Einkünfte der Gemeinde stark reduzierten, fiel es zunehmend schwer, die nötigen Bauvorhaben und Reparaturen zu finanzieren. Durch den Kauf des neuen Schulhauses 1895 hatte sich auch eine große Schuldenlast ergeben. 1902 musste ein neues Ritualbad auf dem Grundstück des Schulhauses (Haus-Nr. 161) eingerichtet werden. 1902/03 legte die IKG Maßbach einen eigenen Friedhof nordwestlich des Ortes auf der Anhöhe "Am Pfaffenberg" (Plan-Nr. 6959/6960) an. Damit gehörte der mühselige Weg zu der dreieinhalb Wegstunden entfernten jüdischen Beerdigungsstätte in Kleinbardorf, wo man die Toten seit den Anfängen der Gemeinde beigesetzt hatte, der Vergangenheit an. Mit der IKG Poppenlauer wurde 1917 eine Beerdigungsgemeinschaft gegründet.
Für die Restaurierung des Schulgebäudes 1910/12 erhielt die Judenschaft staatliche Zuschüsse. Zu dieser Zeit besuchten noch 19 Kinder den Elementar- und Religionsunterricht. Innerhalb der nächsten zehn Jahre ging jedoch die Schülerzahl drastisch zurück, so dass man 1920die israelitische Volksschule auflösen musste. Zusammen mit der Poppenlauerer Gemeinde wurde nur noch ein Religionslehrer angestellt, der zugleich als Chasan und Schochet arbeitete. Die schulpflichtigen jüdischen Kinder erhielten künftig Unterricht in den Elementarfächern in der Maßbacher protestantischen Volks- und Hauptschule. Für die Reparatur des Gemeindehauses bot die VBIG 1926 einen Zuschuss an.
Die jüdischen Mitbürger waren während der Kaiserzeit und der Weimarer Republik gut in das Gesellschaftsleben im Dorf integriert. Sie waren in den örtlichen Vereinen vertreten und bei der Feuerwehr engagiert. Kultusvorstand Samuel Eberhardt wurde in den Gemeinderat gewählt. Im Ersten Weltkrieg verloren aus der jüdischen Gemeinde Maßbach zwei Männer ihr Leben. Ihre Namen sind auf der Bronzetafel am Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges (Neue Straße) vermerkt.
Bei der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 lebten noch 24 Jüdinnen und Juden in Maßbach. Ihre Anzahl blieb bis Anfang 1939 nahezu konstant. Obwohl auch in Maßbach eine massive antisemitische Propaganda betrieben wurde, pflegten örtliche Landwirte weiterhin ihre Kontakte zu jüdischen Viehhändlern und einige jüdische Gewerbebetriebe, z.B. die offene Handelsgesellschaft Heidelberger (Plan-Nr. 85 ½) und der Fellhändler Max Eberhardt (Haus-Nr. 26), konnten bis Oktober 1938 ihren Geschäften nachgehen. Im Frühjahr 1937 wurden der Maßbacher Gemeinde alle Veranstaltungen und Versammlungen mit Ausnahme der Gottesdienste verboten.
Die verbliebenen 22 jüdischen Maßbacher wurden zu Opfern des Novemberpogroms 1938, als SA-Männer, ausgerüstet mit Kleinkaliber-Gewehren, Äxten, Holzprügeln u.a. Waffen, durch den Ort zogen. Sie zerstörten Fenster und Türen der jüdischen Wohnhäuser, drangen in die Wohnungen ein, zerschlugen die Möbel und vernichteten den Hausrat und die Vorräte. Auch das jüdische Schulhaus (Haus-Nr. 161) blieb nicht verschont. Ein Trupp von ihnen zog zur Synagoge. Dort zertrümmerte der tobende Mob das Eingangsportal und demolierte anschließend die gesamte Inneneinrichtung mitsamt den Ritualien. Auch die wertvollen, teils noch aus der Barockzeit stammenden Toravorhänge, Toramäntel und Torarollen wurden zerrissen und vernichtet. Zahlreiche Schaulustige beobachteten die Szenerie; manche beteiligten sich auch an den Zerstörungen. Die nicht mehr bewohnbaren Häuser wurden abgesperrt und bewacht. Nach diesen schrecklichen Ereignissen fanden manche jüdische Familien bei Nachbarn Unterschlupf. Einige jüdische Männer hat man anschließend verhaftet, in das Amtsgerichtsgefängnis nach Bad Kissingen gebracht und teils wochenlang im KZ Buchenwald und anderen Orten inhaftiert. In der Folgezeit wurden alle Juden des Ortes enteignet, so dass ihnen keine Lebensgrundlage mehr blieb. Das jüdische Schulhaus kam 1943 in Gemeindebesitz. Einem Teil der letzten 17 noch 1939 hier wohnhaften Juden gelang die Auswanderung nach Palästina und Argentinien, andere zogen in deutsche Großstädte. 1942 wurden acht jüdische Mitbürger aus Maßbach nach Izbica (Lublin) und nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs richtete die US-Armee in dem Schloss am Schalksberg, das in der NS-Zeit als Schulungsort des NS-Lehrerbundes gedient hatte, erst einen Standort der amerikanischen Militärregierung ein, dann ab Oktober 1946 eine Landwirtschaftsschule für jüdische Flüchtlinge (Displaced Persons). Ende 1946 wohnten 70 Personen auf diesem Trainings-Kibbuz. Neben der Arbeit wurde Schach und Tischtennis gespielt. Im Mai 1947 waren es 95 jüdische Männer, Frauen und Kinder, die sich in Schulungen auf ihre Auswanderung nach Palästina vorbereiteten und vermutlich noch 1947 abreisten. Im Mai 1948, als der Staat Israel gegründet wurde, gab es den Kibbuz bereits nicht mehr.
1947 wurden von der Staatsanwaltschaft 16 Personen angeklagt, denen die Beteiligung am Novemberpogrom in Maßbach vorgeworfen wurde. Die Große Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt verurteilte in der Hauptverhandlung 1949 neun Angeklagte wegen schweren Land- und Hausfriedensbruchs zu Haftstrafen zwischen zwei und neun Monaten.
2012 ließ die politische Gemeinde durch den Künstler Gunter Demnig (*1947) in Maßbach 13 Stolpersteine zur Erinnerung an jüdische Mitbürger verlegen. Auf dem jüdischen Friedhof sind heute noch 39 Grabsteine, teils beschädigt, von jüdischen Bürgern aus Maßbach und Poppenlauer erhalten. 1995 ließ der Landesverband der israelitischen Kultusgemeinden in Bayern hier einen Gedenkstein aus weißem Marmor für die ehemaligen jüdischen Bürger von Maßbach errichten.
(Christine Riedl-Valder)
Bilder
Bevölkerung 1910
Literatur
- Cornelia Berger-Dittscheid: Maßbach mit Thundorf. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.1. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 213-238.
- Magnus Weinberg: Die Memorbücher der jüdischen Gemeinden in Bayern, Bd. 1. Frankfurt am Main 1937, S. 163f.
- K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 226.
Weiterführende Links
- Museum in der Synagoge (Markt Maßbach)
- Gemeinde Maßbach (Alemannia Judaica)
- Gemeinde Maßbach (Alicke - Jüdische Gemeinden)
- Ehemalige Synagoge (Bayerischer Denkmal-Atlas)
- Maßbach - Kibbuz (After the Shoah)
- Magnus Weinberg: Die Memorbücher der jüdischen Gemeinden in Bayern, 2 Bde., Frankfurt/Main 1937 u. 1938