Möglicherweise lebten Juden im Ort Steft bereits vor den Ausweisungen der Juden aus der Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach in den Jahren 1567 und 1573. Die nächste Nachricht stammt erst aus dem Jahr 1713, als die Schutzjuden Elias und Schimmel in Steft jeweils ein Haus mit einem minimalen, einen halben Morgen großen Grund besaßen. Nachdem 1763 die jüdische Bevölkerung von Kitzingen (Hochstift Würzburg) ausgewiesen worden waren, zogen viele in das 1729 zum Markt erhobene Marktsteft. Dank der Kitzinger Emigranten wuchs die jüdische Gemeinde auf 13 steuerpflichtige Haushalte.
1801/1802 waren in Marktsteft elf jüdische Haushalte ansässig. 1808 zahlten 5,5 "Köpfe" Abgaben an den Ansbacher Landesvorsteher, der die verschuldete Landjudenschaft abwickeln sollte. Einen Einblick in das Marktstefter Gemeindelebens bis 1862 gewährt das Gemeindebuch, welches hebräische, westjiddische und deutsche Niederschriften, Geburts- und Sterbeeinträge aus der Zeit von 1811 bis 1831, Skizzen für eine Erneuerung der Statuten der Kultusgemeinde sowie diverse Abrechnungen enthält. Dieses Gemeindebuch, das wohl identisch ist mit dem Pinkas, den Simon Brückheimer 1933 in der Rödelseer Synagoge gefunden und an den in München ansässigen Landesverband der Kultusgemeinden geschickt hatte, wird heute in den Central Archives for the History of the Jewish People (CAHJP) in Jerusalem verwahrt.
Spätestens seit 1811 unterrichtete ein Lehrer die jüdischen Kinder von Marktsteft. 1835 ist Baruch Forchheimer als Lehrer nachweisbar. Rund 30 Jahre, von 1841 bis mindestens 1869, wirkte Jehuda Hirsch als Religionslehrer und Vorsänger. Überliefert ist ein Bauplan des alten israelitischen Schulhauses von 1833. Das rund 12 Meter lange und rund 7 Meter breite Schulhaus wurde auf einem rechteckigen Grundriss errichtet und war ein eingeschossiger Halbwalmdachbau. In dem Gebäude waren die Lehrerwohnung, zu der Stube, Kammer und Küche gehörten, und das mehr als die Hälfte des Schulhauses einnehmende Unterrichtszimmer untergebracht. Als nach 1840 das große unterfränkische Rabbinat (Würzburg-Heidingsfeld) aufgelöst und in sechs kleinere Distrikte aufgeteilt wurde, erhielt die Kultusgemeinde Marktsteft unter Rabbiner Faust Löb Thalheimer (1806-1867) für einige Jahre den Sitz eines Rabbinatsdistriktes, bis dieser nach Mainbernheim und 1871 nach Kitzingen verlegt wurde. Die Verstorbenen fanden in Rödelsee ihre letzte Ruhe.
1856 wurde in den bayerischen Amtsblättern eine landesweite Kollekte zugunsten des Schulhausbaus veröffentlicht. Über die Ergebnisse der Kollekte und die tatsächliche Umsetzung des Projekts ist bisher nichts bekannt. 1848 lebten in Marktsteft 15 jüdische Familien. Nachdem der bayerische Matrikelzwang 1861 aufgehoben worden war, schrumpfte die Zahl der jüdischen Haushalte auf acht, von denen drei über ein Vermögen zwischen 1500 und 2600 Gulden, drei arme über ein Vermögen zwischen 100 und 300 Gulden und zwei über kein Vermögen verfügten.
Das Statistische Jahrbuch des Deutsch-Israelitischen Gemeindebundes von 1898 führt Marktsteft noch als eigenständige Gemeinde unter dem Vorsteher Rosenstein auf. 1901 war Marktsteft bereits eine Filialgemeinde von Marktbreit.1906 bestand sie nur noch aus einem Mitglied. Deswegen vereinigte die Regierung von Unterfranken die Kultusgemeinde am 19. Oktober 1906 mit der Jüdischen Gemeinde Marktbreit. 1938 lebte in Marktsteft die jüdische Familie Mayer mit den aus den vom Vogelsberg zugezogenen Eltern von Frieda Mayer, Alexander und Sophie Lind. Nachdem während es Novemberpogroms am 10. November 1938 auch die Marktbreiter Synagoge geplündert worden war, lag am Tag danach eine der Marktbreiter Torarollen auf die Hausschwelle der Familie Mayer. Der weitere Verbleib der Marktbreiter Torarolle ist ungeklärt.
Während Frieda Mayers Eltern eines natürlichen Todes verstarben, wurden Hermann, Frieda und ihr elfjähriger Sohn Herbert am 23. September 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort verstarb Herbert einen Monat nach seinem zwölften Geburtstag. Seine Eltern wurden im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.
(Stefan W. Römmelt)
Bevölkerung 1910
Literatur
- Hans Schlumberger / Hans-Christof Haas: Marktbreit mit Gnodstadt, Marktsteft, Obernbreit und Segnitz. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Band III/2: Unterfranken Teilband 2.2. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1158-1240.
- K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 227.