In Marktredwitz gab es keine mittelalterliche oder frühneuzeitliche jüdische Gemeinde. Erst mit dem Recht auf Freizügigkeit zogen ab 1861 einige jüdische Familien bzw. Einzelpersonen in die Stadt, ohne dass es zur Bildung einer selbständigen Gemeinde kam. Die hier lebenden Juden gehörten zur IKG Hof. Vermutlich gab es einen Betsaal in einem der Privatwohnungen, die Verstorbenen wurden auf dem städtischen Friedhof beigesetzt. Nach der NS-Machtübernahme 1933 verschlechterte sich die Lage rapide, bereits im März wurde ein jüdischer Mann verhaftet und schwer verprügelt. Im Februar 1937 wurde der Kaufmann Max Hirschfeld zu einer Geldstrafe verurteilt, da er ein "arisches" Dienstmädchen beschäftigte. Im November 1937 wurde Ernst Eisemann wegen angeblichen Verstößen gegen die Devisenbestimmungen verhaftet. Zwischen 1937 und 1939 konnten sechs der jüdischen Einwohner emigrieren, einer verzog nach Nürnberg, einer verstarb in Marktredwitz. Am 24. April 1942 drei der vier restlichen jüdischen Einwohner über Bamberg nach Izbica (bei Lublin, Polen) deportiert. Nur ein in sogenannten "privilegierter Mischehe" lebender jüdischer Einwohner konnte in Marktredwitz bleiben.
Nach dem Sturz der NS-Diktatur 1945 richteten die US-Armee und die UNRRA in Selb Unterkünfte für "Displaced Persons" (DPs) ein, die aus den befreiten Konzentrationslagern kamen oder die Todesmärsche der letzten Kriegswochen überlebt hatten. Für sie beschlagnahmten die Militärbehörden privaten Wohnraum sowie das Hotel Schwan (Klingerstraße 15). Dort befand sich auch ein Betsaal, das kulturelle Zentrum sowie die Verwaltung der DP-Gemeinde, die sich als Vorstand Benjamin Landau und Chaim Waksberg wählten. Die DP-Gemeinde gründete den Sportverein "Makabi Marktredwitz", es gab eine eigene Volksschule sowie eine Berufsschule, in der sich die DPs auf ihr neues Pionierleben in Palästina oder anderen Ländern vorbereiteten. In einer Bäckerei, einer Schneiderei, einer Textil- sowie (typisch für die Region) einer Porzellanwerkstätte erlernten sie diese Handwerksberufe. Im Dezember 1945 lebten 50 Jüdinnen und Juden in der Stadt. Bis September 1947 stieg ihre Zahl auf 245 und erreichte ihren Scheitelpunkt, ab diesem Zeitpunkt sanken die Zahlen langsam durch Auswanderung und Umverteilungen. Vor allem nach der Staatsgründung Israels im Mai 1948 beschleunigte sich diese Tendenz. Im September 1952 lebten nur noch 19 DPs in Markredwitz, die Gemeinde wurde aufgelöst und die Gebäude ihren Besitzern überstellt.
Bevölkerung 1910
Literatur
- Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 229.
- K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 169.