Jüdisches Leben
in Bayern

Mainbernheim Gemeinde

Aus dem Spätmittelalter sind keine Namen jüdischer Mainbernheimer überliefert. Für die Ansiedlung von Juden sprechen jedoch die Ortsherrschaft reichsfreier Geschlechter und deren Finanzknappheit. Nachdem König Wenzel (reg. 1376-1400) im Jahr 1391 der Stadt die Rückzahlung ihrer Schulden an die Juden erlassen hatte, erteilte sein Nachfolger Sigismund (reg. 1411-1437) dem Mainbernheimer Bürgermeister und Rat das Recht, Juden zu denselben Bedingungen wie die Reichsstädte aufzunehmen. Die Politik des Königs war widersprüchlich: Nachdem er 1423 die Aufnahme von seiner Zustimmung abhängig gemacht hatte, hob er diese Bestimmung acht Jahre später wieder auf.

Für die Zeit von 1509 bis 1704 fehlen für die Mainbernheimer Juden belastbare Quellen, mit Ausnahme einiger Schutzbriefe aus den Jahren 1529, 1531 und 1532. Auf eine dauerhafte jüdische Präsenz deuten jedoch ein Ausschaffungsmandat der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach von 1566 und Zwangsbekehrungsversuche von 1597 hin.

Eine markgräflich-ansbachische Aufnahmepolitik ist erst für den Beginn des 18. Jahrhunderts belegt, als 1704 ein Verzeichnis des Mainbernheimer Kastenamts zehn Jüdinnen und Juden nannte. Aus diesem Jahr sind auch drei weitere Schutzbriefe erhalten. In diesem Zeitraum begann auch die Institutionalisierung der jüdischen Gemeinde, als deren Vorsinger und Rabbiner Raphael Lazarus genannt wird. In der Mitte des 18. Jahrhunderts lassen sich 17 jüdische Haushalte in Mainbernheim nachweisen. Zu den 1757 erwähnten Personen gehörte auch der auch außerhalb von Mainbernheim tätige Rabbiner Seligmann Meyer und der Schulmeister, Vorsänger und Schächter Moyses David, der zu diesem Zeitpunkt schon 28 Jahre im Ort ansässig war.  

1801/1802 zählte die Stadt 21 jüdische Haushalte. Zu den prominentesten Mitgliedern der jüdischen Gemeinde gehörte zu dieser Zeit der spätestens 1786 nach Mainbernheim gezogene Rabbiner Lazarus (Elieser) ben Aron, Spross einer schlesischen Rabbiner- und Richterdynastie. Da er ein Nachkomme des berühmten litauischen Talmudinterpreten Schabbataj ben Meir Hakohen war, trug er auch den hebräischen Ehrennamen "Schach". Im hohen Alter von 79 Jahren protestierte er bei der Würzburger Kreisregierung noch 1817 vehement gegen die Abschaffung der eigenständigen Rabbinatsgerichte und am 30. Januar 1823 in Mainbernheim. Rabbiner wurde auch sein 1773 in Glogau geborener Sohn Moises (Mosche) Lazarus. Der letzte hohenlohische Landesrabbiner übernahm 1819 das Bad Mergentheimer Oberrabinat für die früheren Deutschordensgebiete und neun Jahre später Oberrabbinat in Trier. Dort starb der bekannte, in orthodoxen Kreisen geschätzte Talmudgelehrte 1840. Dem Vorbild des Vaters folgte noch ein weiterer Sohn von Lazarus: Der 1786 bereits in Mainbernheim geborene Aron übernahm 1826 das Rabbinat im unterelsässischen Schirrhofen, wo er eine Talmudschule eröffnete.

1811 lebten in Mainbernheim 20 schulpflichtige Kinder. Während der Vorsänger die jüngeren Kinder in seiner Wohnstube in Hebräisch und Religion unterrichtete, erteilten zwei Privatlehrer den Jugendlichen Unterricht in deutscher Sprache und Schrift und im Rechnen. Kurze Zeit danach lebten in Mainbernheim 115 Jüdinnen und Juden in 27 Haushalten. Die Kultusgemeinde gehörte nach der staatlichen Neuordnung der Rabbinatsstrukturen zunächst dem Distrikt Marktsteft. Elf Jahre später wurde das Rabbinat auf Antrag von Rabbiner Löw Thalheimer nach Mainbernheim verlegt, obwohl dort 1851 nur eine jüdische Familie mehr als in Marktsteft lebte, 1871 wechselte der Sitz endgültig nach Kitzingen. Die Verstorbenen wurden in Rödelsee beigesetzt.

Der Schrumpfungsprozess hatte bereits lange zuvor eingesetzt: 1833 gehörten der Mainbernheimer Gemeinde noch 99 Mitglieder in 20 Familien an, und fünf Jahre später war die Gemeinde auf zwölf Familien, darunter zwei Kinder, geschrumpft. 1868 lebten nach der Aufhebung des bayerischen Matrikelzwangs in Mainbernheim nur noch neun über 13-jährige Männer. Dennoch verblieb der Rabbinatssitz in der Stadt, bis die Kreisregierung Kitzingen 1871 zum neuen Rabbinatssitz bestimmte. Da die kleine jüdische Gemeinde nur eine sehr schlecht bezahlte Lehrer-, Schächter- und Kantorenstelle anbieten konnte, wechselten die Lehrer Ende des 19. Jahrhunderts relativ häufig.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Lehrerstelle längere Zeit unbesetzt. Von 1921 bis 1928 erteilte der aus dem polnischen Graudenz stammende Julius Bernstein den zuletzt nur drei jüdischen Schulkindern Religionsunterricht. Um 1920 waren die Mainbernheimer Juden, von denen neun Familien 1917 bei einer Haussammlung des "Evangelischen Jünglingsvereins Mainbernheim" gespendet hatten, in die Dorfgesellschaft vollkommen integriert.

Wenige Jahre später veränderte sich das gesellschaftliche Klima in Mainbernheim grundlegend, als die antisemitische deutsch-mexikanische Agitatorin Andrea Ellendt (1890-1931), und der aus Markt Einersheim stammende Marktbreiter Zahnarzt und spätere Gauleiter von Mainfranken Otto Hellmuth (1896-1968) im südlichen Maindreieck auftraten. In Mainbernheim verbreitete auch der evangelische Stadtpfarrer Georg Höhberger, der beispielsweise bei der Fahnenweihe der Mainbernheimer Nationalsozialisten am 8. Juli 1923 auftrat, sein nationalsozialistisches und antisemitisches Gedankengut. Eindeutig antisemitisch geprägt ist auch das im Jahr 1927 aufgestellte Kriegerdenkmal nach einem Entwurf des Kitzinger Künstlers Richard Rother (1890-1980), das 2010 von der Stadt Mainbernheim zu einem Mahnmal umgestaltet wurde.

1933 lebten in Mainbernheim nur noch 20 Juden. Die Präsenz des Nationalsozialismus war im Ort spätestens seit August 1933 unübersehbar, als nach einem entsprechenden Beschluss des Gemeindrats auf dem Turm der lutherischen Kirche St. Johannis ein metallenes Hakenkreuz als Wetterfahne angebracht wurde (sic!) und dort auch bis 1945 blieb. Im Sommer 1935 drohte der Ortsgruppenleiter, Hilfsbedürftigen die Unterstützung zu streichen, wenn sie bei jüdischen Kaufleuten einkauften, und der Stadtrat verbot Juden unter anderem, Immobilien in Mainbernheim zu erwerben und sich am Sabbat "provozierend" zu verhalten. An der Brücke vor dem Nürnberger Tor wurde ein Spottfigur angebracht, die einen jüdischen Viehhändler darstellen sollte und "Judenfreundschaft" als "Volksverrat" bezeichnete.

Am Morgen des 10. November 1938 begann ein Pogrom, an dem sich ein Großteil des Orts, darunter auch die Schulkinder, beteiligte. Kitzinger und Mainbernheimer Nationalsozialisten verwüsteten die Häuser der Juden. Dabei wurden zahlreiche Juden zum Teil schwer verletzt. Die jüdischen Männer wurden nach ihrer Verhaftung von der Gendarmerie nach Kitzingen gebraucht. Im Jahr 1942 wurden die letzten jüdischen Mainbernheimer deportiert. Zu ihnen gehörte auch der 61-jährige David Samfeld, der im 1. Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse ausgezeichnet worden war. Bei einer Hausdurchsuchung durch den Mainbernheimer Scharführer wurde Samfeld schwer verletzt, erlitt eine Gehirnblutung und erblindete. Seine Spur verliert sich im Konzentrationslager Auschwitz. Insgesamt fielen 13 Juden, die zum Zeitpunkt ihrer Deportation noch im Mainbernheim lebten, und 13 gebürtige Mainbernheimer der Shoah zum Opfer. 

Erst 1995 kam Mirra Bernheimer, die nach dem Novemberpogrom 1938 in die Vereinigten Staaten emigriert war, nach Mainbernheim. 2008, 2009 und 2011 verlegte der Künstler Gunter Demnig (*1947) in drei Aktionen Stolpersteine unter anderem auch für David Samfeld. 2014 trat die Stadt Mainbernheim dem "Deutschen Riga-Komitee" bei, das an die über 25000 deutschen Juden erinnert, die 1941/1942 im Wald von Bikernieki ermordet wurden. Zu ihnen gehörte auch die Mainbernheimerin Frieda Hausmann mit ihren Kindern Heinz und Rosi. Die Kommune beteiligt sich am Projekt DenkOrt Deportationen mit zwei Gepäckstücken: Eines erweitert das zentrale Mahnmal auf dem Würzburger Bahnhofsplatz, das Gegenstück erinnert vor Ort an die deportierten Opfer der Shoah.


(Stefan W. Römmelt)

Bilder

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Hans Schlumberger / Hans-Christof Haas: Mainbernheim. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.2. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 1119-1136.
  • Aubrey Pomerance: Die Memorbücher der jüdischen Gemeinden in Franken. In: Michael Brenner / Daniela F. Eisenstein (Hg.): Die Juden in Franken. München 2012, S. 95-113.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 227.