Jüdisches Leben
in Bayern

Laudenbach (Karlstadt) Gemeinde

Während des Dreißigjährigen Krieges waren um 1623 in Laudenbach sechs bis sieben jüdische Familien ansässig. Sie hatten Schutzgelder und Hauszinsen entweder an das Würzburger Juliusspital oder an die Herren der Voit von Rieneck zu bezahlen. Die unmittelbare Nachbarschaft zu Karlsstadt, wo den Juden die Ansiedlung verboten war, machte das Dorf als Wohnort für Händler attraktiv. Vermutlich konnte die verhältnismäßig große israelitische Kultusgemeinde, die hier Häuser besaß und einen gewissen Wohlstand erreicht hatte, schon damals die vorgeschriebene Anzahl an religionsmündigen Männern für die Abhaltung gemeinsamer Gottesdienste erfüllen. 

Auch nach den Dreißigjährigen Krieg verzeichnete das Karlstädter Amt im Jahr 1655 noch sechs jüdische Haushaltsvorstände in Laudenbach. Offensichtlich hatten sie in den Wirren der vergangenen Jahre aber zum Großteil ihr Vermögen eingebüßt, denn sie bestritten jetzt ihren Lebensunterhalt mit bescheidenen Handelstätigkeiten. 1665 wurde auf dem Burgberg über dem Ort ein jüdischer Verbandsfriedhof angelegt. Seine ältesten Grabsteine stammen aus dem frühen 18. Jh.. In der Judenerhebung des Würzburger Hochstifts werden 1699 zusätzlich neun jüdische Familien im Ort genannt, die unter dem Schutz des Hochstifts standen. Den Aufzeichnungen zufolge trieben sie regen Handel mit Vieh, Pferden und Waren aller Art.

1733 war die Kultusgemeinde auf 15 Familien angewachsen. Ihre Verteilung auf die verschiedenen Hoheitsträger und Behörden (Hochstift Würzburg, Juliusspital Würzburg, die Herren der Voit von Rieneck) führte immer wieder zu Interessenkonflikten, die auch zwischen den einzelnen israelitischen Haushalten für Spannungen sorgten. Von den 1760er bis in die 1780er Jahren kam es mehrmals zu Auseinandersetzungen mit dem Ortspfarrer, der grundlegende jüdische Gesetze nicht anerkennen wollte. Die Kultusgemeinde war 1785 auf über 30 Familien angewachsen, während die christlichen Ortsbürger knapp 120 Personen zählten. In einem Gerichtsprotokoll aus dem Jahr 1794 wird erwähnt, dass sich das Tauchbad der Israeliten damals unterhalb der Synagoge befand. 

1817 legte das Königliche Landgericht insgesamt 33 Matrikelstellen für Laudenbach fest. Diese 33 israelitische Haushalte umfassten zwischen 1834 und 1847 rund 155 Jüdinnen und Juden.

Aufgrund verschärfter Anordnungen für jüdische Tauchbäder errichtete die jüdische Gemeinde 1825 eine neue Mikwe. Sie entstand im Garten des Anwesens Mühlecke 1 am Südufer des Laudenbachs, von dem frisches Wasser in das Becken geleitet wurde. Das Ritualbad wurde von der Laudenbacher und der Karstädter Kultusgemeinde gemeinsam benutzt.

Im Streit um die neu verordnete Beteiligung der jüdischen Gemeinde am Weiderecht, an der Brunnen- und Holznutzung kam es 1866 zu schweren antisemitischen Ausschreitungen in Laudenbach. Die Israeliten wurden massiv eingeschüchtert und bedroht; ihre Häuser wurden durch christliche Mitbürger mehrfach beschädigt. Die Regierung ließ daraufhin auf Kosten der Gemeinde eine Infanteriekompanie im Ort stationieren, bis sich die Lage wieder beruhigt hatte. Schon ein Jahr zuvor wurde der jüdischen Verbandsfriedhof schwer geschändet. Dabei warfen die Täter fast alle Grabsteine um und durchwühlten sogar einige Gräber. Der aus mehreren Kultusgemeinden der Nachbarorte gebildete Friedhofsverband beschloss deshalb, die Begräbnisstätte mit einer Mauer zu sichern und bei dieser Gelegenheit das Areal zu erweitern. Diese Pläne konnten nach einer erfolgreichen landesweiten Kollekte 1874 verwirklicht werden. Vermutlich um 1900 kam noch ein Taharahaus hinzu, das als eingeschossiger Fachwerkbau am westlichen Rand errichtet wurde.

Zur Kultusgemeinde zählten 1890 rund 140 Mitglieder; 1910 waren es noch 117 Jüdinnen und Juden. Im Ersten Weltkrieg ließen fünf Laudenbacher Juden ihr Leben. Ihre Namen sind auf dem Kriegerdenkmal verzeichnet. Im Dorf gab es damals die Brot- und Mazzenbäckerei Berney, die sehr beliebt war. Mit ihren koscheren Mazzen belieferte sie die jüdischen Gemeinden in der gesamten Region, die bis ins 150 Kilometer entfernte Mittelsinn reichte. Von 1905 bis 1932 wirkte Hirsch Oppenheimer als jüdischer Lehrer und Vorsänger in Laudenbach. Für seine Verdienste wurde ihm die Ehrenbürgerwürde zuerkannt. 1936 emigrierte er mit seiner Familie nach Palästina.

Bei der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 gehörten noch rund 80 Personen der jüdischen Gemeinde in Laudenbach an. Ihr Leiden und Schicksal unter der Gewaltherrschaft der Nazis hat Rudolf Adler (1897‒1993) in seinen Erinnerungen (aufgezeichnet durch Georg Schnabel) präzise festgehalten. Seit 1934 erfolgten immer wieder öffentliche Übergriffe auf die jüdischen Mitbürger und ihr Eigentum. Im Herbst 1936 überfielen Burschen aus dem Dorf vier jüdische Viehhändler und verletzten zwei von ihnen schwer. Das eingeleitete Strafverfahren wurde auf Anweisung der NSDAP eingestellt. Während der Sudetenkrise im September 1938 wurden die Israeliten tätlich angegriffen, ihre Häuser schwer in Mitleidenschaft gezogen, die Fenster der Synagoge zerstört und deren Einrichtung durch Steinwürfe beschädigt.

Im laufe des Novemberpogroms 1938 kam es dann durch SA-Leute zur völligen Verwüstung des jüdischen Gotteshauses. Auch die israelitische Schule und die Mikwe wurden aufgebrochen und teilweise zerstört. Gleichzeitig stürmten Parteimitglieder und Bewohner des Orts die jüdischen Wohnungen und Geschäfte. Sie stahlen die Wertsachen, plünderten alles Brauchbare und hinterließen immense Schäden. Zehn jüdische Männer wurden erst im Rathaus eingesperrt und dann ins Gefängnis verbracht. Nach diesen schrecklichen Erlebnissen flüchteten die meisten Israeliten in andere Städte oder wanderten aus. 1939 lebten noch 24 Jüdinnen und Juden im Dorf. Sie konnten jedoch die Synagoge nicht mehr zum Gottesdienst benutzen und auch die Mikwe, die man wieder notdürftig repariert hatte, musste 1939 auf Befehl der NSDAP geschlossen werden. In der Folgezeit versuchten NSDAP-Parteimitglieder mehrmals, auch den jahrhundertealten Friedhof in Laudenbach, der unter Naturschutz stand, zu beseitigen, was letztlich aber unterblieb.

Die Gedenkstätte Yad Vashem verzeichnet insgesamt die Namen von 28 jüdischen Frauen, Männern und Kindern aus Laudenbach, die von den Nationalsozialisten in den Vernichtungslagern ermordet wurden. Die letzten elf Israeliten aus dem Dorf, darunter zwei Kinder im Alter von fünf und sechs Jahren, wurden am 25. April 1942 nach Würzburg gebracht und von dort in das Ghetto von Izbica deportiert, wo sich ihre Spur verliert.

Die meisten Täter, die im September und November 1938 an den Verbrechen gegen die Juden in Laudenbach beteiligt waren, überlebten den Krieg. Die juristischen Verfahren gegen sie wurden aber fast alle auf dem Revisionsweg oder bereits in erster Instanz eingestellt. Nur zwei von ihnen hat man verurteilt.

Der jüdische Friedhof von Laudenbach wurde nach den Schäden, die die Nationalsozialisten und die Kriegseinwirkungen im Frühjahr 1945 hinterlassen hatten, 1947 wieder instand gesetzt. Da hier zahlreiche jüdische Gemeinden jahrhundertelang ihre Toten bestattet hatten, umfasst dieser Gottesacker insgesamt rund 3500 Gräber und ist der größte jüdische Friedhof in Unterfranken. 1956 kam es wiederholt zu mutwilligen Zerstörungen auf dem Gelände. Das wegen Baufälligkeit eingerissene Taharahaus wurde in Abstimmung mit dem Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden, der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg und den Denkmalschutzbehörden von Georg Schnabel aus Mühlbach in Eigenleistung erneuert. Mit vielen weiteren Aktivitäten sorgte Georg Schnabel für die Bewusstmachung und Aufarbeitung der jüdischen Geschichte des Ortes.

1995 ging das jüdische Ritualbad auf dem Grundstück Mühlecke 1 durch Kauf an einen Privatmann, der den Wasserzufluss und das Becken wieder freilegte. 2013 wurde der Förderkreis ehemalige Synagoge Laudenbach e.V. gegründet, der die kulturelle Nutzung des ehemaligen jüdischen Gotteshauses v.a. zum Gedenken an die einstigen jüdischen Mitbürger und ihre Geschichte zum Ziel hat. Die Förderkreis hat Informationen zur Geschichte der jüdischen Gemeinde und ihrer Einrichtungen auf einer Tafel zusammengestellt.

 

(Christine Riedl-Valder)

Bilder

Literatur

  • Schlumberger, Hans / Haas, Hans-Christof: Laudenbach, in: Wolfgang Kraus, Gury Schneider-Ludorff, Hans-Christoph Dittscheid, Meier Schwarz (Hrsg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Band III/1: Unterfranken, Teilband 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger unter Mitarbeit von Gerhard Gronauer, Jonas Leipziger und Liesa Weber, mit einem Beitrag von Roland Flade, Lindenberg im Allgäu 2015, S. 234-256