Jüdisches Leben
in Bayern

Hagenbach Gemeinde

1638/39 wurden hier erstmals Juden als Bewohner eines Anwesens im Rittergut Hagenbach erwähnt, das seit der Jahrhundertwende zum Besitz der Freiherren von Stiebar gehörte. Da die neuen Ortsherren Kapital benötigten, um die Herrschaft instand zu setzen, beschlossen sie, die Ansiedelung von Juden zu genehmigen. Auch für die 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts existieren Nachweise über jüdische Einwohner in Hagenbach in den Rechnungen des Kastenamtes Forchheim. Als 1658 das Landesrabbinat Bamberg gegründet und in fünf Kreise untergliedert wurde, hat man Hagenbach zum Sitz des Kreises Gebürg bestimmt. 1698 einigte sich die jüdische Gemeinde mit der politischen Gemeinde Hagenbach über Nutzungsrechte am "Trappachanger".

1730 lebten 28 jüdische Familien im Ort. Diese durften aber nur die sogenannten „Tropfhäuser“ bewohnen, die eng aneinander standen und abgesehen vom Gebäude keinen Grund hatten. Daher fehlte ihnen die Weide für ihre Tiere und sie mussten sich das Recht, ihr Vieh auf die Gemeindewiesen treiben zu dürfen, erst langwierig erkämpfen. Über hundert Jahre lang benutzte die jüdische Gemeinde den Friedhof in Pretzfeld als letzte Ruhestätte für ihre Toten. 1737 hat man dann einen halben Kilometer südwestlich vom Ortsrand entfernt einen neuen jüdischen Friedhof angelegt, auf dem in der Folgezeit rund 500 Juden aus Hagenbach, Egloffstein und Wannbach beerdigt wurden. Das erhaltene Gräberverzeichnis listet die Bestattungen vom 20. September 1737 bis zum 15. Dezember 1915 auf. 1783 erwarb die jüdische Gemeinde Hagenbach ein Nachbargrundstück, um eine Begräbnisstätte zu schaffen, die ihren Mitgliedern vorbehalten war. Darüber kam es zu Streitigkeiten mit den Juden aus Wannbach. Erst 1840 konnte man sich darauf einigen, dass die Wannbacher Juden gegen ein entsprechendes Entgelt ihre Toten ebenfalls auf dem neuen Friedhof zur letzten Ruhe betten durften. Den ortsansässigen Juden war es darüber hinaus auch erlaubt, auswärtige Verstorbene gegen Bezahlung hier beizusetzen. 1934 fand die letzte Trauerfeier auf dem Hagenbacher Friedhof statt. 

1811 erreichte die jüdische Gemeinde Hagenbach ihren Höchststand mit 205 Mitgliedern. 1824 waren in der Matrikelaufstellung 64 Stellen besetzt. Doch die schwierigen Lebensbedingungen, v.a. die fehlenden Möglichkeiten zur Berufsausübung, führten im Laufe des 19. Jh. zu einer starken Abwanderung. Nachdem die Schulpflicht eingeführt worden war, mussten ab 1818 auch die jüdischen Kinder von Hagenbach die christliche Elementarschule in Pretzfeld besuchen. Die bis dahin bestehende israelitische Religionsschule im Ort wurde geschlossen. Ab 1827 ließ die jüdische Gemeinde jedoch an der Westseite der Synagoge ein zweistöckiges Haus errichten (Flur-Nr. 54 1/2), in dem Gemeinschaftsräume, die israelitische Armenpflege, eine Lehrerwohnung und eine jüdische Elementarschule untergebracht waren. Ab 1829 bis 1908 fand hier der Unterricht für den Nachwuchs statt.

1825 wurde Hagenbach zum Sitz eines Bezirksrabbinats und damit zum Zentrum für 13 Gemeinden auserkoren. Es bestand bis ins 19. Jahrhundert und umfasste 1825 folgende 13 jüdische Gemeinden: Hagenbach, Aufseß, Tüchersfeld, Heiligenstadt, Pretzfeld, Wannbach, Weilersbach, Kunreuth, Wiesenthau, Egloffstein, Mittelehrenbach, Ermreuth und Dormitz. Der Bezirksrabbiner wohnte im sogenannten "Korbmacherhaus" und hielt abwechselnd jeden Sabbat in einer der elf Synagogen seines Bezirks des Gottesdienst. Diese Bevorzugung versuchte die jüdische Gemeinde von Ermreuth mehrmals erfolglos zu bekämpfen. Da aber die damit verbundene Rabbinerstelle aufgrund langwieriger Wahlen oft lange Zeit unbesetzt blieb, mussten jüdische Geistliche aus anderen Distrikten nicht selten jahrelang einspringen. Dazu kam, dass sich die Anzahl der betreuten Gemeinden zusehends verringerte. Als Folge davon wurde das Bezirksrabbinat Hagenbach 1894 aufgelöst und die örtliche jüdische Gemeinde dem Rabbinat Bamberg unterstellt.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts kam es immer häufiger zu Auseinandersetzungen zwischen den Juden und Christen über die Feiertagsordnung und die Beitragsforderungen für Quartiers- und Brunnenkosten. Die Anzahl der Juden in Hagenbach hatte sich 1880 auf 47 Personen reduziert, so dass es schwierig wurde, den zur Feier der Gottesdienstes vorgeschriebenen Minjan zu bilden. Deshalb lud man jüdische Männer aus Fürth zur Messe ein oder die Hagenbacher Juden wurden verpflichtet, Gottesdienste in anderen Orten zu besuchen.

n einer „Übersicht über die Verhältnisse der israelitischen Kultusgemeinde Hagenbach“ aus dem Jahr 1909 ist vermerkt, dass damals noch vier Familien mit insgesamt 14 Personen, darunter nur sechs religionsmündige Männer, im Ort lebten. Ihren kargen Lebensunterhalt verdienten sie als Handelsleute. Der Vorbeter Lehmann Mai hielt an Samstagen und Feiertagen ehrenamtlich Gottesdienste ab. Da es keine Werktagsschüler mehr im Ort gab, wurde die jüdische Schule aufgelöst und das Gemeindehaus an der Synagoge ab 1910 an Christen vermietet.

Ein Jahr später fusionierten die jüdischen Einwohner in Hagenbach und Wannbach zu einer Kultusgemeinde. 1919 verkaufte die IKG ihre Mikwe, weil sie nicht mehr benutzt wurde. Die Kultgegenstände aus Wannbach wurden nach der Veräußerung der dortigen Synagoge in das Hagenbacher Gotteshaus gebracht. Im Jahr 1924 erwarben vier jüdische Familien das gesamte Anwesen mit Synagoge, Gemeindehaus und Hofraum für 600 Goldmark. Mit dem Geld wurde die „Israelitische Begräbnisfond-Stiftung“ begründet, mit der die Friedhofspflege in Zukunft gesichert sein sollte, wenn in Hagenbach keine Juden mehr leben sollten. Für diesen Fall legte man auch fest, dass das Inventar der Synagoge an eine andere jüdische Gemeinde verschenkt werden sollte. Die jüdische Gemeinde Hagenbach-Wannbach wurde 1934 aufgelöst; die wenigen noch ansässigen Jüdinnen und Juden - 1933 waren es in Hagenbach noch sieben - gehörten von nun an zur IKG Bamberg. Bevor das Landratsamt die Synagoge als baufällig erklären und abreißen konnte, verkauften sie die Besitzer im September 1938 an Christen aus dem Ort. Die Maurerfamilie Horlamus erwarb das Grundstück. Trotzdem haben ortsansässige und auswärtige Mitglieder der Sturmabteilung der NSDAP im Novemberpogrom 1938 die Synagoge in Hagenbach verwüstet und deren Einrichtung größtenteils verbrannt. Nur weil sich in unmittelbarer Umgebung Häuser und Scheuen befanden, wurde sie nicht angezündet. Auch die Wohnungen der beiden letzten jüdischen Ehepaare, die noch im Dorf lebten, wurden in dieser Nacht von den Nazis zerstört. Die Bewohner verschleppte man am folgenden Tag auf einem Lastwagen erst nach Forchheim und dann weiter nach Dachau, Nürnberg, Theresienstadt und Riga. Da es danach keine weiteren Nachrichten von ihnen gibt, muss man davon ausgehen, dass sie dort ermordet wurden.

In Hagenbach existieren heute kaum mehr Spuren, die auf die einstige jüdische Gemeinde hinweisen. Auf dem vormaligen Synagogengelände hat der nachfolgende Eigentümer eine Garage errichtet. Nur der jüdische Friedhof ist erhalten. Er wurde jedoch im Jahr 1978 das Ziel eines antisemitischen Anschlags. Die Täter haben zwei Grabsteine zerstört und einen weiteren Gedenkstein mit einem Hakenkreuz geschändet.


(Christine Riedl-Valder)

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Gesellschaft für Familienforschung in Franken / Staatliche Archive Bayerns (Hg.): Staatsarchiv Bamberg - Die 'Judenmatrikel' 1824-1861 für Oberfranken. Nürnberg 2017. Ggfs. digital (Reihe A: Digitalisierte Quellen, 2 = Staatliche Archive Bayerns, Digitale Medien 4).
  • Angela Hager / Hans-Christof Haas: Hagenbach, in: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 1: Oberfranken, Oberpfalz, Niederbayern, Oberbayern, Schwaben. Erarbeitet von Barbara Eberhardt und Angela Hager unter Mitarbeit von Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Frank Purrmann. Lindenberg im Allgäu 2007, S. 152-157.
  • Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns (Hg.) / Thomas Engelke (Hg.): Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Reichskammergericht, Bd. 20: Nr. 8430-8976 (Buchstaben P und Q) (Bayerische Archivinventare / Inventar der Akten des Reichskammergerichts 20), München 2019, Nr. 8933, S. 504f.
  • Klaus Guth: Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800–1942), ein historisch-topographisches Handbuch. Bamberg 1988 (= Landjudentum in Oberfranken. Geschichte und Volkskultur 1), S. 172-185.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 146.