Jüdisches Leben
in Bayern

Goldbach-Hösbach Gemeinde

Erste zuverlässige Nachrichten über jüdisches Leben in Goldbach liefern Amtsrechnungen aus dem Jahr 1674, in denen Abgaben von zwei Schutzjuden verzeichnet sind. Diese beiden jüdischen Familien werden zwei Jahre später als völlig verarmt bezeichnet. In Hösbach wird 1689 erstmals ein Schutzjude gemeldet. 1693 sind in einer weiteren Rechnung wiederum zwei jüdische Haushalte mit insgesamt zehn Mitgliedern in Goldbach vermerkt. Eine eigenständige Kultusgemeinde gab es jedoch erst in späterer Zeit.

Die jüdischen Familien von Goldbach und Hösbach gehörten anfangs zur Kultusgemeinde Aschaffenburg und besuchten auch die dortige Synagoge. 1740 war jedoch die Anzahl der religionsmündigen Männer auf 15 angewachsen, so dass ein eigener Betraum im Haus des Joseph Salomon (alte Hausnummer 152 a und b; später Sachsenhausen 6) eingerichtet wurde. In der Folgezeit erhielt die Gemeinde auch eine Mikwe (im Synagogenhaus), einen Schulmeister und Schächter. Die Verstorbenen wurden auf dem Bezirksfriedhof „am Erbig“ in Schweinheim / Aschaffenburg bestattet, worum sich eine 1712 gegründete Chewra Kadischa kümmerte. 1782 umfasste die jüdische Gemeinde insgesamt 38 Mitglieder (vier Familien mit 28 Personen in Goldbach und zwei Haushalte mit zehn Personen in Hösbach). Synagogenvorsteher Wolf Samson erhielt 1793 das Amt des Vorstehers der Schutzjuden im Vogteiamt Schweinheim. Er gehörte zu dem kleinen Kreis, der die Oberschicht der jüdischen Landbevölkerung bildete. 

Ab 1803 war Goldbach-Hösbach Teil des kurzlebigen Kurfürstentums Aschaffenburg. Laut Vermögensverzeichnis des Vogteiamts Schweinheim lebten 1808 in Goldbach sieben und in Hösbach drei jüdische Haushalte, die ihren Lebensunterhalt durch Vieh- und Krämerhandel, Schlachterhandwerk und Maklertätigkeit verdienten. Vier Familien besaßen Häuser und Grundbesitz. 1814 fiel das Fürstentum Aschaffenburg an das Königreich Bayern. Damit fand auch das bayerische Judenedikt hier Anwendung, im Zuge dessen anfangs für Goldbach neun jüdische Haushalte und für Hösbach vier jüdische Familien genehmigt wurden. 1835 gehörten zur Kultusgemeinde Goldbach-Hösbach insgesamt 83 Personen, in den 1880er und 1890er Jahren hatte sie rund 100 Mitglieder. Die vereinigte IKG Goldbach-Hösbach gehörte zum Bezirksrabbinat Aschaffenburg.

Die jüdischen Kinder besuchten den Unterricht der christlichen Schulen im Ort. 1817/18 wurde ein neues Gemeindezentrum (Sachsenhausen 6) mit Synagoge und damit verbunden Lehrerhaus, Hofraum, Brunnen, Badhaus, Holzhalle und Pflanzgarten errichtet. 1833 bemängelte das Landgericht Aschaffenburg Missstände im Religionsunterricht und „wiederholte Excesse“ in der Synagoge und ließ das jüdische Gotteshaus in Goldbach deshalb für mehrere Wochen sperren. Der Kultusgemeinde wurde die Anstellung eines staatlich geprüften Religionslehrers zur Auflage gemacht, der sie nachkommen musste. Da die jüdische Bevölkerung ab 1861 u.a. das Recht auf freie Wohnort-Wahl erhielt, zogen viele jüdische Familien vom Land in die Stadt. Für Geschäftsleute bot das nahe Aschaffenburg günstige Bedingungen zum Ausbau ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten; z.B. gründete Wolf Wilhelm Solinger dort 1886 die Herrenkleiderfabrik W. Solinger und Compagnie. Die voranschreitende rechtliche Gleichstellung und gesellschaftliche Integration der jüdischen Mitbürgern zeigte sich darin, dass sie nun auch vereinzelt im Gemeinderat vertreten waren und wichtige Positionen in den Vereinen einnahmen. 

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 setzte auch in Goldbach-Hösbach eine massive Ausgrenzung der jüdischen Mitbürger aus dem gesamten öffentlichen Leben ein. 1934 lebten in Goldbach noch elf und in Hösbach vier jüdische Familien mit insgesamt 38 Personen. Im September 1935 beschloss der Gemeinderat einstimmig eine "Judenverordnung", durch die Juden der Zuzug und der Erwerb von Immobilien verboten wurde. Allen christlichen Gemeindemitgliedern blieb der geschäftlichen und soziale Umgang mit Jüdinnen und Juden untersagt. Um sie auch aus dem Viehhandel auszuschließen, legte die Gemeinde 1938 fest, dass für Kühe von jüdischen Händlern künftig doppelte Gebühren erhoben werden und diese Tiere nicht mehr besamt werden dürfen. Ab diesem Jahr häuften sich auch die Sachbeschädigungen an jüdischen Häusern und Wohnungen.

Während des Novemberpogroms 1938 zerstörte eine große Menge von „Volksgenossen“, darunter Mitglieder der örtlichen SA und der Hitlerjugend, die Goldbacher Synagoge, das Ritualbad und verwüstete mehrere jüdische Häuser. Eine Reihe jüdischer Männer wurde von der Polizei festgenommen. Fünf von ihnen hat man in das Konzentrationslager Dachau deportiert und erst Wochen später wieder freigelassen. Nach diesen schrecklichen Ereignissen versuchte ein Großteil der Israeliten zu emigrieren. Die 28 Jüdinnen und Juden, die 1940 noch hier wohnten, wurden bis zum Jahresende weitgehend enteignet. Einige unter ihnen hat man zu Zwangsarbeiten, z.B. im Gleis- und Autobahnbau, verpflichtet.

Unter den mainfränkischen Israeliten, die im Jahr 1942 in die Vernichtungslager im Osten deportiert wurden, befanden sich auch 22 jüdische Bürgerinnen und Bürger aus der Kultusgemeinde Goldbach-Hösbach. Von ihnen überlebte nur eine Frau, Bertha Rothschild, die im Juli 1945 in ihre alte Wohnung in Goldbach zurückkehrte und dort 1950 verstarb.

Vor dem Landgericht Aschaffenburg fand 1948 ein Prozess gegen 31 ehemaligen Mitglieder der NSDAP statt, die der Teilnahme am Novemberpogrom 1938 in Goldbach beschuldigt wurden. Ein Teil von ihnen erhielt Haftstrafen zwischen drei und 18 Monaten. Seit 1986 erinnert ein Denkmal, das gegenüber dem Grundstück der ehemaligen Synagoge aufgestellt wurde, an das einstige jüdische Gotteshaus und die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die 1942 deportiert und ermordet wurden. Die Kommune Goldbach beteiligt sich am Projekt DenkOrt Deportationen mit zwei Gepäckstücken: Eines erweitert das zentrale Mahnmal auf dem Würzburger Bahnhofsplatz, das Gegenstück wird vor Ort an die deportierten Opfer der Shoah erinnern. 

 

(Christine Riedl-Valder)

Bilder

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Axel Töllner / Cornelia Berger-Dittscheid: Schöllkrippen. In: Wolfgang Kraus, Gury Schneider-Ludorff, Hans-Christoph Dittscheid, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/1: Unterfranken, Teilband 1. Erarbeitet von Axel Töllner, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Hans Schlumberger unter Mitarbeit von Gerhard Gronauer, Jonas Leipziger und Liesa Weber, mit einem Beitrag von Roland Flade. Lindenberg im Allgäu 2015, S. 70-82.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 210.