Jüdisches Leben
in Bayern

Geldersheim Gemeinde

Die Entstehung der jüdischen Gemeinde von Geldersheim wird in der Mitte des 17. Jahrhunderts vermutet. Die Größe der Gemeinde soll 1751 sechs jüdische Familien mit 40 Personen umfasst haben. Die politische Gemeinde gehörte bis 1803 zum Hochstift Würzburg und nach 1814 zum Königreich Bayern. Die Matrikelaufzeichnungen sind verschollen und mussten rekonstruiert werden. Demnach lebten um 1810 etwa zehn jüdische Familien in Geldersheim. Dies dürfte den 44 jüdischen Einwohnern entsprechen, die 1816 etwa fünf Prozent der 926 Einwohner des Ortes ausmachten. Die Familienoberhäupter Rosenstein und Weichselbaum waren im Vieh- und Warenhandel tätig. Moses Löb betrieb eine Schlachterei, während Josel (Joseph) Moises als Schmuser, also als Vermittler von Handelsgeschäften tätig war.

Die jüdische Gemeinde besaß einen Betsaal. Ob es eine eigene Schule in Geldersheim gab, ist fraglich. Die Matrikelaufzeichnungen nennen keinen Lehrer. Zumindest um die Mitte des 19. Jahrhunderts dürften die jüdischen Kinder von Geldersheim in Euerbach unterrichtet worden sein, wo auch die Verstorbenen bestattet wurden. 1869 hatte nämlich die Kultusgemeinde Geldersheim bei der Regierung von Unterfranken die Errichtung einer eigenen Lehrerstelle und eine mögliche Verlegung des Sitzes des Lehrers von Euerbach nach Geldersheim beantragt. Ob diese Gesuch befürwortet wurde, ist nicht bekannt. Die Zahl der Gemeindeangehörigen blieb aber zumindest bis in die 1870er-Jahre mit über 40 Einwohner konstant und nahm erst ab 1880 deutlich ab. Die elf jüdischen Einwohner von 1910 bedeuteten nur noch ein Prozent der Gesamteinwohnerzahl. Bereits 1901 war die jüdische Gemeinde aufgelöst worden.

Nach der Angaben bei Alemannia Judaica lebten 1933 noch drei ältere jüdische Personen in Geldersheim, unter ihnen der Metzger Gustav Weglein mit seiner Frau Regina geb. Gerst. Die beiden wohnten in dem Haus, in dem sich der frühere Betsaal befand. Das Gebäude war von ihnen bereits vor 1938 verkauft worden. Dabei wurde vertraglich festgelegt, dass sie ein dauerndes Wohnrecht behalten sollten. Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Ehepaar von der örtlichen SA überfallen. Der SA-Führer verlangte Geld und Wertsachen von dem Ehepaar. Später kamen Jungen der HJ und setzten das von der SA bereits begonnene Zerstörungswerk fort. Von einem Nachbarn wurden die Jungen vertrieben, kamen jedoch später ein zweites Mal. Die beiden älteren Leute flüchteten aus dem Haus und irrten über die Nacht in den Ortsstraßen herum, bis sie von einem Würzburger Auto abgeholt wurden. Ihre Wohnung wurde abgeschlossen. Nach acht Tagen konnten sie ihre Wäsche und Kleider abholen. Sie blieben im jüdischen Altersheim in Würzburg (Dürerstraße 20) und wurden von hier aus am 23. September 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie im Januar/Februar 1943 umgekommen sind. 

Von den in Geldersheim geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen: Ida Alexander geb. Weichselbaum (1874), Mally (Amalia) Berlinger geb. Weichselbaum (1877), Irma Grünfeld geb. Weglein (1902), Sara (Sali) Rosenstein (1876), Selma Schwarz geb. Weglein (1899), Helene Sulzbacher geb. Weichselbaum (1876), Gustav Weglein (1866), Jakob Weglein (1895), Regina Weglein geb. Gerst (1868), Samuel Weglein (1865), Lehmann Weichselbaum (1865), Simson Weichselbaum (1883). 

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Dirk Rosenstock (Bearb.): Die Unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle. Würzburg 2008 (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg 19), S. 244f.
  • Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 60.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 242.