Ab 1938 ließ das NS-Regime nach einem Entwurf des Luftwaffenbauamts an der Unterbrunner Straße eine Flak-Kaserne errichten, die 1943-1945 in ein Lazarett für an Tuberkulose erkrankte Luftwaffensoldaten umgebaut wurde (Unterbrunner Straße 85). Nach Kriegsende wurde die Lungenklinik von der US-Armee für die Behandlung TBC-kranker Displaced Persons (DPs) und anderer befreiter KZ-Insassen genutzt. Das Sanatorium stand allen politisch oder rassisch Verfolgten offen; die Mehrheit der Patienten waren jedoch jüdisch.
Die ehemalige Kaserne umfasste Unterkünfte und zahlreiche weitere Einrichtungen. Für die jüdischen Überlebenden der Shoah wurde im Erdgeschoss der Krankenabteilung B des Sanatoriums ein Betsaal eingerichtet. Dort fanden regelmäßig Gottesdienste statt, geleitet von rabbiner Schnitzer, der ebenfalls an TBC erkrankt war. Die Zeitschrift "Unser Leben" und ein eigener Radiokanal namens "Radio Gauting" sorgten für Unterhaltung und politische wie gesellschaftliche Informationen. Eine koschere Küche versorgte die religiösen Bewohner und schlachtete in späteren Jahren auch gemäß den Kaschrut. Die Kinder gingen in eine Volksschule, dessen Personal von der UNRRA gestellt wurde. Jugendliche und Erwachsene konnten sich in einer Berufsschule auf das Pionierleben in Israel oder ein neues Leben in Amerika vorbereiten, außerdem stand eine Bibliothek zur Verfügung. Das DP-Lager verwaltete sich größtenteils selbst, den Vorsitz hatten die gewählten Vorstände Jeheskiel Sender, David Wolf und Mendel Dipszyc. Bereits im November 1045 zählte das DP-Sanatorium 500 Bewohner, die meisten von ihnen Juden. Im August 1946 erreichte das Lager mit 615 Personen seinen Höchststand und schrumpfte von da an kontinuierlich, da die Bewohner entweder verlegt wurden, genasen oder verstarben. Am 1. Mai 1951 wurde Gauting der deutschen Verwaltung unterstellt, die letzten jüdischen Bewohner verließen in der zweiten Hälfte der 190er Jahren diese Heimstatt auf Zeit. Heute wird das Areal unter anderem als Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie genutzt. (Patrick Charell)
Literatur
- Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 309.