Jüdisches Leben
in Bayern

Burgpreppach Gemeinde

1646 erwähnt ein Steuerbuch im Zusammenhang mit dem Hausbau des Juden Abraham erstmals einen Juden in Burgpreppach. Vermutlich wollte der Ortsherr Eitel Heinrich Fuchs von Bimbach mit der Ansiedlung jüdischer Familien die Wirtschaftskraft des vom Dreißigjährigen Krieg weitgehend entvölkerten Orts fördern. 30 Jahre später sind 1676 im Erb- und Lehenbuch der Fuchs fünf jüdische Haushalte vermerkt, die sich bereits ein Jahr zuvor eine Gemeinschaftsordnung gegeben hatten. Diese Ordnung sah unter anderem vor, dass sich nach Burgpreppach zugewanderte Schutzjuden mit 12 Gulden in die jüdische Gemeinde einkaufen konnten und dann über alle Rechte der ansässigen Gemeindeglieder verfügten.

Rund 20 Jahre später wurde das vertraglich zugesicherte Schutzversprechen allerdings nicht eingelöst, als 1699 rund 600 aufgebrachte Bauern die Häuser der in Burgpreppach lebenden zehn jüdischen Familien plünderten. Die Verleihung des Marktrechts im selben Jahr bewirkte dennoch einen raschen wirtschaftlichen Aufschwung Burgpreppachs, das sich zu einem gut besuchten Umschlagplatz für den Viehhandel entwickelte. Laut einem Bericht aus dem Jahr 1705 sollen in diesem Jahr über 900 jüdische Händler Burgpreppach besucht haben. Zu dieser Zeit pflegten die Burgpreppacher Juden bereits überregionale Handelsbeziehungen. Dies schlug sich unter anderem im Besuch der Leipziger Messe nieder, der für acht Mitglieder der Burgpreppacher Gemeinde für den Zeitraum zwischen 1675 und 1746 dokumentiert ist. Dank der großzügigen Erteilung von Schutzbriefen durch die Reichsritter Fuchs wuchs die jüdische Gemeinde im 18. Jahrhundert rasch und umfasste 1785 bereits 37 und 1788 44 Familien, die auch Häuser im Ort erwerben konnten. Dies provozierte die Kritik des evangelischen Pfarrers Wolfgang Christoph Weigand, der von 1711 bis 1766 im Dorf wirkte und in seiner Pfarrchronik mehrfach den Erwerb von Immobilien im Ort durch Juden polemisch kommentierte.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lebten die meisten Burgpreppacher Juden von Vieh-, Schnittwaren- und Tuchhandel. In den folgenden Jahrzehnten veränderte sich die Berufsstruktur der jüdischen Burgpreppacher, die zunehmend auch als Handwerker tätig waren und ihren Lebensunterhalt nicht nur als Metzger oder Bäcker, sondern auch als Sattler, Färber, Gerber, Seiler, Buchbinder, Schmiede, Schneider und Tuchmacher verdienten.

Von großer Bedeutung für die jüdischen Gemeinden der unterfränkischen Region Grabfeld war das große Distriktsrabbinat Burgpreppach mit seinen vielen Filialen. Um 1924 gehörten zum Distriktsrabbinat die Gemeinden Aidhausen, Autenhausen, Burgpreppach, Ermershausen, Höchheim, Hofheim mit Lendershausen, Schweinshaupten und Sulzdorf. Nach einer Neueinteilung 1932 umfasste der Distrikt die Gemeinden Aidhausen, Burgpreppach, Ermershausen, Höchheim, Hofheim, Kleineibstadt, Kleinbardorf, Kleinsteinach, Königshofen im Grabfeld (Baden-Württemberg), Maroldsweisach, Memmelsdorf, Oberlauringen, Reckendorf und Schweinshaupten.

Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich die Zahl der im Handel ohne Buchführung tätigen Juden von 38 im Jahr 1813 auf 15 im Jahr 1851 fast halbiert, und 24 jüdische Haushalte gingen von der Kreisregierung als „ordentlich“ bezeichneten Erwerbsarten nach. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde Burgpreppach wegen seiner zahlreichen, gut sortierten jüdischen Geschäfte auch als „Klein-Paris“ bezeichnet. 1876 legte der örtliche Zimmermeister Johann Pfautsch den Plan für den Bau der bereits 1872 gegründeten jüdischen Elementarschule vor. Der zweigeschossige, rund zehn Meter breite und neun Meter lange Massivbau mit vier Fensterachsen und einem Walmdach war südlich an die Synagoge angebaut. Vom Haupteingang gelangte man über einen Flur in die im Erdgeschoss gelegenen zwei Lehrerzimmer und das für 30 Schüler ausgelegte, beheizbare Klassenzimmer. Eine Treppe führte in die Lehrerwohnung im Obergeschoss. 1881 wurde die Schule umgebaut und die Aborte in einen zweigeschossigen Fachwerkanbau verlegt, 1890 zeichnete die Wochenzeichnung "Der Israelit" ein harmonisches Bild vom Zusammenleben der beiden christlichen Konfessionen und der jüdischen Gemeinde in Burgpreppach. Dies entsprach nicht immer der Realität, da beispielsweise die Schüler der Talmud-Thora-Schule in den 1890er Jahren regelmäßig von Arbeitern des örtlichen Steinbruchs angegriffen wurden.

1910 kam es in Burgpreppach erneut zu antisemitischen Übergriffen, unter anderem wurden die Fenster der Synagoge von Unbekannten eingeworfen. 1924 musste die jüdische Volksschule in Burgpreppach schließen, da die Gemeindemitglieder nicht mehr die vom bayerische Staat vorgeschriebenen 20 Prozent des Lehrergehalts aufbringen konnten. Einige Jahre später kam es 1929 zu einer antisemitischen Kampagne, als die Nationalsozialisten die ungeklärt gebliebene Ermordung des viereinhalbjährigen Karl Keßler als Ritualmord interpretierten. 1930 wurde am Fundort des wohl einem Sexualverbrechen zum Opfer gefallenen Jungen ein "Mordstein" aufgestellt. 1934 gerieten der Burgpreppacher pensionierte Volksschullehrer Emanuel Levi und der Burgpreppacher Bäcker Julius Neuberger ins Visier der Nationalsozialisten, die nach jüdischen Schuldigen für den angeblichen Ritualmord suchten. Trotz intensiver Ermittlungen und brutaler Verhöre der Verdächtigen kam es nicht zu einer Anklage, da die Beweislast hierfür nicht genügte. Dennoch hielt der mainfränkische Gauleiter Otto Hellmuth an seiner Version des angeblichen "jüdischen Blutmordes" fest und gestaltete 1937 den Fundort zu einer antisemitischen Kultstätte.

Während des Novemberpogroms 1938 kam es in Burgpreppach nicht zu Zerstörungen von jüdischen Privat- oder Geschäftshäusern. Antisemitische Aktionen fanden dennoch statt: Am Morgen des 10. November wurden die jüdischen Männer des Dorfes in Burgpreppach und anschließend im Hofheimer Gefängnis inhaftiert. Der öffentlichen Bloßstellung und Demütigung diente die Zwangsarbeit, die die Burgpreppacher Männer zusammen mit den anderen jüdischen Männer des Bezirks Hofheim leisten mussten. Rund 14 Tage später wurden die 35 als lagerfähig eingestuften jüdischen Männer der Landkreise Haßfurt und Hofheim in das Konzentrationslager Dachau verlegt. Nachdem einige Burgpreppacher Jüdinnen und Juden unter anderem nach Palästina ausgewandert und andere in größere Orte des Deutschen Reichs verzogen waren, lebten am 6. Januar 1941 in Burgpreppach keine Juden mehr.  

Als einziger Burgpreppacher Jude überlebte Salli Neuberger die Inhaftierung im Konzentrationslager. Nach der Rückkehr in sein Heimatdorf im Juli 1945 misslang Neubergers Versuch, die beiden Häuser zurück zu erwerben, die seine Familie 1940 unter Zwang verkauft hatte. Schließlich emigrierte Neuberger 1946/1947 in die USA und wählte dort den Freitod. Die Erinnerung an die jüdische Gemeinde in Burgpreppach hält seit 1990 der Burgpreppacher Verein „Natur und Familie“ (NatFam e.V.) wach, der Fotos und Dokumente zur Geschichte der Kultusgemeinde und Objekte aus der Thora-Talmud-Schule in einem kleinen Museum im Bauhof des Marktes präsentiert.


(Stefan W. Römmelt)

Bilder

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Axel Töllner / Hans-Christof Haas: Burgpreppach. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.1. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 424-460.
  • Magnus Weinberg: Die Memorbücher der jüdischen Gemeinden in Bayern, Bd. 1. Frankfurt am Main 1937, S. 151-153.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 221.