Jüdisches Leben
in Bayern

Bibergau Gemeinde

In Bibergau (bis 1921 Biebergau), heute ein Ortsteil von Dettelbach, gab es seit dem Ende des 17. Jahrhunderts eine ansehnliche jüdische Gemeinde. Der erste sichere Nachweis findet sich in Berichten, dass 1691 gegen Gemeindemitglieder Vorwürfe eines angeblichen Ritualmordes erhoben wurden, doch der Würzburger Fürstbischof Johann Gottfried von Guttenberg (reg. 1684-1698) ließ alle tätlichen Übergriffe auf seine Schutzjuden durch Soldaten unterbinden. Die zu Beginn im Rahmen der Matrikelgesetzgebung überlieferten Zahlen zeigen eine große jüdische Gemeinde, 1816 machten die 131 jüdischen Einwohner etwa 28 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.

Zwischen 1817 und 1824 verteilten sich die 30 Matrikelstelle auf folgende Personen: Selig Lazarus Grubel (Kleinhandel), Baruch Eyssig Blau (Kleinhandel), Samuel Baruch Pracht (Kleinhandel), Samuel Kuhn Steinreich (Viehhandel), Witwe von Seligmann Leser Sonnemann (weibliche Handarbeit), Maier Leser Riegel (Schmusen), Faust Isaac Bronner (Schmusen), Mannasses Goetz Schulhöfer (Handel), Meier Löb Liebich (Handel), Wolf Lustig (Handel), Marx Salomon Fernberg (Schmusen), Salomon Lazarus Grubel (Handel), Hirsch Mendel Jost (Handel), Mendel Moses Jost (ohne Erwerb), Raphael Löb Maser (Viehhandel), Samuel Salomon Feldmann (Handel), Moses Ascher Rheinmann (Metzger), Berlein Winklein (Handel), Hirsch Salomon Fernberg (Handel), Witwe von Salomon Selig Grünebaum (Handel), Selig Meier Gutfried (Handel), Haium Löb Rosenstock (Kramhandel), Seligmann Löb Laubheim (Metzger), Marx Isaac Geisberg (Handel), Samuel Jacob Lipzer (Handel), Abraham Salomon Fernberg (Handel), Jacob Samuel Schrotter (Viehhandel), Abraham Loeb Scharlach (Viehhandel) Eissig Jacob Schrotter (Viehhandel), David Löb Heuppert (Viehhandel), Löb Raphael Masser (Viehhandel und Begüterung, seit 1820), Simon Geisberger (Feldbau, seit 1821), Janntof Steinreich (Feldbau, seit 1824).

Im Synagogengebäude war auch eine jüdische Schule, eine Lehrerwohnung und ein rituelles Bad vorhanden. Zweitweise war auch ein eigner Lehrer angestellt. Die Gemeinde gehörte zum großen Distriktsrabbinat Würzburg, ihre Toten wurden auf dem jüdischen Friedhof Schwanfeld beigesetzt. Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts nahm allerdings die Zahl der jüdischen Gemeinde, bedingt durch Wegzug oder Auswanderung, kontinuierlich ab. Zur Zeit der Auflösung der Gemeinde 1907 lebten noch sechs Jüdinnen und Juden in Bibergau. Sie schlossen sich der Gemeinde in Dettelbach an.

Zu Beginn der NS-Zeit lebten in Bibergau noch fünf jüdische Personen. Einer verließ das Dorf vor 1939, zwei wurden am 24. April 1942 über Würzburg nach Izbica bei Lublin deportiert. Am 10. September 1942 wurden die beiden letzten jüdischen Einwohner in das Ghetto Theresienstadt verbracht. In der Shoah starben Frieda Goldstein geb. Geißenberger (1867), Alfred Hennochstein (1910), Lina Hennochstein (1878), Moritz Laubheim (1866), Rosa Laubheim (1872), David Maij (1912) und Arnold Schrotter (1868).


(Patrick Charell)

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Hans Schlumberger / Cornelia Berger-Dittscheid: Dettelbach mit Bibergau, in: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.2. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 955-976.
  • Aubrey Pomerance: Die Memorbücher der jüdischen Gemeinden in Franken. In: Michael Brenner / Daniela F. Eisenstein (Hg.): Die Juden in Franken. München 2012, S. 95-113.
  • Magnus Weinberg: Die Memorbücher der jüdischen Gemeinden in Bayern, Bd. 1. Frankfurt/Main 1937, S. 70-72.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 227.