Die Ursprünge der Kultusgemeinde Bechhofen sollen auf das Ende des 13. Jahrhunderts zurückgehen. Der früheste namentlich bekannte jüdische Einwohner war ein Mann namens Abraham, dem 1564 vom Ansbacher Markgrafen Georg Friedrich I. (reg. 1543-1603) ein freies Geleit zusichert wurde. Der jüdische Friedhof in Bechhofen wird 1607 das erste Mal urkundlich erwähnt, die ältesten heute noch erhaltenen Grabsteine stammen aus den Jahren 1602 und 1607. Die Begräbnisstätte wurde 1669, 1706, vermutlich 1840 und noch einmal 1910 vergrößert. Mitte des 17. Jahrhunderts lebten im Ort sechs jüdische Haushalte. Weitere Angaben sind spärlich gesät und beziehen sich vor allem auf den Bau der kunsthistorisch bedeutsamen neuen Synagoge im Jahr 1684. Sie wurde durch ein stets Wachstum der Bechhofer Gemeinde nötig, die inzwischen fast ein Drittel der 230 Einwohner ausmachte. Durch eine systematische Vertreibung der Juden aus dem Herzogtum Pfalz-Neuburg kamen 1741 weitere Familien aus Zöschingen nach Bechhofen. Eine inzwischen verschüttete Mikwe soll sich sich im ehem. markgräflichen Amtshaus befunden haben.
Um 1810 bestand die Gemeinde aus 180 Personen, die vier Angestellte beschäftigte: Jacob Baer als "Schullehrer der kleinen Kinder", Veit Abraham Waldheimer als Hebräisch- und Religionslehrer, Samuel Abraham als Vorsänger und Isaac Samson Loew als Totengräber. Die wirtschaftliche Situation blieb jedoch weiterhin recht bescheiden, was aus einem Bericht des evangelischen Pfarrers Johann Daniel Zinck hervorgeht: „Die meisten [Juden] befinden sich in geringen Vermögensumständen; nur Etliche bringen sich gut fort durch Güter- und Vieh-Handel, die Übrigen alle nähren sich notdürftig, indem sie mit etwas Specerei, Tüchern und dergleichen handeln. Der bettelarmen Familien unter ihnen sind 9“.
Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts wechselte die Gemeinde Bechhofen mehrfach zwischen den Rabbinatsbezirken Ansbach und Wassertrüdingen, bis es 1853 – vor allem aus finanziellen Erwägungen – endgültig Ansbach zugeteilt wurde. Der jüdische Friedhof in Bechhofen wurde Ende des 16. Jahrhunderts angelegt und einer der großen jüdischen Friedhöfe in Bayern. Er wurde von zahlreichen (Anfang des 18. Jahrhunderts sechzehn) umliegenden jüdischen Gemeinden benutzt, darunter auch Arnstein, Cronheim, Treuchtlingen, Herrieden, Gunzenhausen, bis diese Gemeinden teilweise eigene Friedhöfe anlegten. Mehrere Rabbinergräber sind auf dem Friedhof vorhanden. Der älteste erhaltene Grabstein stammt aus dem Jahr 1603 (Reb Jacob ben Izchak).Den Religionsunterricht erhielten die jüdischen Kinder durch verschiedene Lehrer in Privathäusern, ansonsten gingen sie in die christliche Elementar- oder Sonntagsschule. Erst 1835 machte eine Zuwendung der Schleisheimerschen Stiftung der verschuldeten Gemeinde den Bau eines eigenen (religiösen) "Schulhaus mit Quellen-Bau" auf Gemeindegrund möglich. Das neue Ritualbad wurde notwendig, weil die bereits vorhandenen acht Bäder den neuen staatlichen Hygieneauflagen nicht mehr entsprachen.
Die allgemeine jüdische Auswandererwelle erfasste auch Bechhofen: Bis 1847 wanderten zwölf junge Männer und dreizehn junge Frauen nach Nordamerika aus, die Gemeine bestand nur noch aus 154 Mitgliedern. Ausgerechnet in dieser Schwächephase erwies sich die Bausubstanz der weithin bekannten Synagoge als zunehmend marode und musste in den nächsten Jahrzehnten immer wieder aufwendig saniert werden, was die Gemeinde stets vor gewaltige Herausforderungen stellte.
Es gab jedoch auch Erfolgsgeschichten: Bechhofen entwickelte sich zu einem Zentrum der Pinselfabrikation, neben vielen Heimarbeitern war Mordechai (Marx) Schloss der erste spezialisierte Händler im Ort. Um 1860 beschäftigte er jüdische und christliche Angestellte, die er überdurchschnittlich gut entlohnte. Seine Enkelsöhne zogen in ein 1904 errichtetes Gebäude in der Bahnhofstraße um. Das Unternehmen entwickelte sich schwunghaft und exportierte seine Produkte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs auch nach Großbritannien und in die USA.
Am 1. Mai 1919 stellte die Gemeinde Julius Schapiro (1895-1945) als Religionslehrer, Vorbeter, Schächter und Friedhofswärter ein. Schapiro engagierte sich darüber hinaus im Ort, leitete den Chor des Turnvereins und gehörte einem Komitee an, das 1923 den Einweihungsgottesdienst der neuen St. Johanniskirche plante. Für den Bau dieser evangelischen Kirche hatten auch viele jüdische Geschäftsleute gespendet. Es ist zumindest ein Indiz für das intakte Gemeinschaftsgefühl, das noch immer in Bechhofen existierte. Im selben Jahr jedoch wurde der jüdische Friedhof von unbekannten Tätern geschändet. Trotzdem, oder gerade deshalb wurde Pinselfabrikant Hugo Steindecker 1929 in den lokalen Gemeinderat gewählt. Anlässlich seines Todes im Jahr 1930 hielt der damalige Bürgermeister eine sehr persönliche Grabrede und bezeichnete Steindecker als guten Freund. Zum 200. Jahrestag der Ausgestaltung der Synagoge durch Eliezer Sussmann verzichtete die Kultusgemeinde am 24. November 1932 auf eine größere Feier, weil es angesichts der wirtschaftlichen Situation des Ortes unangemessen schien. In einer Ansprache am folgenden Sabbat würdigte der Gemeindelehrer jedoch das Werk Sussmanns und äußerte die Hoffnung, "der Allgütige möge dieses 'kleine Heiligtum' auch weiterhin beschützen und erhalten für alle Zeiten".
Zwischen 1933 und 1937 emigrierten etliche Jüdinnen und Juden aus Bechhofen, oder zogen zumindest in die vermeintlich sichere Anonymität der Großstädte. 1936 beschmierten unbekannte Täter die Synagoge und etliche jüdische Häuser mit roter Farbe, wahrscheinlich war die Ortsgruppe der NSDAP dafür verantwortlich. Am 30. August 1938 wurde das jüdische Schulhaus an zwei christliche Pinselfabrikanten verkauft. Bereits Mitte September zogen Hitlerjungen durch die Straßen, SA-Männer aus Feuchtwangen und Bechhofen stürmten die Häuser der verbliebenen zehn jüdischen Familien und trieben die Bewohner zur Gemeindeturnhalle. Dort legte man ihnen nahe, den Ort auf schnellsten Weg zu verlassen, die Männer kamen anschließend für einige Tage in das Feuchtwanger Amtsgerichtsgefängnis in Haft. Noch immer gab es Nachbarn und Freunde, die den bedrängten jüdischen Familien Essen kochten oder für sie einkauften. Angesichts der Lage war dies jedoch nur ein schwacher Trost: Am 12. Oktober 1938 verließen die Steindeckers als letzte jüdische Familie den Ort und zogen nach München, wobei David Steindecker (1874-1944), ehemals Inhaber der "Pinselfabrik Marx Schloss" und Vorstand der Kultusgemeinde, noch auf dem Weg zum Bahnhof tätlich angegriffen wurde. Stolz verkündete die gleichgeschaltete NS-Verwaltung nun Bechhofen als "judenfrei".
Nach Kriegsende 1945 ließ die US-Militärbehörde den verwüsteten jüdischen Friedhof durch ehemalige SA-Leute instand setzen. 2006 wurde der jüdische Friedhof vermessen und ein genauer Plan der erhaltenen 2.223 Grabsteine angelegt. Am 12. Oktober 2013, exakt 75 Jahre nach der gewaltsamen Vertreibung der letzten Juden aus Bechhofen, wurde am Marktplatz zwischen der Katharinenkirche und der Gedächtnisstätte für die Opfer des 2. Weltkrieges eine Shoah-Opfer-Gedenkstätte eingeweiht. Die Planung und künstlerische Gestaltung lag in den Händen des lokalen Steinmetzmeisters Christoph Geßler. Er wollte "ein Symbol für eine hinterlassene Lücke" schaffen und nahm 32 Kieselsteine, versah sie mit den Namen der zum Opfer gefallenen Bechhöfer Juden und fügte sie in die Mauer ein. Die "Mauer schreiender Steine“ sind, verbunden mit einer Gedenkschrift aller 32 Biografien in Buchform, als Lexikon der vernichteten jüdischen Gemeinde. Herbert und Claudia Dommel veröffentlichten dazu ein Begleitbuch; auf der Basis einer langjährigen Forschungsarbeit von Heimatpfleger Herbert Dommel (1935-2020) widmete das Deutsche Pinsel- und Bürstenmuseum Bechhofen einen Raum den jüdischen Fabrikantenfamilien Schloß und Steindecker.
Persönlicher Dank geht an Claudia Dommel, Heimatpflegerin Markt Bechhofen, für die freundliche Unterstützung.
(Patrick Charell)
Bilder
Bevölkerung 1910
Literatur
- Herbert und Claudia Dommel / Heinz Meyer: Mit meinem Herzen blieb ich in Bechhofen und in Gedanken unter Euch. Eine Biographie über Amson Schloss, jüdischer Textilwarenhändler in Bechhofen mit geschichtlichen Nachweisen. Bad Schussenried 2016.
- Aubrey Pomerance: Die Memorbücher der jüdischen Gemeinden in Franken. In: Michael Brenner / Daniela F. Eisenstein (Hg.): Die Juden in Franken. München 2012, S. 95-113.
- Barbara Eberhardt / Hans-Christof Haas: Bechhofen, in: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 2: Mittelfranken. Erarbeitet von Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Angela Hager unter Mitarbeit von Frank Purrmann und Axel Töllner mit einem Beitrag von Katrin Keßler. Lindenberg im Allgäu 2010, S. 29-38.
- Herbert und Claudia Dommel: Markt Bechhofen an der Heide. Biographisches Gedenkbuch an die Opfer der Schoa und deren Familien. Zur Erinnerung an unsere jüdische Bevölkerung. Feuchtwangen 2008.
- Herbert Dommel: Vom Händler zum Pinselfabrikanten. Die Familien Schloß & Steindecker. Jüdische Arbeitgeber in Bechhofen - ein biografischer Versuch mit geschichtlichen Nachweisen. Unterschwaningen 2008 (= Kleine Schriftenreihe Region Hesselberg 5).
- Manfred Hörner: Bemmel, ein Geldverleiher und Viehhändler aus dem schwäbisch- fränkischen Grenzgebiet, in: Treml, Manfred / Weigand, Wolf Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern: Lebensläufe. München 1988 (= Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur 18), S. 31-36.
- Magnus Weinberg: Die Memorbücher der jüdischen Gemeinden in Bayern, Bd. 1. Frankfurt/Main 1937, S. 240-243.
- K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 181.