Jüdisches Leben
in Bayern

Bad Windsheim Gemeinde

Seit dem 13. Jahrhundert lebten immer wieder Juden in Windsheim, doch wurden sie Ende des 15. Jahrhunderts aus der Stadt vertrieben. Über das soziale und religiöse Leben der Windsheimer Juden ist aus dieser Zeit kaum etwas überliefert. Lediglich der Straßenname „Judenhöflein“ ist ein möglicher Hinweis auf ein im Mittelalter mehrheitlich von jüdischen Familien bewohntes Viertel.

Zu Beginn der 1870er Jahre wurde ein „Lockal-Statut“ de facto außer Kraft gesetzt, welches jüdischen Haus- und Grundbesitz untersagte. Weil zusätzlich mit der Abschaffung des Bayerischen Judenedikts 1861 die freie Berufs- und Wohnortwahl möglich wurde, zogen wieder jüdische Familien aus dem Umland nach Windsheim. Schnell kamen die notwendigen zehn Männer zusammen, es gab bereits zwei koschere Metzger in Windsheim, daher stellte man den Antrag zur Gründung einer Kultusgemeinde an die Landesregierung und wählte am 20. Mai 1877 den ersten Gemeinderat. Zehn Jahre später vergrößerte sich die Gemeinde durch die Angliederung von Lenkersheim-Ickelsheim, 1898 folgte Kaubenheim-Dottenheim.

Die Seelsorge übernahm zunächst der Uffenheimer Rabbiner David Hirsch; als dieser bereits ein Jahr später überraschend starb und die Verwesung seiner Stelle auf die umliegenden Rabbinate verteilt wurde, kam Windsheim im Jahr 1880 dauerhaft unter das Kuratel des Distriktsrabbiners von Fürth. Der Schulunterricht wurde nach einigem hin und her einem angestellten Lehrer, Schächter und Vorsänger namens Moritz May aus Geldersheim anvertraut. Er blieb bis 1879 im Amt, ihm folgte Samuel Strauß aus Bad Homburg. Er feierte am 7. September 1929 unter dem großen Anteil der Stadt sein 50-jähriges Dienstjubiläum und verlor erst durch die NS-Machtergreifung seine Stelle.

Von Anfang an engagierten sich Juden im sozialen Leben der Stadt. Weitaus weniger harmonisch gestaltete sich der innere Zusammenhalt; vor allem in den 1880er Jahren kam es oft zu ernsthaften Streitigkeiten, die sogar vor das Bezirksamt und den Distriktsrabbiner getragen wurden. Der mangelnde Zusammenhalt war vielleicht dem Umstand geschuldet, dass die jüdische Gemeinde noch so jung war und erst zusammenwachsen musste. Ein weiterer Grund war mit Sicherheit die konstant schwierige, für alle Mitglieder belastende Finanzlage. Synagoge, Gemeindesaal, Mikwe, Friedhof und Taharahaus waren in Windsheim noch nicht vorhanden und mussten erst neu erbaut werden, damit die Kultusgemeinde überhaupt als solche existieren konnte. Dafür nahm der Vorstand Michael Haas 1878 ein Darlehen von 6.850 Mark auf, den die wenigen jüdischen Familien – einige von ihnen galten ohnehin als mittellos – nicht zurückzahlen konnten. Letztendlich musste das Bezirksamt Uffenheim 1892 den Rest der Summe als Gemeindeschuld übernehmen.

Ihre Toten bestatten die Windsheimer Juden auf dem israelitischen Friedhof in Obernzenn, der 1901 durch eine Ablösezahlung in den Besitz der Gemeinden Egenhausen und Windsheim überging. Als die Stadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein modernes Leichenhaus errichtete, musste die jüdische Gemeinde eine Mitnutzung aus religiösen Gründen ablehnen und kaufte 1905 ein Grundstück an der heutigen Ecke Nürnberger Straße / Am Schießwasen, wo sie ein bescheidenes Taharahaus errichtete.

1902 wurde Moritz Walter, von 1901 bis 1920 Erster Vorstand der Gemeinde, zu einem der acht stellvertretenden Gemeindebevollmächtigten Windsheims gewählt und saß noch in der Weimarer Republik im Gemeinderat. Im Ersten Weltkrieg kämpften vierundzwanzig jüdische Windsheimer für Deutschland, fünf von ihnen fielen, einer erlag 1922 seinen Verwundungen. Ihre Namen sind bis heute auf dem Kriegerdenkmal neben dem Rathaus eingemeißelt.

In der Weimarer Republik entwickelte sich Windsheim zu einer Hochburg der Völkischen Bewegung. Hinzu kam, dass der Münchner Verleger Julius Lehmann 1921 die nahe gelegene Burg Hoheneck kaufte und dem „Bund Oberland“ als Veranstaltungsort überließ. Bis 1936 war die Zahl der religiös volljährigen, männlichen Gemeindemitglieder durch Wegzug oder Emigration ganzer Familien auf unter zehn gesunken, ein regulärer Gottesdienst daher kaum mehr möglich.        

Bereits am 28. September 1938 wurden die Windsheimer Juden überfallartig zum Verkauf ihrer Immobilien gezwungen. Von den etwa zwanzig Juden, die in Windsheim die Novemberpogrome miterlebten, gelang nur noch wenigen die Emigration. Die meisten zogen nach Nürnberg, Würzburg und Augsburg, von wo sie in den 1940ern nach Osteuropa deportiert und in Vernichtungslagern ermordet wurden.

Im Sommer 1946 richteten die siegreichen Alliierten in der ehemaligen "Hermann-Göring-Siedlung" (heute Westsiedlung) ein Auffanglager für jüdische Displaced Persons ein. Die Wohnsituation blieb anfangs schwierig, weil die ehemaligen Bewohner der Siedlung von der geplanten Beschlagnahmung ihrer Häuser erfahren hatten und die Möbel vorher größtenteils abtransportierten. Großen Anteil an der raschen Verbesserung der Lebensbedingungen hatte nicht zuletzt die UNRRA gesorgt. Das Lager wuchs bis November auf 2936 Jüdinnen und Juden in knapp 300 Wohnungen an. dazu gehörte ein Außenlager, das sich im 18 Kilometer entfernten Wildbad befand. Das Lagerleben entwickelte sich vielseitig und umfasste neben Sportvereinen und Schulen auch sechs Beträume, ein Krankenhaus und die zweimal wöchentlich erscheinende jiddische Zeitschrift "Unszer Wort". Im Sommer konnten die Kinder im benachbarten Ansbach auf dem Gelände des Kinder-Kibbuz Strüth zelten. Durch zwei orthodoxe Jeschiwot (eine folgte der Lubawitscher, die andere der Klausenburger Ausrichtung) entwickelte sich Windsheim mit seinem Außenlager in Wildbad zum spirituellen Zentrum der mittelfränkischen Juden und zur größten Talmudschule in Nordbayern. Das DP-Lager Windsheim war gleichzeitig der Mittelpunkt der jüdisch-orthodoxen US-amerikanischen Hilfsorganisation Vaad Hatzala für den süddeutschen Raum. Durch die Emigration in die USA und Israel ging die Zahl der Lagerinsassen soweit zurück, dass es 1949 aufgelöst werden konnte.

Nach der Schließung des DP-Lagers gab von den verbliebenen Juden in Windsheim Anfang der 1950er Jahre ernsthafte Überlegungen zum Neubau einer Synagoge. Zur Ausführung kam es jedoch nie, weil die Zahl potentieller Gemeindemitglieder so weit abgenommen hatte, dass eine Synagoge in Windsheim nicht länger mehr vonnöten war. Die Stadt kaufte das Grundstück und das Taharahaus von der JRSO. Das Taharahaus wurde 1953 baulich stark verändert und 1984 abgerissen. Heute steht dort eine Tankstelle.

Anlässlich des Jubiläums 1700 Jahre Jüdisches Lebens in Deutschland 2021 zeigte das Fränkische Freilandmuseum Bad Windsheim die Sonderausstellung "Lang gegrindet - Jüdisches Franken in Stadt und Land" mit begleitender Publikation. Die Ausstellung lenkte ein besonderes Augenmerk auf die vielen einst jüdischen Gebäude im Museumsareal. Am 11. Dezember wurde das Richtfest für die ehemalige Synagoge von Allersheim gefeiert, die im Ensemble "Mainfranken-Frankenhöhe" neu aufgebaut wurde.


(Patrick Charell)

Bilder

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Freilandmuseum Franken Bad Windsheim / Herbert May (Hg.): Lang gegrindet - Jüdisches Leben in Franken. Bad Windsheim 2022.
  • Barbara Eberhardt / Cornelia Berger-Dittscheid: Bad Windsheim. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 2: Mittelfranken. Erarbeitet von Barbara Eberhardt, Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Angela Hager unter Mitarbeit von Frank Purrmann und Axel Töllner mit einem Beitrag von Katrin Keßler. Lindenberg im Allgäu 2010, S. 69-86.
  • Jim G. Tobias: Vorübergehende Heimat im Land der Täter. Jüdische DP-Camps in Franken 1945-1949. Nürnberg 2002, S. 89-96.
  • Horst Steinmetz / Helmut Hofmann: Die Juden in Windsheim nach 1871. Bad Windsheim 1992.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 203.