Jüdisches Leben
in Bayern

Bad Königshofen Gemeinde

Die Existenz von Juden im heutigen Bad Königshofen ist vor der Mitte des 14. Jahrhunderts nur durch die Märtyrerlisten im Nürnberger Memorbuch nachweisbar. Es nennt Opfer des Rintfleisch-Pogroms von 1298 und den Pestpogromen von 1349, wobei die Erwähnung von Königshöfer Juden nicht zwingend heißen muss, dass sie einen dauerhaften Wohnsitz in der Stadt hatten. Spärlich und mehrdeutig sind auch die Nachweise der folgenden Jahrhunderte: 1557 verlangten mehrere Orte im Hochstift Würzburg, darunter Königshofen, die gewaltsame Vertreibung der Juden im Gebiet. Dann wieder ist es ein landesherrliches Verbot, welches 1580 allen Handel mit Juden untersagte.

Während des Dreißigjährigen Krieges wurde Königshofen 1631 von den Schweden erobert und bis 1635 besetzt. Danach wurden Schutzjuden mit ihren Familien angesiedelt, die wohl wie so oft einzig zur Hebung des Steueraufkommens aufgenommen wurden. Im Jahr 1641 sind die drei Familien des Abraham, Joel und Jordan bezeugt, einschließlich der Bediensteten 20 Personen. 1675 waren es lediglich zwei Häuser: Ein Lämblein handelte mit Vieh und Pferden, seine Familie umfasste elf Personen. Zuweilen wohnte der "Schuel-Maister" Mayer bei ihm, der ansonsten mit seiner Familie im Amtsgebiet Königshofen lebte und den Kindern mindestens zweier Familien jeweils Blockunterricht erteilte. Der zweite Haushalt gehörte dem Händler Samuel aus Wetzlar. 1699 wohnten wieder fünf Würzburgische Schutzjuden mit ihren Haushalten in Bad Königshofen. Der Amtskellerer (bischöfliche Verwalter) stellte im selben Jahr zufrieden fest, dass die hiesigen Juden wenigstens kein "unredliches Verleihen von Geld" ausübten, sondern einem ordentlichen Handel nachgingen.

Zwischen 1746 und 1763 besuchten sechs Königshofener Juden die Leipziger Messe. Die Messe hatte für das jüdische Gemeinwesen im heutigen Deutschland eine große Bedeutung, denn die Messefahrer brachten nicht nur verschiedene Waren in ihre Heimatorte mit, sondern sie konnten sich auch Austauschen und Netzwerke aufbauen. Gleichzeitig schwankte die Zahl jüdischer Familien in Königshofen zwischen drei und vier. Ein "Rabbi Lase" aus dem Ort unterzeichnete 1766 als Kastenmeister die neu verabschiedeten Statuten des Kleinbardorfer Friedhofsverbands. Unklar bleibt jedoch, ob die Juden in Königshofen einen eigenen Minjan bilden konnten, und wo sie sich versammelten – wahrscheinlich besuchten sie das Gotteshaus eines Nachbarortes mit einem größeren jüdischen Bevölkerungsanteil.

Das Ende des 1803 säkularisierten Würzburger Hochstifts und die Umwandlung des Territoriums in ein säkulares Großherzogtum verbesserte die Lage der Königshofener Juden: Ausdrücklich war ihnen zuvor der Besitz eigener Häuser und Grundstücke verboten gewesen – eine Ausnahme im Hochstift, die sich aus der Rückschau nicht erklären lässt. Von 1811 bis 1875 wurde von den Ortspfarrern das "Buch über die Geburt, Trauung, und Beerdigung der Juden zu Königshofen im Grabfeld" geführt, ein wertvolles genealogisches Dokument. Es enthält zu Beginn den Hinweis "Alle Juden sollten auch Nachnamen haben", und "Dieses Buch hat die Judenschaft bezahlen müssen". Das Trauregister schreibt den Männern Berufe wie Garkoch oder "Handelsjude" zu. Das Würzburger Territorium kam 1814 zu Bayern, womit die Juden in Königshofen unter das Bayerische Judenedikt fielen.

1830 gab es in Königshofen 21 Juden bei 1.490 Einwohnern (etwa gleich groß mit der protestantischen Minderheit), im gesamten Amtsgerichtsbezirk waren es 536. Mit der Einteilung des Regierungsbezirks Unterfranken und Aschaffenburg in sechs Rabbinate gehörte Königshofen ab dem 31. Dezember 1839 zum Distriktsrabbinat Burgpreppach. Seit diesem Jahr versammelte sich die Kultusgemeinde in einem privaten Betsaal im Haus des Abraham Einstädter, der ab 1849 auch als Vorstand der Kultusgemeinde amtierte. Im ersten Stock befand sich zusätzlich die Religionsschule, für die ein Zimmer freigeräumt wurde. Im hinteren Teil des Hauses existierte eine Mikwe, die der Ditsriktsrabbiner 1873 begutachtete. Er fand alles gemäß den rituellen Vorschriften vor, bemängelte jedoch Hygiene und niedrigen Wasserstand – er mahnte eine Renovierung an, die wohl auch durchgeführt wurde. 

 Im Verlauf des 19. Jahrhunderts profitierte der Ort von der allgemeinen Landflucht, die jüdische Gemeinde wuchs kontinuierlich. Viele Männer waren weiterhin Geschäftsleute: "1860 zählte man […] drei Schnittwarenhändler, einen Hopfengroßhändler, einen Garkoch, einen Seifensieder, einen Goldarbeiter und zu späterer Zeit vorwiegend Vieh- und Getreidehändler". Die Zuzüge sorgten hin und wieder auch für Verstimmungen in der Gemeinde, wenn Neuankömmlinge das Eintrittsgeld in die Gemeindekasse nicht bezahlen wollten. Die wenigen jüdischen Kinder besuchten in Königshofen die katholische Volksschule. 1862 wurde der Ort mit dem benachbarten Trappstadt zu einem „Religionssprengel“ vereinigt, damit sich beide Kultusgemeinden eine gemeinsame Religionsschule teilen konnten. Der Religionslehrer wechselte jährlich zwischen den beiden Gemeinden, erfüllte jeweils an seinem Wohnort das Amt des Vorsängers und erteilte an je drei aufeinander folgenden Tagen Unterricht. Später musste er auch die Rolle des Schochet (Schächter) übernehmen. Da die Lehrkräfte bis 1900 alle paar Jahre wechselten, ist davon auszugehen, dass die Arbeitsbedingungen trotz der stetig größeren Bezahlung auf Dauer nicht attraktiv waren. 

1904 feierten die Kultusgemeinde die Einweihung ihrer neuen Synagoge (heute Bamberger Straße 1). Mit dem auffälligen Gotteshaus signalisierten sie im Stadtbild ihre gesellschaftliche aufstrebende Stellung. Die Euphorie wich jedoch schnell einem Katzenjammer, denn mit 23.000 Mark Schulden hatte sich die Kultusgemeinde finanziell schwer verhoben. Weitere Kosten fielen durch eine Reparatur der alten Mikwe an, außerdem schrumpfte die Kultusgemeinde kontinuierlich: Im August 1910 besaß die Kultusgemeinde nur noch 28 zahlende Mitglieder!

In den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts waren die Jüdinnen und Juden in Königshofen weitgehend in das gesellschaftliche Leben integriert. Jüdische Ladengeschäfte hatten sich am Marktplatz etabliert, darunter die Textilhäuser "Selig & Rosenbach" (Marktplatz 31), "Sali [Salomon] Kohn" (Marktplatz 10) und "David Friedmann" (Marktplatz 21). Der Geschäftsmann Albert Malzer (✡ 1936) saß jahrelang im Stadtrat, jüdische Bürger stifteten erhebliche Beträge für das örtliche Freibad und den Kindergarten, Jüdinnen und Juden waren Mitglied in den lokalen Vereinen, auch der gemischte Chor des jüdischen Religionslehrers und Vorsängers Julius Hermann hatte einen guten Ruf.

Anfang der 1930er Jahre galten die Juden Emil lang Hermann Einstädter als wichtige Spieler im lokalen Fußballverein, für den Einstädter auch die ersten Trikots stiftete. Im 1. Weltkrieg kämpften 25 Juden aus Königshofen, der Gemeindevorstand organisierte Spenden für das Bayerische Rote Kreuz. Zwischen 1919 und 1921 wurde ein eigener jüdischer Friedhof an der östlich verlaufenden Straße nach Eyershausen angelegt, um sich den langen Fußmarsch zum früheren Gemeinschaftsfriedhof in Kleinbardorf zu ersparen. Bei der Einweihungsfeier am 23. Januar gründeten sich zwei religiöse Bruderschafts- und Schwesternschaftsvereine ("Chebro G’miloth Chasodim"). Der Fußweg zum Friedhof wurde von den Juden gerne zum Schabbat-Spaziergang genutzt und bekam im Volksmund den Namen "Judenpfad". Diese Bezeichnung wurde jedoch erst 1965 offiziell.

Mit dem Erstarken der Nationalsozialisten begann auch in Königshofen die Stimmung zu kippen. Das Scheitern des Hitlerputsches am 10. November 1923 mit dem anschließenden Verbot der NSDAP brachte nur kurzzeitig Erleichterung. 1929 stand auch der Königshöfer Lehrer Heinrich Heller-Adler unter Verdacht, den "Ritualmord von Manau" begangen zu haben. Der Verdacht war haltlos und wurde rasch fallengelassen, dennoch bewog diese frühe Erfahrung mit der antisemitischen Staatsgewalt Heller-Adler zur Emigration ins Ausland. Wegen der zunehmenden Repressalien sank die Zahl der Gemeindemitglieder kontinuierlich, dutzende Familien zogen in andere Städte oder emigrierten ins Ausland.

Im April 1938 gingen "die letzten Judengeschäfte in arischen Besitz über", wie die NSDAP-Kreisleitung bemerkte. Religionslehrer Justin Bornheimer schrieb am 5. August 1938, einen Tag vor seiner Emigration nach New York, den letzten Eintrag in das seit 1865 geführte Protokollbuch: "Nur der Zeitgenosse den es betraf mag einst ermessen, was diese kurze geschichtliche Periode an unsäglichem Leid, höchster seelischer Not und Vereinsamung uns brachte". Das Novemberpogrom lief in Königshofen nach dem üblichen Schema ab. Auf die Verhaftung der wenigen verbliebenen Juden hin durchsuchte die örtliche Polizei am 10. November das leerstehende Synagogengebäude nach "Schätzen". Noch während sie zugange waren tauchten SA-Truppen auf, sie zertrümmerten die Inneneinrichtung und warfen alle Fenster ein. Dabei ging auch ein barocker Toraschrein zu Bruch, der noch 1922 von der aufgelösten Kultusgemeinde Sulzbach-Rosenberg nach Königshofen gebracht, und im Vorraum der Synagoge aufgestellt worden war. Die herbeigeholten jüdischen Männer mussten das Mobiliar und die Ritualien zum Bauhof bringen und alle Holztrümmer zu Kleinholz sägen. Die nicht zerstörten Ritualgegenstände wurden im Rathaus sichergestellt und nach dem Einmarsch der US-Armee den Militärrabbinern übergeben.

Nach dem Pogrom wurden die staatlichen Repressalien und öffentlichen Demütigungen nochmals verstärkt: Jüdische Königshofener mussten ihre Immobilien bis zu einem Drittel unter Wert verkaufen und erfuhren eine systematische entmenschlichende Ächtung. Bis 1940 emigrierten sechs Gemeindemitglieder nach Nordamerika, neun zogen in andere deutsche Orte, zwei verstarben während des Jahres. Die letzten sechs Verbliebenen wurden auf Anweisung des Landrats Wilhelm Hippler am 20./21. August 1941 mit einem Sammeltransport gewaltsam nach Kleineibstadt umquartiert. Dies war das Ende jüdischen Lebens in Königshofen. Nur ein Jude, von dem nur der Vorname "Stanislaus" bekannt ist, überlebte als Zwangsarbeiter im Ort die NS-Diktatur. Er hatte aus Auschwitz fliehen können, war mit dem Pass eines Polen erneut ergriffen und (als Jude unerkannt) dem Schneiderehepaar Haßmüller in der Schlundstraße 109 zugeteilt worden. Diese deckten ihn vor den Behörden, nach Kriegsende emigrierte er über Hanau in die USA.

Erst 1991 errichtete die Stadt zur Erinnerung an die Synagoge auf dem Nachbargrundstück einen Gedenkstein. Die Fragmente der Grabplatten im Kurpark wurden 1993 aufgedeckt, 1994 geborgen und 1997 auf den Friedhofe zurückgebracht. Aus Trümmerfragmenten errichtete Fritz Köth ein pyramidenförmiges Mahnmal auf dem Friedhof. Im Kurpark selbst befindet sich vor besagter Treppe ein Gedenkstein, der die Geschichte der Grabsteine erzählt. Seit 2006 findet jährlich ein ökumenischer Gedenkgottesdienst in der evangelischen Kirche statt.

Seit 2013 läuten zudem jedes Jahr am 9. November um 18 Uhr einige Glocken der katholischen und evangelischen Kirche fünf Minuten lang. Die Einwohner Bad Königshofens sind angehalten, an diesem Tag eine Kerze in die Fenster ihrer Häuser zu stellen. Im März 2015 wurde die Wanderausstellung "Mitten unter uns" im örtlichen Gymnasium gezeigt. 2016 überreichte Siegried Schwinn dem "Verein für Heimatgeschichte im Grabfeld e.V." ein Holzmodell der Synagoge, das er nach historischen Ansichten angefertigt hatte. 2018 machte der evangelische Pfarrer Lutz Merten mit einem offen ausgestellten Koffer voller Fotos und Erinnerungsstücke auf die einstigen jüdischen Bürgerinnen und Bürger aufmerksam. In ein beiliegendes Notizbuch konnten die Betrachter eigene historische Kenntnisse oder Kommentare eintragen.


(Patrick Charell)

Bilder

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Gerhard Gronauer / Cornelia Berger-Dittscheid: Bad Königshofen. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.1. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 595-626.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 229.