Jüdisches Leben
in Bayern

Bad Brückenau Gemeinde

Die ersten Juden ließen sich zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Brückenau nieder. Der Ort gehörte bis 1803 zum Herrschaftsbereichs der Reichsabtei Fulda. 1524 wird erstmal ein David von Brückenau erwähnt. Die Judenordnung von 1560, die der Fürstabt von Fulda erließ, hatte die erklärte Absicht, die Anzahl der jüdischen Familien im Hochstift Fulda zu verkleinern. Es war nur eine Synagoge und ein jüdischer Friedhof in Fulda zugelassen. Der Aufenthalt auf den Straßen war für jüdische Mitbürger an christlichen Feiertagen verboten. Ende des 16. Jahrhunderts forderte die Stadt Brückenau die Vertreibung der etwa zehn jüdischen Familien, die auch die üblichen Reichs- und Türkensteuern leisten mussten.

1671 wurden aus dem gesamten Hochstift Fulda die dort lebenden 2000 Juden vertrieben. Auch die jüdischen Einwohner von Brückenau mussten die Stadt verlassen. Erst in den 1720er-Jahren konnten sich hier wieder jüdische Familien niederlassen. Eine neue Judenordnung von 1751 regelte die Einzelheiten des Schutzverhältnisses. Während an jüdischen Feiertagen der ungestörte Gottesdienstbesuch zugesichert wurde, verbot sie Juden an christlichen Feiertagen eine öffentliche Arbeitsausübung. Hausbesitz durfte nur selbst bewohnt werden, der Zugang zu den Märkten war durch die Zunftordnung erschwert. Außerdem blieb nur mit Stoffhandel erlaubt. Die jüdischen Händler waren immer der Gefahr von Misshandlungen ausgesetzt. Fürstäbtliche Dekrete versuchten diese vergeblich zu verhindern. 1787 lebten in Brückenau vier jüdische Familien. Den Gottesdienst feierten sie deshalb mit Familien aus dem Umland in einem Privathaus. Ab 1783 wurde ein Vorsänger und Lehrer beschäftigt.

1816 kam Brückenau zu Bayern. Aufgrund der Matrikelgesetzgebung durften nur vier jüdische Familien mit gesamt 19 Angehörigen in der Stadt wohnen. Diese Beschränkungen führte zu Auswanderung von jungen Menschen, meist nach Amerika. Die jüdische Gemeinde gehörte bis 1840 zum Würzburger Oberrabbinat und danach zum Distriktsrabbinat Gersfeld (Hessen). 1892 erhielt das Rabbinat Bad Kissingen die Zuständigkeit.

Die Schulsituation war in dieser Zeit für die Gemeinde in Brückenau nicht immer einfach. Aufgrund der geringen Gemeindestärke und der daraus resultierenden geringen Schülerzahl musste immer mit anderen Gemeinden ein Konsens gefunden werden. So fand der Schulunterricht im Sprengel Brückenau in den 1830er-Jahren in Unterriedenbach statt. Dies bedeutete aber einen Schulweg von 1 1/2 Stunden. Erst 1843 kam es zur Anmietung eines eigenen Schulraums in Brückenau und zur Anstellung eines Lehrers für den Religionsunterricht. Der Lehrer war auch meist Vorsänger im Betsaal eines Privathauses.

Der verheerende Stadtbrand vom August 1876 machte fast zwei Drittel der Brückenauer obdachlos, darunter fast alle jüdischen Familien. Zum Hilfskomitee für die Brandgeschädigten zählten auch zwei jüdische Bürger Brückenaus. Im Auftrag der Stadt kaufte Emanuel Cahner Grund und Boden für den Wiederaufbau und tauschte ihn ein, was zu antisemitischen Vorwürfen der Bereicherung führte. Da die Synagoge und de Schule samt Inventar vernichtet waren, wurden die Kultusgemeinschaften in Deutschland um Spenden gebeten. Die daraufhin gesammelte stattliche Summe veranlasste die Behörden, die jüdische Gemeinde von staatlichen Subventionen auszuschließen. Der Betrag wurde für den Bau eines neuen Gemeindezentrums mit Synagoge, Schule, Lehrerwohnung und Ritualbad verwendet. Die Baugenehmigung für das Gebäude (Unterhainstraße 24) wurde 1883 erteilt.

Die Zunahme der jüdischen Kurgäste im Staatsbad Brückenau und das Anwachsen jüdischen Gemeinde erforderte bereit Ende des 19. Jahrhunderts Pläne für den Neubau einer Synagoge, die 1913 eingeweiht wurde. Die jüdische Gemeinde zählte in diesen Jahren etwa 129 Personen. Die meisten waren in den vergangenen Jahrzehnten aus dem Umlandgemeinden zugezogen. Die Familien waren meist im Handel und im Viehhandel tätig. Die Hoteliers Siegfried Strauß und Joseph Kaufmann waren Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr. Beim Konsortium für die Neuorganisation des Badebetriebs gab es eine Beteiligung von jüdischen Bürgern, ebenso we beim Trägerverein der neuen Realschule.

Eine Besonderheit Brückenaus war in den 1920er-Jahren die Diskussion, ob ein jüdischer Volksschullehrer als Staatsbeamter auch die Tätigkeit eines Schächters ausüben dürfe. Aufgrund des großen Bedarfs durch den umsatzstarken Kurbetrieb ließen in Brückenau nicht nur die beiden jüdischen Metzger, sondern auch zehn bis zwölf nichtjüdische Metzger das Hornvieh schächten. Im Städtischen Schlachthof wurde bis zu 98 Prozent der Schlachtungen unter Hinzuziehung eines Schächters vorgenommen. So genossen sowohl jüdische als auch nichtjüdische Einwohner und Kurgäste fast ausschließlich geschächtetes Fleisch.

Mit Übernahme der Macht durch die Nationalsozialisten begann die Übergriffe und Schikanen gegen die jüdischen Bürger. Das Central-Hotel der Familie Schuster wurde beschlagnahmt und zur örtlichen NSDAP-Zentrale umgewidmet. Ihren Widerstand bezahlten Julius und David Schuster mit Gefängnis und mehrmonatiger Haft in den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald. Nach dem erzwungenen Verkauf unter Wert konnte die Familie nach Palästina emigrieren.

Im Kurbetrieb hatten sowohl die Hoteliers als auch die Kurgäste unter erheblichen Schikanen zu leiden. Bis 1938 erfolgte durch das Verbot von Gottesdiensten in den Kurhotels und das Verbot von Beschäftigung nichtjüdischen Personals. Jüdische Kurgäste durften nur noch mit gelber Kurkarte zu bestimmten Zeiten abgegrenzte Bereiche betreten. Im Kurgarten war nur das Verweilen auf abseits gelegenen Bänken zulässig. Sportplätze und Kurgasthöfe durften von Juden nicht mehr betreten werden.

Der Novemberpogrom 1938 brachte die Zerstörung der Einrichtung der von Juden bewohnten Häuser, die Verwüstung der beiden Hotels Strauß und Kaufmann, Zerstörungsaktionen der jüdischen Schule sowie die Plünderung und gezielte Inbrandsetzung der Synagoge. Die Aktion wurde unter Beteiligung der örtlichen Formationen von SA, und SS von Kreisleiter Heinritz geleitet. 22 jüdische Männer und Frauen wurden teils im Gefängnis Brückenau inhaftiert, teils in das KZ Dachau gebracht. In den Monaten danach erfolgte die systematische Enteignung der jüdischen Bürger.

Im Februar 1942 lebten noch sieben Jüdinnen und Juden in Brückenau. Mit der dritten Deportation der jüdischen Bevölkerung aus der Bezirksstelle Mainfranken am 25. April 1942 wurden die noch Verbliebenen, darunter die siebenjährige Ilse Judith Schönfärber, in das Durchgangslager Krasniczyn verschleppt und dann im Raum Lublin ermordet.

Bei einer Verhandlung vor der Großen Strafkammer Würzburg mussten sich nach 1945 29 Männer wegen der Zerstörung von jüdischem Eigentum in Brückenau verantworten. Sechs Personen wurden zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt. Kreisleiter Heinritz erhielt eine dreijährige Strafe unter Anrechnung der Internierungszeit.

Julius Schuster und später David Schuster kehrten in den 1950er-Jahren nach Deutschland zurück. Sie blieben trotz des erlittenen Unrechts ihrem Heimatort Brückenau verbunden. Seit 1987 erinnert eine Gedenktafel auf dem kommunalen Waldfriedhof an das Schicksal der jüdischen Gemeinde Brückenau. 2008 wurde am Alten Rathaus eine Gedenktafel mit 40 Namen von deportierten und ermordeten jüdischen Bürgern angebracht. Mit der Verlegung von Stolpersteinen, einer Initiative einer Schülergruppe des Franz-Miltenberger-Gymnasiums, werden die Schicksale der ermordeten Mitglieder der jüdischen Gemeinde wieder sichtbarer gemacht.

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Cornelia Berger-Dittscheid: Bad Brückenau. In: Wolfgang Kraus, Hans-Christoph Dittscheid, Gury Schneider-Ludorff (Hg.): Mehr als Steine… Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. III/2: Unterfranken Teilband 2.1. Erarbeitet von Cornelia Berger-Dittscheid, Gerhard Gronauer, Hans-Christof Haas, Hans Schlumberger und Axel Töllner unter Mitarbeit von Hans-Jürgen Beck, Hans-Christoph Dittscheid, Johannes Sander und Elmar Schwinger, mit Beiträgen von Andreas Angerstorfer und Rotraud Ries. Lindenberg im Allgäu 2021, S. 11-46.
  • Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns (Hg.) / Cornelia Berger-Dittscheid (Bearb.): Mehr als Steine. Synagogen in Unterfranken. Eine Ausstellung des Staatsarchivs Würzburg in Kooperation mit dem Team des Synagogen-Gedenkbands Bayern und dem Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe. München 2021 (= Staatliche Archive Bayerns - Kleine Ausstellungen 68), S. 92-95.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 210.