Jüdisches Leben
in Bayern

Aufseß Gemeinde

In der ersten Hälfte des 14. Jh. gibt es möglicherweise einen urkundlichen Nachweis eines jüdischen Bewohners von Aufseß (heute Gemeindeteil von Scheßlitz). 1322 erklärte Kaiser Ludwig des Bayern die Schulden des Hochstifts Bamberg bei jüdischen Kreditgebern für nichtig und erwähnte in diesem Zusammenhang, dass Beschwerden dagegen auch von Juden aus Aufseß zwecklos seien. Aus dem Jahr 1699 stammt der erste direkte urkundliche Nachweis, als Karl Heinrich von Aufseß Judenfamilien aus Burgellern aufnahm.

Um 1722 lebten etwa acht jüdischen Familien in Aufsess. Seit 1722 gab es eine Synagoge, die auch mit Unterstützung wohlhabender.Juden aus Bamberg und Zeckendorf finanziert wurde. Auch die Anlage eines eigenen Friedhofs, der erste Grabstein stammt von 1753, zeugt von einer gefestigten jüdischen Gemeinde. Dass auch eine Schule betrieben wurde, kann nur vermutet werden.

Die protestantischen Herren von Aufseß übten die Patronatsherrschaft über "ihre" Schutzjuden aus. Dies konnte auch zu starken Eingriffen in das interne Leben der jüdischen Gemeinde führen. So erklärte 1736 Christoph Ludwig Freiherr von Aufseß dem Schnaittacher Rabbiner die Eingliederung von Aufseß in dessen Bezirk. Die Begründung war, er ei als Grundherr seinen jüdischen Untertanen Rabbiner genug. Erst 1753 wurde die Gemeinde dem Bezirksrabbinat Bamberg angeschlossen.

Die Fürsorglichkeit der freiherrlichen Schutzherren ging auch soweit, dass Unwillige mit Polizeigewalt zum Besuch der Synagoge gebracht wurden! Seit 1772 regelte ein eigenes Statut mit 42 Punkten das jüdische Leben im Ort.

Die Matrikellisten der 1820er Jahre weisen für Aufseß 17 Stellen aus. Die bayerische Schulgesetzgebung führte nach 1826 dazu, dass nur noch staatlich geprüfte Lehrer beschäftigt werden konnten. Trotzdem nahm die Schülerzahl in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stark ab, was mit der gleichzeitig Verkleinerung der Gemeinde zusammenhing. 1864 erreichte die jüdische Gemeinde mit 115 Einwohner den höchsten Stand, der aber in den nächsten Jahrzehnten rapide abnahm. 1910 zählte man noch 44 jüdische Gemeindemitglieder.

Die Beschränkungen des Wohnrechts – sie fielen erst um 1860 weg – führten zu vermehrtem Wegzug und zur Auswanderung nach Amerika. Der Alterungsprozess der Gemeinde und die schlechte Finanzlage führte zu Plänen eines Zusammenschlusses mit den Gemeinden in Hollfeld und später mit Heiligenstadt. 1902 wurden die Gemeinden von Aufseß und Heiligenstadt zusammengelegt. In Aufseß lebten zu dieser Zeit noch zwölf jüdische Familien mit 43 Mitgliedern, darunter 17 religionsmündige Männer.  

1931 schlossen sich die IKG Aufseß-Heiligenstadt der Bamberger Gemeinde an. Die noch verbliebenen Ritualien wurden teilweise nach Bamberg gebracht, darunter vier Torarollen, sowie Gebetbücher und Torawimpel. 1932 wurde wahrscheinlich zum letzten Mal in der Aufsesser Synagoge ein Gottesdienst gefeiert.

Bereits am 13. März 1933 erfolgte eine Durchsuchung von Wohnungen jüdischer Familien durch SA-Männer aus Heiligenstadt. Die spätere Verhaftung von Siegfried David unter dem Vorwurf der „Rassenschande“ und die im Januar 1934 erfolgte Überstellung in das Konzentrationslager Dachau erregte sogar internationales Aufsehen. Nach der Entlassung im Dezember 1935 konnte Siegfried David nach Amerika auswandern.

Am 10. November 1938 kam es zu Plünderungen der Wohnungen der in Aufseß verbliebenen fünf Juden durch SA und SS unter Beteiligung von Aufsesser Bürgern. Die in einem Raum festgehaltenen jüdischen Bürger sollten außerdem auf alle eventuellen Schulden verzichten. In der Folge verließen die letzten Juden den Ort, der ihnen keine Heimat mehr war. Im März 1939 wurde gemeldet: Aufseß sei "judenfrei".

Von den in Aufseß geborenen und/oder längere Zeit am Ort wohnhaften jüdischen Personen sind in der NS-Zeit umgekommen: Mathilde Adler geb. Günther (1898), Julius Aufseeser (1878), David Fleischer (1862), Heinrich Fleischer (1877), Ignaz Fleischer (1873), Karl Fleischmann (1867), Berta Günther geb. Fleischmann (1864), Fanny Haymann geb. Oppenheimer (1865), Betty Hopfenmaier geb. Aufseeser (1891), Marie Kaufmann geb. Dittmann (1859), Fanny Löwenstein geb. Fleischmann (1896), Jakob Oppenheimer (1874), Michael Oppenheimer (1886), Adolf (Abraham) Richard (1860), Siegfried Schloss (1882), Katti Silbermann geb. Dittmann (1864).  


(Patrick Charell)                                                                   

Bilder

Bevölkerung 1910

Literatur

  • Gesellschaft für Familienforschung in Franken / Staatliche Archive Bayerns (Hg.): Staatsarchiv Bamberg - Die 'Judenmatrikel' 1824-1861 für Oberfranken. Nürnberg 2017. Ggfs digital (Reihe A: Digitalisierte Quellen, 2 = Staatliche Archive Bayerns, Digitale Medien 4).
  • Angela Hager / Cornelia Berger-Dittscheid: Aufseß. In: Wolfgang Kraus, Berndt Hamm, Meier Schwarz (Hg.): Mehr als Steine... Synagogen-Gedenkband Bayern, Bd. 1: Oberfranken, Oberpfalz, Niederbayern, Oberbayern, Schwaben. Erarbeitet von Barbara Eberhardt und Angela Hager unter Mitarbeit von Cornelia Berger-Dittscheid, Hans-Christof Haas und Frank Purrmann. Lindenberg im Allgäu 2007, S. 66-71.
  • Israel Schwierz: Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildung A85), S. 204f.
  • Klaus Guth: Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800–1942), ein historisch-topographisches Handbuch. Bamberg 1988 (= Landjudentum in Oberfranken. Geschichte und Volkskultur 1), S. 92-103.
  • K. statistisches Landesamt: Gemeindeverzeichnis für das Königreich Bayern. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und dem Gebietsstand von 1911. München 1911 (= Hefte zur Statistik des Königreichs Bayern 84), S. 147.