Tobias Koen arbeitete ab 1793 erfolgreich in Paris als Chirurg, mit dem Schwerpunkt auf Pediküre (Fußpflege). 1795 heiratete er Therese Cahen (1769-1814), aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor. Ab 1801 behandelte Tobias Koën sowohl Napoleon Bonaparte (1769-1821), wie auch dessen Gattin Joséphine de Beauharnais (1763-1814). Seit 1810 war Koen der Chirurg-Pediküre in Napoleons ständigen Gesundheitsdienst. Er behandelte Papst Pius VII. (reg. 1800-1823) und andere hochstehende Patienten. Auch nach Napoleons Sturz blieb Koen erfolgreich. Er wurde 1814 der Hof-Chirurg-Pediküre des Herzogs von Berry (1778-1820). Über diese Verbindung erhielt er Zugang zum Hof von König Charles X. Philippe (reg. 1824-1830). Nach 1837 war er möglicherweise der Fußpfleger des Schriftstellers Victor Hugo (1802-1885), bis er sich altersbedingt ins Privatleben zurückziehen musste. Tobias Koën starb in Paris und wurde auf dem Friedhof Père-Lachaise beigesetzt.
Die Familie Oberfelder war für rund 200 Jahre im mittelfränkischen Mühlhausen nahe Bamberg ansässig, bevor sie Ende des 19. Jahrhunderts im Mannesstamm erlosch. Der weiblichen Linie entstammte unter anderem Theodor Bruckheim, der letzte Vorstand der Kultusgemeinde vor der Shoah. Tobias Seligman war der erste Sohn von Ribka Rebecca (1739-1808) und des Kaufmanns Tobias Moses Oberfelder (gest. 1813), der einen Schutzbrief der Grafen von Schönborn besaß. Von seinem Leben zwischen seiner Geburt und seiner Ankunft in Paris ist nichts bekannt, ebenso wenig von seiner Schul- und Berufsbildung. In den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts spezialisierte er sich jedenfalls auf die Fußpflege ("Chirurg-Pédicure).
Am 2. Juni 1793 erscheint Tobias Seligmann als Chirurg in Paris, wo er laut Melderegister im Gasthaus zur Krone Nr. 39 unterkam. Die Unterschrift ist mit der hebräischen Unterschrift von "Tobias Qoen" unterzeichnet worden. Koen verbesserte später auch den auf Französisch angeforderten Registerauszug des Beschneiders Hirsch Löb in Uehlfeld. Drei Wochen später, am 26. Juli 1793, beantragte er einen "Sicherheitsausweis". Als Beruf gab er auch hier Chirurg an und als momentanen Aufenthaltsort die Rue Quincampoix, auf dem nördlichen Seineufer im Stadtzentrum.
Der Dreißigjährige kann sich in Paris etablieren, inmitten des Taumels der französischen Revolution: Die Schreckenszeit der Guillotine war angebrochen und sollte bis 1794 zehntausende Opfer fordern. Am 22. November 1795 heiratete Tobias Salomon im nordfranzösischen Soissons (Departement Aisne) eine junge Frau namens Thérèse Cahen (1769-1814), aus einer schon seit langem in Lorraine, in Metz und Umgebung niedergelassenen jüdischen Familie. TAus der Ehe gingen sechs Kinder hervor: Gothon (1796-1869), Abraham (1798-1837), Samuel (1803-1834), Fanny (1805-1891), Moses (1807-1809/10), und zuletzt Clara (1813-1889).
Um 1800, oder vielleicht auch einige Jahre davor war Tobias Koën der Pediküre von Joséphine de Beauharnais (1763-1814), Ehefrau des Generals Napoleon Bonaparte (1769-1821), zu dieser Zeit als Erster Konsul de facto-Diktator der Ersten Republik. Joséphine stellte ihm am 23. November 1803 ein Arbeitszeugnis aus, das Koen als beste Werbung vorzeigen konnte. Übersetzt schrieb die "First Lady" Frankreichs: "Die Unterzeichnete bestätigt, dass Tobias Koen seit vier Jahren mein Fußpfleger ist und dass ich mit seinen Diensten und seiner Intelligenz zufrieden bin. Deshalb habe ich ihm die vorliegende Bestätigung ausgehändigt. Paris, diesen ersten Frimaire des zwölften Jahres der Republik. Joséphine Bonaparte".
1804 krönte sich Napoleon mit eigener Hand zum Kaiser der Franzosen. Durch eine Verordnung des 8. Februar 1810 erhielt Koën offiziell die von ihm selbst angestrebte Bestallung zum "Chirurg-Pediküre des Gesundheitsdiensts des Kaisers", mit einem Jahresgehalt von 2400 Francs und dem Recht, eine Uniform und einen Degen zu tragen. Im Jahr darauf wurde er in Compiègne an den Hof zum Kaiser gerufen; Napoleon sandte ihn nach Schloss Fontainebleau zu Papst Pius VII. (reg. 1800-1823), um ihm die Füße zu pflegen. Der Papst stand dort bis zum Sturz Napoleons 1814 unter Hausarrest. Zusätzlich behandelte er Außenminister Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord (1754-1838), den Erzkanzler Jean-Jacques Régis de Cambacérès (1753-1824) und andere Größen am französischen Kaiserhof. Durch dieses hochstehende Klientel galt Koen in modernen Worten ein "Promiarzt", der sich seine Patienten aussuchen konnte. Eine Geschäftskarte um 1812 zeigt das Kaiserliche Wappen Napoleons mit dem Adler und den Text: "Tobias Koen - Chirurgien Pédicure - de S.S. M.M. Impèriales et Royales. Rue Chapon N. 20, au Marais".
In ihren Memoiren widmete die Hofdame Marie-Jeanne Avrillon eine ganze Seite Tobias Koen, den sie "Tobias Koing" nannte. "Er war ein guter, ein etwas einfacher deutscher Jude, vor allem sehr stolz auf seine Stellung bei Hof. Man redete ihm zu, ihre Majestät um eine bestickte Uniform, wie ihre Kammerdiener sie hatten, und auch um das recht, einen Degen tragen zu dürfen, zu bitten. nachdem man ihm diesen Plan in den Kopf gesetzt hatte, hatte er keine Ruhe, bis sich dieser erfüllte, und die Kaiserin, um sich von seinen inständigen Bitten zu befreien, gab endlich ihre Zustimmung. Tobias war ein ganz kleiner Mann und sprach mit einem sehr starken deutschen Akzent. Wenn er bei der Kaiserin beschäftigt war, wendete sich Ihre Majestät immer mit großer Aufmerksamkeit an ihn, erkundigte sich nach seiner Frau und seinen zahlreichen Kindern, sowie den Bedürfnissen seiner Familie. [...] Er hatte dieselbe Beschäftigung beim Kaiser, den es vergnügte, allerlei Fragen zu seinem beruf und über die Leute, mit denen er verkehrte, zu stellen. Jedoch brauchte der Kaiser nur selten seine Dienste".
Im Jahre 1814, nach der Niederlage Napoleons und der ersten Rückkehr des Bourbonen Ludwig XVIII. aus dem englischen Exil, wurde er mit dem ganzen kaiserlichen Gesundheitsdienst entlassen. Während der sogenannten "Herrschaft der Hundert Tage" (20. März bis 22. Juni 1814) kehrte Tobias Koen wieder in sein Amt zurück. Er bewahrte sich auch nach Napoleons Sturz einen hervorragenden Leumund und wurde 1814 der unbezahlte Hof-Chirurg-Pediküre von Charles d' Artois, Herzog von Berry (1778-1820). Über diese Verbindung erhielt er Zugang zum Hof von König Charles X. Philippe (reg. 1824-1830). Seine neuen Geschäftskarten zeigten nun die königlichen Lilien der Bourbonen, er hatte seine Praxis in der Rue St. Avoie Nr. 54, im Quartier Latin. Tobias Koen pflege den österreichischen Botschafter in Paris, Anton Georg Graf Apponyi von Nagy-Apponyi (1751-1817), und nach 1837 möglicherweise noch den Schriftsteller Victor Hugo (1802-1885). Altersbedingt musste er sich ins Privatleben zurückziehen und starb in Paris. Er ruht mit seiner Frau und dem Enkelkind Amédée Lipman auf dem Friedhof Père-Lachaise.
(Nach Johann Fleischmann)
Bilder
Literatur
- Johann Fleischmann: 1763–1849: Tobias Koen, geboren in Mühlhausen, Chirurg-Pédicure von Kaiser Napoleon. In: Mesusa 4 (2004), S. 21-50.
- Marie-Jeanne-Pierrette Avrillion: Mémoires de Mademoiselle Avrillion - Première femme de chambre de l'impératrice Joséphine. Bearb. v. Maurice Dernelle u. Maxime de Villemarest. Paris 2018.
Weiterführende Links
Quellen
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