Biografien
Menschen aus Bayern

Therese Giehse (eig. Gift) Schauspielerin

geboren: 06.03.1898, München
gestorben: 03.03.1975, München

Wirkungsort: München

Die gebürtige Münchner Schauspielerin Therese Gift nahm bereits in den 1920er Jahren den Künstlernamen "Therese Giehse" an. Im Jahr 1933 musste sie vor den Nationalsozialisten in die USA fliehen und kehrte erst nach 1945 in ihre bayerische Heimat zurück. Bekannt wurde sie vor allem durch ihre Charakterrollen auf der Bühne und in zahlreichen TV-Produktionen: Berthold Brechts "Mutter Courage", die Anstaltsdirektorin in Dürrenmatts "Die Physiker", aber auch als weltkluge Oma Anna in den bis heute populären "Münchner Geschichten" von Helmut Dietl.

Therese Gift war das jüngste von fünf Kindern des jüdischen Kaufmannsehepaars Gertrude geb. Heinemann (1862-1934) und Salomon Gift (1849-1911) aus Hainsfarth. Sie wurde liberal erzogen und entwickelte eine entschiedene Skepsis gegenüber jeglicher Religion. Von 1918 bis 1920 ließ sie sich in ihrer Vaterstadt München zur Schauspielerin ausbilden. Schon im Jahr 1920 nahm sie den Künstlernamen Therese Giehse an. In den nächsten fünf Jahren folgten Engagements an verschiedenen renommierten Bühnen in ganz Deutschland. Ihr Debüt gab Giehse im Jahr 1920 als Büßerin in dem Stück „Kausikas Zorn“ in München. Ihre Bemühungen, in den Jahren 1920 bis 1924 in Berlin eine Rolle zu finden, scheiterten; sie musste sich mit Saisonengagements arrangieren. In den Jahren 1924/25 spielte sie im damaligen Breslau (heute: Wroclaw/Polen) unter dem Intendanten Paul Barney (1884-1960). Von ihm wurde Giehse den Münchner Kammerspielen empfohlen; somit konnte sie 1925 nach München zurückkehren und bis 1933 unter dem Regisseur und Theaterdirektor Otto Falckenberg (1873-1947) an den Münchner Kammerspielen meist Rollen als ältere, herbe und unsympathische Frau spielen. Giehse war in politischen Stücken, aber auch in Possen und harmlosen Faschingsspäßen zu sehen. Bekannt wurde sie vor allem durch herbe Charakterrollen.

Zusammen mit den befreundeten Geschwistern Klaus und Erika Mann, den beiden ältesten Kindern von Thomas Mann, gründete sie am 1. Januar 1933 das literarische Kabarett „Die Pfeffermühle“. In diesem Kabarett stand die Satire gegen die Nazis im Vordergrund. Mit diesen Inhalten mussten die drei bereits wenige Wochen nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrieren. Als Jüdin lag für Therese Giehse die Emigration sowieso nahe. Bereits am 13. März 1933 flüchteten sie nach Zürich in das Gasthaus „Zum Hirschen“, wo sie in der Folgezeit über Monate ein volles Haus hatten.

Mit Erika Mann verband Giehse eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft. Nach der Zeit in Zürich flüchteten sie von 1934 bis 1936 über Belgien, die Niederlande, Luxemburg und Österreich bis in die Tschechoslowakei. Am 26. April 1936 erlebte die „Pfeffermühle“ ihre tausendste Vorstellung in Amsterdam. Anschließend zog die kleine Gruppe nach England. Dort heiratete Therese Giehse im gleichen Jahr den homosexuellen Schriftsteller John Hampson-Simpson. Auf diese Weise konnte sie die britische Staatsbürgerschaft erlangen und war so vor den Nationalsozialisten in Sicherheit.

In den 1940er Jahren zog es Giehse wieder nach Zürich. Dort spielte sie die Titelrolle in der Uraufführung von Bertolt Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder“. Dann folgen etliche weitere Brecht-Rollen, durch die Giehse zum Maßstab für weibliche Besetzungen in Brecht-Rollen wurde. Sie spielte außerdem in ihrem ersten Film „Menschen, die vorüberziehen“ unter der Regie von Max Haufler (1910-1965) mit.

Als der Krieg zu Ende war, kam Giehse zurück nach Deutschland. In Berlin und später in München nahm sie Angebote an den Kammerspielen wahr.

1949 spielte Giehse wieder auf der Bühne der Münchner Kammerspiele, aber auch bis 1952 in vier Gastspielrollen im Berliner Ensemble, welches nun im Ostteil der Stadt lag und in Zürich (bis 1966). In Berlin führte sie in Kleists „Der zerbrochene Krug“ (1952) selbst die Regie, in Zürich spielte sie die Claire Zachanassian in „Der Besuch der alten Dame“ (1956) und die Irrenärztin Mathilde von Zahnd in „Die Physiker“ (1962), beides Stücke von Friedrich Dürrenmatt (1921-1990). Die Rolle als Irrenärztin gehörte zu den Glanzleistungen von Therese Giehse. In den 1950er Jahren folgten noch weitere Stücke. Recht früh in ihrem Leben spielte sie vor allem ältere Frauen.

In den 1960er Jahren machte der Protest auch vor den Theatern nicht halt. Giehse radikalisierte sich selbst ein wenig in diesen Jahren: In der Zeit des Vietnamkriegs Ende der 1960er Jahre las sie öffentlich pazifistische Texte von Brecht und engagierte sich für die Abrüstung. Mit unterschiedlichen Brecht-Abenden ging sie dann Anfang 1974 auf Tournee durch die Bundesrepublik. Dabei las und sang sie Brecht-Texte mit musikalischer Begleitung.

In den 1970er Jahren schaffte sie es, ihren Bekanntheitsgrad zu vergrößern. Sie erhielt in Helmut Dietls „Münchner Geschichten“ eine der Hauptrollen. Diese Rolle brachte ihren Charakter sehr zur Geltung. Darin waren ihre Augen, die alles Niederträchtige zu durchschauen, aber alles Menschliche zu verzeihen schienen, wöchentlich auf den Fernsehschirmen zu sehen. Durch die Oma des Berufsjugendlichen und Hallodris Tscharlie Häusler, dargestellt vom blutjungen Günther Maria Halmer, kam die im Jahr 1933 in München und Bayern ausgetriebene Moderne nun wieder in Film und Theater nach München zurück. Die „Münchner Geschichten“ nahmen die Zeitenwende im Guten wie im Schlechten in den Fokus. Hier standen Themen wie der Zwiespalt zwischen Moderne und Tradition, die Veränderung der Stadt oder insbesondere des Stadtviertels Lehel sowie der Antisemitismus im Fokus.

In einer der letzten Folgen der „Münchner Geschichten“ musste Anna Häusler (Therese Giehse) in das damals noch neue Wohngebiet Neuperlach ziehen. Der Blick über die Trabantenstadt stürzte die Film-Oma in tiefe Depression. Therese Giehse überlebte ihre Rolle nicht einmal drei Jahre. Sie starb am 3. März 1975.

Neben dem Filmband in Silber im Jahr 1955 erhielt Giehse 1988 das Portrait auf einer Briefmarke der Dauermarken-Serie „Frauen der deutschen Geschichte“. Wenige Jahre nach ihrem Tod wurde eine Straße in Neuperlach nach Therese Giehse benannt; es war genau die Straße, die sie als Film-Oma in Neuperlach vom Fenster sehen konnte. Darüber hinaus tragen viele Straßen, Schulen, Plätze oder sogar ein Zug (Intercity 815 von Wismar nach München) ihren Namen.


Aus der Serie „Gesichter unseres Landes“ von der Hanns-Seidl-Stiftung

(Karin B. Schnebel)

Literatur

  • Werner Ebnet: Sie haben in München gelebt. Biografien aus acht Jahrhunderten. München 2016, S. 217..
  • Renate Schmidt: Therese Giehse. „Na, dann wollen wir den Herrschaften mal was bieten!“ Biografie. München 2008.
  • Helga Keiser-Hayne: Erika Mann und ihr politisches Kabarett „Die Pfeffermühle“ 1933 – 1937. Reinbek 1995.

GND: 118539140