geb. 02.08.1821,
Bechhofen
gest. 07.10.1894,
Bechhofen
Wirkungsort:
Bechhofen
Marx Schloss (alt. Schloß) stammte aus einer angesehenen jüdischen Familie, die 1681 aus Herrieden zuzog. Sein direkter Vorfahre Samuel Lipmann nahm 1813 den Nachnamen Schloss an. Bereits um 1840 begann er im Nebenberuf mit Pinseln zu handeln – einer lokalen Spezialität von Bechhofen – wobei er als erster Geschäftsmann in Bechhofen seine Aufträge an Heimarbeiter vergab. Marx übernahm 1847 das Anwesen mitsamt einem Textilgeschäft seiner Tante und gründete einen Spezereienhandel, wechselte jedoch 1872 endgültig in die Pinselfabrikation. Er war ein bedeutender Arbeitgeber und sozial engagiert. Aus seiner Ehe mit Mina Lemberger (1818-1897) ging Tochter Clara verh. Steindecker hervor, deren Söhne David Steindecker (1874-1944), Adolf (1877-1929) und Hugo (1879-1930) das Unternehmen weiterführten. Sie errichteten 1902-1904 eine Fabrik, die bereits Marx Schloss geplant hatte, und bauten die "Pinselfabrik Marx Schloss Bechhofen" zu einer Weltmarke aus. Das alte Fachwerkhaus, in dem alles begann, wurde in den 1980er Jahren abgerissen, aber ein Modell davon wird im Deutschen Pinsel- und Bürstenmuseum ausgestellt.
Mordechai bzw. Marx Schloss (in einigen Quellen und auf seinem Grabstein auch "Schloß") entstammte einer etablierten Familie, die wohl im Herbst 1681 aus Herrieden zugewandert war. Ein gewisser Lipmann Herrieden brachte einen Parochet (Toravorhang) mit und übergab ihn der Bechhofener Synagoge. Lipmann starb 1696, seine Frau Jentle bar Samson Herrieden bereits 1692. Beide sind auf dem Jüdischen Friedhof in Bechhofen bestattet. Der direkte Nachkomme Samuel Lipmann nahm bei Einführung des Bayerischen Judenedikts von 1813 den neuen Nachnamen "Schloss" an und bezeichnete sich bei Vergabe seiner Matrikel als "Schacherhändler". Später jedoch betrieb Samuel Schloss im Wohn- und Geschäftshaus Plan-Nr. 73 (entspricht heute Alter Schulplatz 3) einen Textilhandel, den er am 23. August 1825 für 200 Gulden Ablöse an seinen Sohn David Löw Schloss übergab. Das Geschäft firmierte weiterhin unter dem Namen "Samuel Schloss" und gehörte bis 1938 als fester Bestandteil zur Marktgeschichte. Löw Schloss war Stedlan (Sprecher) der jüdischen Gemeinde Bechhofen und Vater von Marx Schloss.
Über dessen Kindheit ist wenig bekannt, sie dürfte sich im Rahmen des üblichen bewegt haben: Besuch der Volksschule, gleichzeitiger Religionsunterricht an der Synagoge, um anschließend das Familiengeschäft zu erlernen. Mit 26 Jahren überschrieb ihm seine verwitwete Tante Kieferla Dittenheimer 1847 ihr vergleichsweise großes Haus Plan-Nr. 68/69 an der Hauptstraße (heute Dinkelsbühler Straße), damit Marx einen eigenen Haushalt gründen konnte. Im Keller des stattlichen Fachwerkanwesens befand sich auch eine eine Mikwe (Ritualbad). Marx Schloss richtete im Haus einen Spezereihandel ein und ehelichte Mina geb. Lemberger (1818-1897) und zeugte mit ihr Tochter Clara (1849-1923), die später den Kaufmann Salomon Steindecker (1843-1885) heiratete und drei Söhne zur Welt brachte.
Im Jahr 1872 gab Marx Schloss den Spezereihandel in seinem Hause auf, nachdem er bereits den von seiner Tante ererbten Handel mit Schnittwaren vorher abgegeben hatte. Zu dieser Zeit hatte in Bechhofen ein neues Gewerbe seinen Aufschwung genommen: Die Herstellung von Pinseln, damals ein durchaus aufwendiges semi-maschinelles Handwerk. Als Begründer des deutschen Feinhaarpinselhandwerks gilt Johann Caspar Bühler, der sich um 1790 in das Kirchenbuch von Königshofen, heute einem Ortsteil vom Markt Bechhofen, als Schreinermeister und Pinselmacher eintrug. Bereits ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Feinhaarpinsel aus Bechhofen direkt auf dem Weltmarkt angeboten. Marx Schloß hat wohl zunächst im Nebenberuf um 1840 mit der Pinselherstellung begonnen, wobei er als erster Geschäftsmann in Bechhofen seine Aufträge an Heimarbeiter vergab.
1872 wechselte er in den direkten Vertrieb und gründete die "Pinselfabrik Marx Schloss". In den Räumen, die früher für den Verkauf bestimmt waren, wurden nun von etwa 18 festangestellten Pinselmachern seine Produkte hergestellt. Marx Schloss gehörte damit zu den größten privaten Arbeitgebern im Ort, galt dabei als hilfsbereit und sozial engagiert. In der jüdischen Kultusgemeinde war er viele Jahre lang ehrenamtlicher Gemeindevorsteher und Vorstand der Chevra Kaddischa (Wohltätigkeits- und Beerdigungsverein). Die stetig wachsenden Verkaufszahlen ermutigten Marx Schloss zur Planung einer regelrechten Fabrikationsanlage. In dieser Phase verstarb er jedoch am 07. Oktober 1894 im Alter von 73 Jahren. Seine Pinselfabrik hinterließ er seiner Tochter Clara verh. Steindecker und den Enkelkindern David (1874-1944), Adolf (1877-1929) und Hugo Steindecker (1879-1930), die er noch zu Lebzeiten intensiv auf das Geschäftsleben vorbereitet hatte. Die Familie errichtete 1902-1904 an der Bahnhofstraße die bereits geplante Fabrikationsstätte (heute Ansbacher Straße) und baute ihre "Pinselfabrik Marx Schloss Bechhofen" zu einer renommierten Weltmarke auf. Ein Zweitbetrieb mit 33 Mitarbeitern öffnete in Wieseth.
In der NS-Diktatur wurde das Unternehmen 1938 "arisiert" und von Johann Führ übernommen. Das Fabrikgebäude steht bis heute und wurde von der Nachfolgerfirma Führ & Sterkel GmbH restauriert. Die Keimzelle des Unternehmens, also das alte Fachwerkbau an der Dinkelsbühler Straße, hieß im Volksmund bis zuletzt "Judenhaus" und wurde – trotz seiner historischen Bedeutung – in den 1980er Jahren niedergerissen. Ein detailgetreues Modell im Maßstab 1:25 wurde 2007 im Therapiezentrum Schloss Cronheim nachgebaut und wird im Deutschen Pinsel- und Bürstenmuseum ausgestellt.
(Patrick Charell nach Herbert und Claudia Dommel)
Literatur
- Herbert und Claudia Dommel / Heinz Meyer: Mit meinem Herzen blieb ich in Bechhofen und in Gedanken unter Euch. Eine Biographie über Amson Schloss, jüdischer Textilwarenhändler in Bechhofen mit geschichtlichen Nachweisen. Bad Schussenried 2016.
- Herbert Dommel: Vom Händler zum Pinselfabrikanten. Die Familien Schloß & Steindecker. Jüdische Arbeitgeber in Bechhofen - ein biografischer Versuch mit geschichtlichen Nachweisen. Unterschwaningen 2008 (= Kleine Schriftenreihe Region Hesselberg 5).
Weiterführende Links
Quellen
GND: nicht verfügbar