Als Hoffaktor sorgte Jakob für den Import von Luxuswaren nach Würzburg und später München, belieferte das bayerische Heer und unterstützte den Staat mit Krediten, als dieser durch die Napoleonischen Kriege in finanzielle Nöte geriet. 1815 erwarb Jakob Hirsch das Schlossgut Gereuth (Lkr. Haßberge, Unterfranken) mitsamt der Grundherrschaft. Auf dieser feudalen Basis, und aufgrund seiner Verdienste wurde Jakob Hirsch im Jahr 1818 als erster Jude in Bayern in den erblichen Adelstand erhoben. In München gründete er das Bankhaus Hirsch, in Planegg eine Schlossbrauerei. Zusammen mit seiner Ehefrau Johanna Öttinger hatte er elf Söhne und sieben Töchter. Der Gereuther Zweig der Freiherren von Hirsch starb 1896 im männlicher Linie aus, ein Planegger Zweig existiert weiterhin.
Die Familie Hirsch stammte aus dem unterfränkischen (Gau-)Königshofen bei Ochsenfurt, in dem es eine kleine, zur Würzburger Landjudenschaft gehörende Gemeinde gab. Der Viehhändler und fürstbischöfliche Schutzjude Moses Hirsch (um 1740–1810) wird dort 1761 das erste Mal quellenkundig. 1803 erwarb Moses Hirsch als erster Jude seit 1642 das Niederlassungsrecht für Würzburg und etablierte sich dort mit seiner Familie, um unter anderem am Aufbau einer neuen jüdischen Gemeinde in der Bischofsstadt mitzuwirken. Mit dem Erwerb von Landbesitz in Würzburg und Unterfranken legte er den Grundstein für Ansehen und Wohlstand der Familie. Jakob Hirsch war Moses' Sohn und kam in Gaukönigshofen zur Welt. Er bekam eine zu dieser zeit übliche, traditionelle religiöse Erziehung durch einen Melamed und erlernte von seinem Vater das Handelsgeschäft. Spätestens ab 1788 besaß Jakob Hirsch einen eigenen Schutzbrief des Hochstifts Würzburg. Ab 1800 war Hirsch als Bankier in Ansbach tätig und wurde 1806 zum Großherzoglich-Würzburgischen Hofbankier ernannt. Dieses kurzlebige Fürstentum fiel 1814 endgültig an Bayern und ging im Untermainkreis, dem heutigen Unterfranken auf.
Bereits im Jahr 1806 hatte er als besonderes Privileg die Freizügigkeit für das gesamte Königreich Bayern erhalten - ein Recht, das den bayerischen Juden erst 1861 allgemein zuerkannt wurde. 1812 gewährte ihm die Krone die "Besitzfähigkeit für Realitäten". Aus der Säkularisationsmasse des 1803 aufgelösten Würzburger Hochstifts hatte Jakob von Hirsch umfangreichen Grundbesitz erworben und etablierte sich nun als Lieferant des bayerischen Heeres. 1805/6 und 1817 unterstützte er den kriegsgebeutelten Staat mit Kreditanleihen, außerdem wurde er Hausfaktor des fränkischen Adels und übernahm im Falle einer Zahlungsunfähigkeit weiteren umfangreichen Grundbesitz.
Im Jahr 1815 übernahm Jakob Hirsch vom hoch verschuldeten Philipp Carl Anton Ignatius von Greiffenclau-Vollraths das Schloss Gereuth (Lkr. Haßberge, Unterfranken). Dessen Vorfahre Karl Phillip (reg. 1749-1754) hatte als Fürstbischof von Würzburg das ehemals reichsunmittelbare Rittergut als Machtdemonstration gegenüber dem nahen Bistum Bamberg im französischen Stil prunkvoll ausgebaut. Dieser Besitz diente als Grundlage für die Entscheidung der bayerischen Krone, eine entsprechende Eingabe von Jakob Hirsch im Jahr 1818 zu akzeptieren: Als erstem Juden überhaupt einen Adelstitel zu verleihen, der noch dazu erblich war, Jakob konnte sich nun "von Hirsch auf Gereuth" nennen, was viele Türen in die höhere und hohe Gesellschaft öffnete. Mit der Bestätigung seiner Patrimonialgerichtsbarkeit in Gereuth war Jakob von Hirsch ab 1819 ein vollwertiger bayerischer Freiherr. Der Titel ist identisch mit dem französischen "Baron", den seine Nachkommen bevorzugt führen.
1821 übersiedelte Jakob von Hirsch mit seinem jüngeren Sohn Josef (1810-1885) nach München, wo er 1824 das Patent eines Königlich Bayerischen Hofbankiers erhielt und das Bankhaus Hirsch eröffnete. Sein älterer Sohn Julius von Hirsch (1789-1876) blieb in Würzburg und vertrat dort als Bankier die Interessen der Familie. Dadurch spaltete sich die Familie in zwei Linien auf: Die Hirsch auf Gereuth und die Hirsch auf Planegg, aus denen die Münchner Linie hervorgegangen ist. Sie besteht bis heute.
Ende 1824 erwarb Jakob von Hirsch zusätzlich zum Patrimonialgericht Gereuth das Rittergut Planegg südwestlich von München und richtete dort 1836 eine Schlossbrauerei nach dem damals modernsten technischen Standard ein. Zwischenzeitlich war er auch Besitzer der Höhenburg Runding (Lkr. Cham). In Haidhausen, damals noch ein Dorf außerhalb Münchens, errichtete Freiherr von Hirsch das erste der großen Mietskasernen, die das Milieu des späteren Arbeiterviertels lange geprägt haben.
Jakob von Hirsch starb am Heiligen Abend in München und hinterließ 73.400 Gulden für interkonfessionelle, gemeinnützige Stiftungen in München, Planegg und Würzburg. Er bedachte zusätzlich den Münchner Rabbiner und die Münchner Kultusgemeinde, sowie christliche Armenhäuser.
Das Bankhaus Hirsch am Promenadenplatz bestand bis 1885, heute nutzt ein anderes Unternehmen die repräsentativen Räumlichkeiten. Die profitable Brauerei in Planegg wurde 1933 durch die Pschorrbräu AG übernommen und 1934 liquidiert. Im Novemberpogrom 1938 steckten SA-Leute das Schloss in Brand. Heute wird es von der Bibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München als Außenmagazin genutzt. Der ursprünglich in Planegg gebraute "Hubertusbock", vielleicht inspiriert vom sprechenden Wappen der Familie Hirsch, ist aber noch immer während der Starkbierzeit im Sortiment der Paulaner Brauerei erhältlich.
(Patrick Charell)
Bilder
Literatur
- Lilian Harlander: "…so ein vollkommenes Bräuhaus der Vollendung nahe". Die Familie von Hirsch und ihre Schlossbrauerei in Planegg bei München. In: Lilian Harlander / Bernhard Purin (Hg.): AK Bier ist der Wein dieses Landes. Jüdische Braugeschichten. München 2016, S. 71-93.
- Werner Ebnet: Sie haben in München gelebt. Biografien aus acht Jahrhunderten. München 2016, S. 278.
- Ursula Gehring-Münzel: Die Würzburger Juden von 1803 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. In: Ulrich Wagner (Hg.): Geschichte der Stadt Würzburg, Bd. III/1–2: Vom Übergang an Bayern bis zum 21. Jahrhundert. Würzburg 2007.
- Birgit Eckelt: Biergeschichte(n). Bayerns fünftes Element. Rosenheim 1999, S. 79.
- Erika Bosl: Die Familie von Hirsch-Gereuth im 18. und 19. Jahrhundert, Bankiers. In: Haus der Bayerischen Geschichte (Hg.) / Manfred Treml / Wolf Weigand: Geschichte und Kultur der Juden in Bayern, Bd. 2: Lebensläufe. München 1988 (= Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 18), S. 63-70.
- Stiftung Deutsches Adelsarchiv (Hg.): Genealogisches Handbuch des Adels, Adelslexikon V (Bd. 84 Gesamtreihe), Limburg an der Lahn 1984, S. 232.
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