Biografien
Menschen aus Bayern

Ignaz Bing Fabrikant von Metall- und Spielwaren

geboren: 29.01.1840, Memmelsdorf (Untermerzbach)
gestorben: 25.03.1918, Nürnberg

Wirkungsort: Nürnberg

Ignaz Bing betrieb mit seinem Bruder und Juniorpartner Adolf Bing in Nürnberg zunächst einen erfolgreichen Großhandel für Kurzwaren und Haushaltsartikel. Ab 1879 produzierten sie in einer eigenen Metallwarenfabrik. Aus ihr entwickelten sich bis 1914 die Bing-Werke AG mit einem globalem Absatzmarkt, nach eigenen Angaben die "größte Spielwarenfabrik der Welt". Die Unternehmensgruppe produzierte Haushaltswaren, mechanisches Blechspielzeug und zuletzt auch Badezubehör. Nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 mussten die Firma in Konkurs gehen. Vor allem die Miniatureisenbahnen der Bing-Werke sind heute international gefragte Sammlerstücke.

Am 29. Januar 1840 wurde Ignaz ben Salomon Bernhard Bing als zweiter Sohn des jüdischen Färbermeisters Salomon Bing in Memmelsdorf (Untermerzbach) geboren. Die Familie Bing stammte wahrscheinlich aus Bingen und kam über Frankfurt am Main nach Franken. Bereits mit sieben Jahren verlor Ignaz seine Mutter Babette geb. Tuchmann, die aus Ühlfeld stammte. Der Vater heiratete erneut und zog nach Gunzenhausen, wo er auf den wesentlich einträglicheren Hopfenhandel umsattelte. Ignaz Bing besuchte die Israelitische Volksschule in Gunzenhausen, über seine persönliche Einstellung zur Religion ist jedoch nichts bekannt. Mit 14 Jahren kam er nach Ansbach in ein kaufmännisches Lehrinstitut, das eine theoretische und praktische Ausbildung anbot. Bereits nach nur einem Jahr verließ Ignaz Bing die Schule als gelernter "Commis" (Handlungsgehilfe). Er vertiefte seine Kenntnisse als Volontär bei der Galanteriewaren-Firma "Mercerie" in Fürth und danach bei ähnlichen Geschäften in Aschaffenburg, Wallerstein und nochmals in Fürth. Mit 24 Jahren ließ sich Ignaz Bing 1863 aus dem Hopfengeschäft seines Vaters auszahlen und gründete mit seinem jüngeren Bruder Adolf (1842-1915) ein Engros-Geschäft für Garn- Band- und Kurzwaren. Um sich als eigenständiger, angesehener Bürger der Stadt zu etablieren, wurde er noch im selben Jahr Mitglied im honorigen Gunzenhausener Gesangsverein "Liederkranz". Als er jedoch auch eine Mitgliedschaft in der ungleich elitäreren "Casinogesellschaft" beantragte, wurde ihm die Aufnahme verweigert – "weil Jude". Ignaz Bing vermutete wohl zu Recht, dass die Ablehnung auf den Einfluss des Landrichters Hermann Richter beruhte, einem Enkel des bekannten Schriftstellers Jean Paul Richter. Sei es wegen dieser Ablehnung, die de facto einer Abfuhr der kleinstädtischen Bourgeoisie gleichkam, oder weil er sich bessere geschäftliche Möglichkeiten erhoffte: Im Jahr 1865 gab Ignaz Bing seine Handlung in Gunzenhausen auf und zog mit seinem Bruder nach Nürnberg.

In Nürnberg, nach einer Zeit des Niedergangs erneut Bayerns größter Handelsplatz und ein Zentrum der keimenden Industrialisierung, mieteten die Brüder Bing 1865 einen kleinen Laden in der Karolinenstraße. Ein entfernter Vetter lebte mit seiner Familie ebenfalls in der Stadt, Hopfengroßhändler Berthold Bing (1847-1915). Engerer Kontakt kam zwischen den beiden Familienzweigen jedoch nicht zustande. Die Brüder Bing gründeten ein Engrosgeschäft für Metall- und Galanteriewaren, das sich vor allem durch die Einquartierung preußischer Soldaten im Deutschen Bruderkrieg von 1866 gut entwickelte. Bereits drei Jahre später konnte sich die Firma Bing vergrößern und spezialisierte sich auf Metallwaren.

Das nötige Kapital brachte Adolf Bing durch seine Heirat in die Firma. Eine allgemeine Wirtschaftskrise nach 1873 ("Gründercrash") konnten die Bings durch die große Nachfrage nach den neuen gesamtdeutschen Gewichten und Hohlmaßen auffangen (die u.a. das Bayerische Maß von 1,069l auf 1l reduzierten). 1875 kam es zum Geschäftsabschluss mit der großen Neufeld'schen Fabrik bei Kassel, die den Brüdern Bing ein Monopol für den Zwischenhandel in Bayern einräumte. Der außergewöhnliche Geschäftssinn und das Charisma von Ignaz Bing zeigte sich auch, als er den Alleinvertrieb einer günstigen, von Nürnberger Heimarbeitern produzierten Petroleumlampe übernahm. Auf der Bayerischen Landesausstellung 1882 erhielt die Firma Bing für ihre Produkte die Goldene Staatsmedaille. Als Mitglied des Verwaltungsrates des Nürnberger Gewerbemuseums war Ignaz Bing auch an den Vorbereitungen beteiligt. Weil die Firma Neufeld 1879 den Liefervertrag mit den Bings gekündigt hatte und die traditionelle Nürnberger Heimmanufaktur den gestiegenen Bedarf nicht decken konnte, stellten die Brüder ihr Sortiment zunehmend selbst her. Deshalb errichteten sie in der Scheurlstraße am südwestlichen Stadtrand die "Nürnberger Metallwarenfabrik Bing", eine nach heutigen Maßstäben kleine Fabrikation zur Herstellung von Küchengeräten, Blechspielwaren (Nürnberg ist seit dem ausgehenden Mittelalter als Spielwarenstadt bekannt) sowie anderen Blech- und Lackierwaren. Entscheidend für diesen wichtigen unternehmerischen Schritt war Ignaz Bing, während sein Bruder Adolf das Risiko scheute und als bloßer Teilhaber bis zu seinem Tod 1915 fast völlig in den Hintergrund trat.

Bald darauf entstanden weitere Werke in der Blumenstraße und in Gleishammer, im sächsischen Grünhain wurde eine Fabrik für Emaille-Spielwaren errichtet. Daneben hielt Ignaz Bing aber weiterhin den Kontakt zu alteingesessenen Spielwarenherstellern in Nürnberg-Fürth aufrecht, die durch ihre in Generationen erworbene Expertise unverzichtbar blieben.

Der Kundenkreis hatte sich weit über den süddeutschen Raum hinaus ausgeweitet. Sogenannte "Bing-Kaufleute" in den norddeutschen Hafenstädten wurde das Warenangebot international vertrieben. Der besondere Erfolg dieser Agenten beruhte auf einer individuellen Eigenverantwortung und einer sorgfältigen Schulung im Kundenkontakt. Ignaz Bing führte illustrierte Kataloge ein, die auf Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch gedruckt wurden. Seine Massengüter fanden in Europa reißenden Absatz, in Süd- und Mittelamerika, in den Gebieten des britischen Weltreichs und in den USA. Auf den großen Weltausstellung in Chicago 1892 und Paris 1900 gewann die Firma Bing einen Weltruf. Im Bereich Spielwaren wurde das Sortiment auf hochwertige und entsprechend teure Produkte reduziert. So trug Ignaz Bing einen guten Teil dazu bei, dass das alte Sprichwort: "Nürnberger Tand geht in alle Land" neu belebt wurde. In den letzten Vorkriegsjahren erweiterte Ignaz Bing noch einmal das Angebot und nahm nun auch Badeöfen und Badeartikel in das Sortiment auf. In vielen Großstädten ließ er Musterzimmer einrichten, in denen das Sortiment des Unternehmens in einer "natürlichen" Umgebung präsentiert wurden. Er führte damit eine neuartige Verkaufsstrategie in Deutschland ein, die heute zum Standard aller Möbel- und Einrichtungshäuser gehört. Als Anerkennung für seinen Erfolg erhielt Ignaz Bing 1891 zum 25jährigen Geschäftsjubiläum die Silberne Bürgermedaille der Stadt Nürnberg und die königliche Ernennung zum Geheimen Kommerzienrat.

Die Haltung von Ignaz Bing zur deutschen Arbeiterfrage, um 1910

Herausgetrennte Seite aus den Lebenserinnerungen von Ignaz Bing, die erst nachträglich wieder aufgefunden wurde und deswegen in der Edition von 2004 fehlt.

Quelle: Jürgen Cieslik, Jülich (Blechspielzeug-Lexikon).


"Mein soziales Bekenntnis ist, kurz zusammengefasst, folgendes: Ich bin der Meinung, dass jeder gute Mensch sozial empfinden müsse, das heißt, er muss sich darüber klar sein, dass, trotzdem im Laufe der Jahre ungemein Wichtiges und Bedeutendes durch die soziale Gesetzgebung geschaffen wurde, es damit noch nicht am Ende sein kann. Ich halte heute die Anforderungen der Arbeiter nach besseren Lebensbedingungen, ob solche nach der einen oder der anderen Richtung laufen, für berechtigt; der Arbeiterstand hat sich im Laufe der Jahre auf eine höhere Stufe gestellt, und man findet unter demselben nicht wenig Eltern, die von der Sehnsucht erfüllt sind, ihren Kindern eine bessere Erziehung und damit auch eine bessere Zukunft zu sichern. - Sind auch die Arbeitslöhne, wie sie zur Zeit bezahlt werden, für den jungen und unverheirateten Arbeiter mehr als genügend, so liegen doch die Verhältnisse weniger günstig, wo es sich um Familien handelt, bei welchen die Wohnungsverhältnisse, die Erziehung und Bedürfnisse der Kinder usw. mitsprechen. Eine gewisse soziale Not liegt aber immer noch in der Arbeiterschaft, und das, was im Laufe der Jahre für Besserung geschehen ist, war eine unabweisbare Pflicht der Arbeitgeber, die nur das gutmachen sollte, was in früheren Jahren bei weniger sozialem Empfinden gesündigt wurde. Auf Ordnung und Disziplin schauen, andererseits jedoch die Arbeiterschaft mit echtem, nicht mit diplomatischem Wohlwollen behandeln und auch darauf sehen, dass die Beamten und Vorgesetzten in den Fabriken von den gleichen Gefühlen erfüllt sind. Wenn auch damit nicht alle Differenzen ausgeglichen und alle Dinge beseitigt werden, über die auch der Arbeitgeber mit Recht sich beklagt, wo wird doch ein echter Zug des

Wohlwollens, der durch die Geschäftsführung geht, immerhin dazu beitragen, dass eine gewisse Anzahl zuverlässiger und dem Unternehmen freundlich gesinnter Arbeiter sich heranbildet [...]".

Eine besondere Beziehung zu Streitberg entwickelte Ignaz Bing zum Luftkurort Streitberg (damals "Bad Streitberg") im Wiesenttal, den er mit seiner Familie vermutlich in den 1860er Jahren das erste Mal besuchte, nachdem dort Marx Oppenheimer (1807-1870) eine „Israelitische Restauration“ eröffnet hatte. Bing kehrte immer wieder in die Fränkische Schweiz zurück. Kurz vor der Jahrhundertwende erwarb er ein Anwesen am Rand des Streitberger Dorfplatzes und ließ das Gebäude, das er nach seiner jüngsten Tochter "Villa Marie" nannte, zur historistischen (Spielzeug-)Burg ausbauen. Von 1899 bis 1918 hatte er in Streitberg seinen zweiten Wohnsitz. Die Villa befindet sich zwischen dem ehemaligen Posthotel und dem historischen Gasthof "Schwarzer Adler" am Ende einer kleinen Gasse. Zu seinem Anwesen ließ er eine Wasserleitung legen und als Gegenleistung für die Wasserentnahme im Ort im Jahr 1900 einen Brunnen errichten. 1903 wurde Ignaz Bing zum Ehrenbürger der Gemeinde Streitberg ernannt. 1904 spendete er den "Prinz-Rupprecht-Pavillon" in Streitberg auf Grund eines Besuches des Prinzen in Ebermannstadt und Streitberg 1901. Auf der Suche nach prähistorischen Artefakten entdeckte er 1905 eine Tropfsteinhöhle. Er kaufte das Grundstück am Höhleneingang, ließ die Höhle erforschen und auf eigene Kosten touristisch erschließen. In der NS-Zeit ging 1935 die „Binghöhle“ in den Besitz der Kommune Streitberg über und wurde in "Streitberger Höhle" umbenannt. 1945 wurde die Höhle in Binghöhle rückbenannt. Heute erinnert am Eingang eine Hinweis- und Erinnerungstafel an Ignaz Bing.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges im August 1914 stürzten die exportorientierte Bing-Werke in eine tiefe Krise: Absatzmärkte im Ausland brachen weg, Rohstoffmangel und Energieknappheit behinderten die Produktion. Bing stellte notgedrungen auf Kriegswirtschaft um, produzierte nun Helme, Tornister und Trinkflaschen für das deutsche Heer, aber auch Wurfgranaten und Zünder für Geschützmunition. Dadurch schrieb die Unternehmensgruppe wieder schwarze Zahlen, es waren sogar beträchtliche Betriebsvergrößerungen notwendig. Die Zahl der angestellten Arbeiter stieg von 4000 auf rund 6000. Weitsichtig begann sich Ignaz Bing beriets in den letzten beiden Kriegsjahren auf die Friedensproduktion einzustellen. So erwarb er zum Beispiel eine Puppenfabrik und gründete eine Handelsgesellschaft für Holzspielzeug und Weihnachtsartikel aus dem Erzgebirge, das schon damals auch im Ausland sehr Beliebtheit war. Von langer Krankheit gezeichnet starb Ignaz Bing am 25. März 1918 im Alter von 78 Jahren. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung, der Geschäftswelt und der Belegschaft wurde er in Nürnberg auf dem Neuen Israelitischen Friedhof zu Grabe getragen.

Ignaz Bings Sohn Stephan führte das Unternehmen weiter, besaß aber nicht die Weitsicht seines Vaters. Durch den Erwerb weiterer Firmen und Untermarken entwickelte sich die Aktiengesellschaft zu einem nur schwer überschaubaren Konzern, der 1923 mehr als 16.000 Menschen beschäftigte. Ganz offen wurden Entwürfe von Käthe Kruse unter der Bezeichnung "Imitation der Käthe-Kruse-Puppen" verkauft. Diese klagte und gewann im Jahr 1925 den Prozess. Mit der großen Weltwirtschaftslage 1929 geriet der Bing-Konzern in eine wirtschaftliche Schieflage. 1932 musste Stephan Bing Konkurs anmelden, in einem Zwangsvergleich begann der Ausverkauf des Unternehmens. Wegen der zunehmenden Repressionen durch die Nationalsozialisten emigrierte er mit seiner Familie nach Großbritannien. Auf dem ehemaligen Firmengelände in Nürnberg befindet sich heute die Hauptverwaltung der Unternehmensgruppe Diehl. Vor allem die Bing-Spielwaren sind aufgrund ihrer hohen Qualität international gefragte Sammlerstücke. Puppenküchen, Eisenbahnen und mechanisches Blechspielzeug der Bing-Werke werden im Spielzeugmuseum Nürnberg und seit 2011 auch im Bing-Museum (Historisches Spielzeugmuseum Freinsheim) gezeigt. Die Binghöhle in Streitberg kann in den Sommermonaten besichtigt werden.


(Patrick Charell)

Literatur

  • Werner Mühlhäuser: Vom Hopfenhändler zum Spielwarenfabrikaten. Die Familie Bing aus Gunzenhausen. In: Europäische Janusz Korczak Akademie (Hg.): Mit Davidstern und Lederhose. Jüdische G'schichtn on Tour. S.L. 2021.
  • Ignaz Bing: Aus meinem Leben. Erinnerungen eines Nürnberger Unternehmers und Höhlenforschers 1840-1918. Hg. v. Jürgen Cieslik. Jülich 2004.
  • Leonhard Dingwerth (Hg.): Lexikon historisches Blechspielzeug. Von Beginn bis 1945. Teil 1: Nürnberger Hersteller, Bd. Band 1,1,C (Bing 1894 – 1912); Band 1,1,D (Bing 1913-1932). Delbrück 2003.
  • Toni Eckert: Ignaz Bing. In: Jüdisches Leben in der Fränkischen Schweiz. Erlangen / Jena 1997 (= Schriftenreihe des Fränkische Schweiz Vereins 11), S. 738–747.
  • Toni Eckert: Ignaz Bing. Sein Leben in Streitberg. Forchheim 1995.
  • Rudolf Endres: Familie Bing. Fabrikanten in Nürnberg. In: Haus der Bayerischen Geschichte /Manfred Treml (Hg.): Geschichte und Kultur der Juden in Bayern, Bd. 2: Lebensläufe. München 1988 (= Veröffentlichungen zur bayerischen Geschichte und Kultur 18/2), S. 173-177.
  • Katalog der Bing-Werke AG (Modelleisenbahnen, mechanisches und technisches Spielzeug), individualisiertes Titelblatt für das Kaufhaus "Hermann Tietz" in München. Gedruckt bei W. Tümmels, Nürnberg 1930.
  • Gebrüder Bing AG Nürnberg: Spezial-Preisliste über mechanische, optische und elektrische Lehrmittel und Spielwaren. Nürnberg 1902-1912 (BSB 4 Bavar. 3110 u).
  • S.N.: Bing-Höhle Streitberg. Entdeckt u. erschlossen im Jahre 1905 von Ignaz Bing, Nürnberg. [Nürnberg 1905?].

GND: 119320282