Biografien
Menschen aus Bayern

Friedrich Adler Kunsthandwerker und Architekt

geboren: 29.04.1878, Laupheim
gestorben: 08.05.1942, Auschwitz

Wirkungsort: München | Darmstadt | Hamburg

Friedrich Adler war ein äußerst produktiver, vielfach talentierter Künstler. Er arbeitete als Architekt, Designer, Möbelgestalter und Keramiker. Einflüsse des Jugendstils, Neoklassizismus und Art déco prägten sein Schaffen. Erste Erfolge hatte er durch seine Entwürfe für Metallarbeiten und Textildruck-Verfahren. Ab der Zeit um 1930 gehörte er zu den ersten Kunststoff- und Industriedesignern. Sein außerordentlich vielfältiges Werk umfasst Entwurfstätigkeiten für Architektur (jüdische Sakralbauten), Bildhauerei (Bauornamentik, Grabmäler), Glasfenster, Innenarchitektur, Möbel, Metall- und Kunststoffarbeiten (Haushaltsgegenstände, Schmuck, Sakralkunst), Keramik, Textilien (Knüpf- und Stickmuster, Textildruck), Arbeiten in Holz, Elfenbein und Serpentin und Überfanggläser. Er lieferte Entwürfe für über 50 kunstgewerbliche Betriebe. Von 1907 bis zu seiner Zwangsentlassung 1933 lehrte er an der Staatlichen Kunstgewerbeschule in Hamburg, wo er ein außerordentlich beliebter Pädagoge war. Einem Teil seiner Familie gelang die Flucht vor den Nationalsozialisten ins Ausland; Friedrich Adler sowie einer seiner Söhne wurden 1942 in Ausschwitz ermordet. 

Friedrich Adler war der jüngste Sohn des Konditormeisters und Lebensmittelhändlers Isidor Adler (1828-1916) und dessen zweiter Frau Karoline Frieda, geborene Sommer (1841-1921). Er wuchs mit vier Geschwistern im Laupheim (Baden-Württemberg)auf. Der Vater bemerkte schon früh die künstlerische Begabung Friedrichs und förderte ihn nach Kräften. Adler studierte von 1894 bis 1898 an der Kunstgewerbeschule (ab 1928 Landeskunstschule) in München. Mit einem seiner Studienkollegen, dem späteren Maler und Designer Paul Bürck (1878 -1947), verband ihn seitdem eine enge Freundschaft. Nach dem Abschluss war Adler bis 1902 Mitglied der Darmstädter Künstlerkolonie und arbeitete als freischaffender Künstler. Seine Entwürfe verkaufte er unter anderem an die Metallwarenfabrik für Kleinkunst "Osiris" von Walter Scherf und die Kunstgewerbliche Metallwarenfabrik "Orion" von Georg Friedrich Schmitt, die beide ihren Standort in Nürnberg hatten, sowie an die Silberwarenfabrik P. Bruckmann & Söhne in Heilbronn. 1902 absolvierte er ein weiteres Studienjahr an den neugegründeten Lehr- und Versuchsateliers für angewandte und freie Kunst (Debschitz-Schule) bei Hermann Obrist und Wilhelm von Debschitz. 

Ab 1903 arbeitete Adler an der Debschitz-Schule in München als Lehrer und leitete dort die Werkstatt für Stukkatur- und Architekturplastik. Nachdem er 1907 eine Anstellung an der Staatlichen Kunstgewerbeschule in Hamburg erhalten hatte, heiratete er in Laupheim die Textilkünstlerin Bertha Haymann. Der Ehe entstammten fünf Kinder. In Hamburg unterrichtete Adler bis zu seiner Zwangspensionierung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933. Parallel dazu leitete er in den Sommermonaten von 1910 bis 1913 vier Meisterkurse am Bayerischen Gewerbemuseum in Nürnberg. In der Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Köln 1914 präsentierte er einen Synagogenbau und sakrale Kultgeräte, wofür man ihm große Anerkennung zollte. In der Zeit des Ersten Weltkriegs leistete Adler ab 1914 Dienst als Unteroffizier. 1918 starb seine Frau Berta an der Spanischen Grippe und er musste die gemeinsamen Kinder in der schwierigen Nachkriegszeit allein versorgen.

1920 ging Friedrich Adler mit der Textilkünstlerin Frieda Erika Fabisch die Ehe ein. Sie hatte bei ihm studiert und arbeitete künftig mit ihm zusammen. Mit ihr, die auch für seine Kinder aus erster Ehe sorgte, bekam er zwei weitere Kinder. Adler entwarf zahlreiche Gebrauchsgegenstände wie Möbel, Textilien, Keramik, Glas, Silber, Geschirr und Schmuck, gestaltete aber auch jüdisches Kultgerät. Für den jüdischen Unternehmer Konrad Goldmann, der 1919 das landwirtschaftliche Gut Markenhof in Kirchzarten im Schwarzwald erworben hatte, um hier einen ersten Kibbuz deutscher Juden einzurichten, lieferte Adler den Entwurf für eine kleine Synagoge. Zur Inneneinrichtung steuerte er u.a. Entwürfe für farbenfrohe Glasfenster bei, die die zwölf Stämme Israels symbolisieren. Die Herstellung der Fenster übernahm der Glasmaler Eduard Stritt. Obwohl Goldmann den Markenhof 1925 an das Evangelische Stift Freiburg verkaufen musste, erlaubten ihm die neuen Besitzer 1931 den Ausbau der Synagogenfenster. Er übergab sie an Meir Dizengoff, den 1. Bürgermeister von Tel Aviv, der sie dann an das von ihm 1932 gegründete Tel Aviv Museum of Art mit Sitz in der späteren Independence Hall übergab.

Im Hamburger Curiohaus an der Rothenbaumchaussee organisierte Adler zusammen mit seiner Frau Frieda und vielen Freunden zahlreiche Künstlerfeste, die aufgrund ihrer aufwendigen künstlerischen Ausgestaltung Berühmtheit erlangten. Im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an der Staatlichen Kunstgewerbeschule wurde er 1927 zum Professor ernannt. Daneben bemühte er sich seit Mitte der 1920er Jahre intensiv um die Neubelebung des Batik-Druckverfahrens und reichte dazu Patente für Hand- und Maschinendruck ein. 1926 gründete er seine Firma "Ateha", die Adler-Textildruck­gesellschaft, Hamburg. Schon bald ergab sich in diesem Rahmen die Zusammenarbeit mit vielen deutschen und englischen Textilfirmen und die Ateha-Stoffe wurden auf den größten deutschen Kunstgewerbe-Ausstellungen präsentiert. Ab 1929/30 arbeitete Adler auch als Industriedesigner und entwarf zahlreiche Haushaltswaren u. a. für die Bebrit-Werke in Bebra. Als einer der ersten nutzte er dafür Kunststoffe (Phenol- und Harnstoffharze). 

Nach seiner Entlassung bzw. Zwangspensionierung durch die Nationalsozialisten 1933 war Adler gezwungen, sich seinen Unterhalt durch private Tätigkeit zu verdienen. Von 1934 bis 1941 engagierte er sich im Jüdischen Kulturbund als privater Kunstgewerbelehrer. Daneben hielt er Vorträge, organisierte Ausstellungen und schrieb kunsttheoretische Aufsätze. Adlers ältere Kinder waren zum Teil bereits während der Weimarer Republik in die USA ausgewandert. Frieda Adler emigrierte 1934 mit zwei Töchtern nach Zypern. 1935 beging Jakob Adler, Friedrichs ältester Bruder, der als Kaufmann in Laupheim gearbeitet hatte, Selbstmord.

Friedrich Adler bereiste 1936 Palästina und konnte im Kunstmuseum in Tel Aviv noch einmal seine Markenhof-Fenster besichtigen (Kopien der Glasfenster sind heute im Museum zur Geschichte von Christen und Juden im Schloss Großlaupheim ausgestellt). Im Zuge seiner Palästina-Reise traf Adler auch seine Familie auf Zypern zum letzten Mal. 1937 kam in Nikosia der jüngste Sohn Kurt-Michael zur Welt. Friedrich Adler gelang es nicht mehr, dem mörderischen NS-Staat zu entkommen. Am 11. Juli 1942 wurde er ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert und kurze Zeit später umgebracht. Im selben Jahr ermordeten die Nationalsozialisten auch Edmund, Friedrich Adlers älteren Bruder, in Treblinka. Sein in Berlin lebender Sohn, der Keramiker und Musiker Paul Wilhelm Adler, starb 1944 ebenfalls in Auschwitz.

Das umfangreiche Kunstschaffen Friedrich Adlers erschloss sich der Öffentlichkeit erst mit der Ausstellung "Friedrich Adler – zwischen Jugendstil und Art déco", die 1994 im Münchner Stadtmuseum gezeigt wurde und anschließend im Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg, im Grassi-Museum in Leipzig, im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, im Museum Zons-Burg Friedestrom, im Maurice Spertus Museum of Judaica in Chicago und in der Städtische Galerie Schranne in Laupheim zu sehen war.

Seit 1989 kennzeichnet eine Bronzetafel das Geburtshaus des Künstlers in der Kapellenstraße in Laupheim. Es beherbergt heute ein kleines Friedrich-Adler-Museum. Die örtliche Realschule trägt den Titel Friedrich-Adler-Realschule (FARS).

Vor der Hochschule für bildende Künste in Hamburg, der früheren Staatlichen Kunstgewerbeschule, erinnert ein Stolperstein an die Ermordung des Künstlers. Am Gebäude wurde 1989 eine Gedenktafel angebracht mit dem Text: "Hier - im heutigen Gebäude der Hochschule für Bildende Künste - lehrte von 1913 (richtig:1907) bis 1933 Friedrich Adler, geb. 1878 in Laupheim. 1922 (richtig: 1927) wurde er hier zum Professor ernannt. Er war auf vielfältige Weise künstlerisch tätig. Als Lehrer war er ungewöhnlich beliebt. 1933 wurde er von den Nazis zwangspensioniert. Er durfte nur noch jüdische Schüler unterrichten. Am 11.7.1942 wurde er nach Auschwitz deportiert". Der Text schließt mit einem Zitat aus einem Aufsatz Friedrich Adlers aus dem Jahr 1937: "... unser Leben wäre armselig, wenn uns nicht die Einbildungskraft, die Phantasie eingeboren wäre".


(Christine Riedl-Valder)

Literatur

  • Angela Borgstedt: Friedrich Adler. In: Maria Magdalena Rückert (Hg.): Württembergische Biographien unter Einbeziehung hohenzollerischer Persönlichkeiten. Band II. Im Auftrag der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Stuttgart 2011, S. 2f.
  • Adler, Friedrich. In: Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Frankfurt am Main 2007, S. 10.
  • Ernst Schäll: Friedrich Adler - Leben und Werk. Bad Buchau 2004.
  • Ina Lorenz: Adler, Friedrich. In: Franklin Kopitzsch, Dirk Brietzke (Hg.): Hamburgische Biografie, Bd 1. Hamburg 2001, S. 16-17.
  • Brigitte Leonhardt, Dieter Zühlsdorff (Hg.): Spurensuche: Friedrich Adler zwischen Jugendstil und Art Déco. Stuttgart 1994.

GND: 119155958