Biografien
Menschen aus Bayern

Eugen Leviné Nationalökonom und Revolutionsführer der Münchner Räterepublik

10.05.1883, St. Petersburg (Russland)
05.06.1919, München

Wirkungsort: München

Eugen Leviné war ein russisch-deutscher Journalist und kommunistischer Aktivist. In Berlin beteiligte er sich an der Gründung der Spartakusgruppe und schloss sich der daraus entstehenden KPD an. Leviné spielte eine führende Rolle in der Zweiten Bayerischen Räterepublik von 1919. Nach deren Scheitern wurde er zum Tode verurteilt und hingerichtet. Heute gilt Eugen Leviné als Märtyrer der deutschen Arbeiterbewegung.

Eugen Leviné wurde in St. Petersburg (Russland) geboren. Sein Vater Julius Leviné, ein vermögender jüdischer Geschäftsmann, besaß neben der russischen auch die italienische Staatsangehörigkeit. Seinen ursprünglichen Familiennamen Levin hatte er geändert, weil der französische Klang in den gehobenen Kreisen seiner Klientel einen guten Klang hatte und dem Zeitgeist entsprach. Seine Mutter Rosalia war Russin, hatte jedoch eine deutsche Erziehung genossen. Nach dem frühen Tod des Vaters emigrierte Rosalia Leviné mit dem erst dreijährigen Eugen in die Schweiz, später zogen sie nach Wiesbaden. Eugen Leviné wuchs in einem großbürgerlichen, säkularen Umfeld auf, in dem sein jüdisches Erbe nur eine geringe Rolle spielte. Er ging auf das Gymnasium und studierte im Anschluss die Rechtswissenschaften an der Universität in Heidelberg. Dort kam Leviné das erste Mal mit politischen Kreisen in Berührung und entwickelte sein späteres revolutionäres Gedankengut. Während seiner ganzen Studienzeit engagierte er sich in der Arbeiterbewegung, wofür sich in der benachbarten Industriestadt Mannheim genügend Gelegenheit bot. Zur Fortsetzung seiner Studien wechselte er 1904 nach Berlin. Als am „Blutsonntag“, dem 22. Januar 1905 in St. Petersburg eine friedliche Demonstration blutig unterdrückt wurde, schloss sich Leviné der ersten erfolglosen Revolution gegen die Zarenherrschaft an. Mehrmals wurde er wegen seiner politischen Umtriebe zu Gefängnistrafen verurteilt. Erst im Frühjahr 1908 konnte seine Mutter eine Kaution aufbringen. Leviné nahm das Studium in Heidelberg wieder auf, wechselte aber zum Fach Nationalökonomie (VWL). 1913 promovierte er mit einer Arbeit über "Typen und Etappen in der Entwicklung gewerkschaftlich organisierter Arbeiter" und nahm noch im selben Jahr die deutsche (badische) Staatsbürgerschaft an. Levine diente im Ersten Weltkrieg als Übersetzer für russische Kriegsgefangene. 1916 wurde er aus dem Heeresdienst entlassen und ging nach Berlin, wo er Anfang 1918 eine Anstellung bei der Berliner Filiale des russischen Nachrichtendienstes „Rosta“ fand. In Berlin schloss sich Levine der USPD an, in der er auch Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg kennen lernte. Leviné nahm an jener historischen Sitzung Teil, in der sich ein radikal-linker Flügel von der USPD abspaltete und den „Spartakusbund“ gründete, aus dem später die KPD hervorging. Im Januar 1919 nahm Eugen Levine am Aufstand der Spartakisten in Berlin teil; anschließend ging er auf Geheiß der Partei als Agitator nach Braunschweig und in das oberschlesische Braunkohlerevier, wo ebenfalls die Arbeiterkämpfe tobten.

Der letzte Auftrag der KPD brachte Eugen Levine am 5. März 1919 in die bayerische Hauptstadt München. Erst vor fünf Monaten war die Monarchie gestürzt, die Stadt stand noch ganz unter dem Eindruck der Ermordung von Ministerpräsident Kurt Eisner (USPD). Leviné konnte einen großen Teil der lokalen Arbeiterschaft für den Kommunismus begeistern. Am Abend des 4. April 1919 versammelten sich im Militärministerium (heute Ludwigstraße 14) die Kabinettsmitglieder, Parteienvertreter der MSPD, USPD und BBB sowie die Sprecher der verschiedenen Räte. Zunächst wurde gemeinsam die Gründung einer Räterepublik beschlossen, aber Eugen Leviné verweigerte im Namen der KPD einer Zusammenarbeit mit der MSPD. Am 6. April 1919 wurde im Wittelsbacher Palais (heute Bayerische Landesbank) eine Regierung aus Volksbeauftragten gebildet, von der die KPD wegen ihrer Blockadehaltung ausgeschlossen blieb. Ein eigenes gegründeter "Zentrarat" (ZR) rief in der Nacht auf den 7. April die

"Räterepublik Baiern" aus. Diese währte in der verabschiedeten Form nicht einmal eine Woche, vor allem weil in München die KPD unter Leviné nach Kräften opponierte.

Unter dem Eindruck einer gescheiterten konterrevolutionären Offensive unter Alfred Seyffertitz (1884-1944) rief Eugen Leviné die radikale "Kommunistische Räterepublik" (Zweite Räterepublik) aus. Er handelte damit gegen die ausdrückliche Anweisung des KPD-Führers Paul Levi (1883-1930), das nichts zu unternehmen sei, was eine Auseinandersetzung zwischen der Arbeiterbewegung und dem Militär provozieren könnte. Der vom Landtag gewählte Ministerpräsident Johannes Hoffmann und sein Kabinett wichen nach Bamberg aus, wo sie eine Gegenregierung installierten. Die Arbeiter- und Soldatenräte Münchens setzten den Zentralrat ab und übertrugen in einer "vierten Revolution" die gesetzesgebende und vollziehende Gewalt einem "Vollzugsrat" dem unter anderen Max Levien und Eugen Leviné angehörten.

Die Kommunistische Räterepublik wurde von weiten Teilen der Bevölkerung nicht mitgetragen, wobei auch antijüdische und antirussische Ressentiments eine Rolle spielten. Nach ihrer blutigen Niederschlagung durch Regierungstruppen und Freischarverbände tauchte Eugen Leviné am 2. Mai 1919 zunächst unter. Am 13. Mai wurde er verhaftet und Anfang Juni in München vor Gericht gestellt. Aus seiner Verteidigungsrede vor Gericht stammt der bekannte Satz: „Wir Kommunisten sind alle Tote auf Urlaub.“ Eugen Leviné wurde wegen seiner maßgeblichen Beteiligung an der Räterepublik zum Tode verurteilt und am 5. Juni 1919 in der Haftanstalt München-Stadelheim durch ein Erschießungskommando hingerichtet.


(Patrick Charell)

Literatur

  • Benrhard Gau: Revolution und Räterepublik. Vom Sturz der Monarchie bis zur Rückeroberung Münchens durch „weißen“ Truppen. In: Bayerisches Armeemuseum / Dieter Storz / Frank Wernitz (Hg.): AK Friedensbeginn? Bayern 1918-1923. Ingolstadt / Darmstadt 2018 (= Kataloge des bayerischen Armeemuseums 18), S. 49-60.
  • Rüdiger Bergien: Gründungsgewalt und Sicherheitskonsens. Die Geburt der Weimarer Republik aus einer Politik der eisernen Faust. In: Bayerisches Armeemuseum / Dieter Storz / Frank Wernitz (Hg.): AK Friedensbeginn? Bayern 1918-1923. Ingolstadt / Darmstadt 2018 (= Kataloge des bayerischen Armeemuseums 18), S. 73-85.
  • Maximilian Wacker: Die Revolution von 1918/19 in der Oberpfalz. Eine regionalgeschichtliche Studie in Abhängigkeit von den Vorgängen in München und den strukturellen Ausgangsbedingungen des Regierungsbezirks (Dissertation an der Universität Passau). Regensburg 2018. S. 152-166.
  • Werner Ebnet: Sie haben in München gelebt. Biografien aus acht Jahrhunderten. München 2016, S. 367.
  • Ralf Höller: Der Anfang, der ein Ende war. Die Revolution in Bayern 1918/19. Berlin 1999, S. 244f.
  • Theo Stammen (Hg.): Die Weimarer Republik, Bd. 1: Das Schwere Erbe 1918-1923. 2. Aufl. München 1992 (= Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit A/81), S. 97-104.

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