Biografien
Menschen aus Bayern

Alois Joseph (Aron Baruch) Dessauer Bankier, Fabrikant und Verleger, Stadtrat

geb. 21.02.1763, Gochsheim i. Kraichtal
gest. 11.04.1850, Aschaffenburg

Wirkungsort: Aschaffenburg

Als Hofbankier und Heereslieferant des schillernden Mainzer Kurfürsten Karl Theodor von Dalberg (1744-1817) legte Aron Dessauer den Grundstock seines Vermögens. Im Jahr 1803 folgte er Dalberg nach Aschaffenburg und konvertierte 1805 mitsamt seiner Familie zum Katholizismus. Er wurde Papierhändler, Verleger der 1814 gegründeten "Allgemeinen Staatskorrespondenz", Steintafel-, Farbtusche- und Leimfabrikant. Dessauer übernahm die erste Fabrik für Buntpapier in Aschaffenburg und begründete damit einen Industriezweig, der die Stadt bis in die 1960er Jahre prägte.

Aron Baruch Dessauer wurde in eine orthodoxe jüdische Familie geboren, sein Vater Baruch Dessauer (gest. 1772) war zu dieser Zeit Barnos der Gemeinde. Über seine Kindheit und Jugend ist nichts bekannt, er hat sicherlich eine klassische traditionelle Erziehung und bei seinem Vater das Handelsgeschäft erlernt. Im Jahr 1792 wird Aron Dessauer in Königshofen ob der Tauber aktenkundig, als er dort Belusina David (1775-1819) heiratete. Die Familie David war wohlhabend und angesehen, sie besaß das Bürgerrecht der Marktgemeinde. Als Hofbankier und Heereslieferant für den schillernden Mainzer Kurfürsten Karl Theodor von Dalberg (1744-1817) legte Aron Dessauer das Fundament seines Vermögens. In den großen Umbrüchen nach dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 wurde Dalberg zum Herren der kurzlebigen Fürstentümer Aschaffenburg und Regensburg. Dessauer folgte ihm nach Aschaffenburg und konvertierte dort in der Pfarrkirche St. Agatha mit seiner Familie zum Katholizismus: Aus Aron wurde Alois, seine Ehefrau erhielt den Namen Anna Elisabeth und die Kinder hießen nun Joseph, Georg und Karl Friedrich und Franz Johann.

Am 5. September 1805 entrichtete Alois Dessauer 15 Gulden und 34 Kreuzer "Bürgereinzugsgeld" und erhielt noch am selben Tag das Bürgerrecht der Stadt Aschaffenburg. Er investierte in alles, was im weitesten Sinne zum Druckwesen gehörte: Dessauer wurde Fabrikant für Papier, Druckersteintafeln, Feintusche und ab 1814 auch Verleger der Allgemeinen Staatskorrespondenz. Mit seiner Taufe hatte Alois Dessauer für sich und seine Nachkommen den Zugang zur gehobenen Gesellschaft erschlossen. Er selbst wurde 1805 Ehrenmitglied (ohne Wappen) der hochangesehenen Aschaffenburger Schützengesellschaft, zu dessen Mitgliedern seit 1804 auch "S. Churf. Gnaden" Carl Theodor von Dalberg gehörte. Ab 1826 saß Alois Dessauer als Magistrat im Stadtrat. Als er mit 87 Jahren verstarb, wurde er auf dem christlichen Altstadtfriedhof beerdigt. Das Grab mit einem großen Kruzifixus existiert noch heute. Die Familie Dessauer etablierte sich für Generationen im Aschaffenburger Großbürgertum. Die Söhne und Enkel führten Alois' Erbe fort, arbeiteten in der Papierindustrie und engagierten sich in der Kommunalpolitik. Karl Friedrich (1799-1845) etwa war Fabrikant im Familienunternehmen, Mitglied der Handelskammer für Unterfranken und Aschaffenburg, Magistratsrat, von 1832-1844 Kommandant des königlichen Landwehrbataillons Aschaffenburg sowie ein wappenführendes Mitglied der Schützengesellschaft.

Die unmittelbare Nähe zu den ausgedehnten Waldgebieten des Spessarts und die Lage am Main ließen Aschaffenburg schon früh zu einem der Hauptumschlagplätze des Holzhandels werden. Bedingt durch den Holzreichtum war die Stadt auch ein traditionelles Zentrum der Papierindustrie. Den Grundstein der Aschaffenburger Buntpapierherstellung legte 1810 Johann Daniel Knode, ein findiger Buchbinder. Durch die wirtschaftlichen Einbrüche der Napoleonischen Kriege geriet das Unternehmen jedoch gleich zu beginn in finanzielle Schwierigkeiten. Alois Dessauer übernahm noch im selben Jahr Knodes Betrieb, gründete eine eigene Firma und baute die Produktion auf einem großen Gelände am nördlichen Stadtrand aus (heute Fabrikstraße, benannt nach Dessauers Werk). 1850 übernahm sein Sohn Franz Johann Dessauer (1805-1872) den Betrieb und baute eine zweite Fabrik auf, die als „AG für Buntpapier- und Leimfabrikation“ sehr erfolgreich wurde. "Die Bunt“, wie der Volksmund die Firma nannte, entwickelte sich schnell zu einem der größten Unternehmen der Stadt. Bereits bei der Gründung wurde eine Betriebskrankenkasse eingerichtet, 1901 durch eine Pensionskasse ergänzt. Alois' Enkel Philipp Dessauer trat nach dem Besuch des Gymnasiums 1852 in die väterliche Buntpapierfabrik ein, die er ab 1866 als Direktor leitete. 1872 gründete er die "AG für Maschinenpapierfabrikation" in Hinblick auf den Weißpapiermangel, der sich nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 bemerkbar machte. Umgangssprachlich nannte man die Firma in Anlehnung an das Stammwerk einfach "die Weiß". Weil die Nachfrage ständig stieg, entstand 1898/99 im Stadtteil Stockstadt ein Ableger. 1968 wurde die Produktion von Buntpapier in Aschaffenburg eingestellt. In den 1990er Jahren befand sich die gesamte Papierindustrie in einer tiefen Krise, weil billigere Konkurrenten aus Osteuropa und Asien auf den Markt drängten. Die Aschaffenburger Werke fusionierten mit der konkurrierenden Zellstofffabrik Waldhof AG in Mannheim. In den 1990er Jahren wurden die vereinigten „Papierwerke Waldhof-Aschaffenburg AG“ (PWA) vom schwedischen Konzern „Svenska Cellulosa Aktiebolaget“ (SCA) übernommen. Das Werksgelände in Stockstadt existiert bis heute. Wo jedoch einst die von Alois Dessauer gegründete Buntpapierfabrik stand, erhebt sich seit 1974 ein Einkaufszentrum.


(Patrick Charell)

Bilder

Literatur

  • Matthias Klotz: Das Aschaffenburger Landwehrbataillon 1826-1869. In: Mitteilungen aus dem Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg 13 (2020), S. 53-68.
  • Monika Ebert: Die Dessauers. Eine Aschaffenburger Unternehmerfamilie im 19. und 20. Jahrhundert Aschaffenburg 2018 (= Veröffentlichungen des Geschichts- und Kunstvereins 67).
  • Frauke van der Wall. Die Firmengeschichte der Buntpapierfabrik Dessauer in Aschaffenburg. In: Museum für Franken / Frauke van der Wall (Hg.): AK Gefärbt, gekämmt, getunkt, gedruckt. Die wunderbare Welt des Buntpapiers. Würzburg 2011, S. 14-21.
  • Alfred Wolfert / Joachim von Roebel: Aschaffenburger Wappenbuch. Aschaffenburg 1983 (= Veröffentlichngen des Geschichts- und Kunstvereins Aschaffenburg e.V. 20), S. 185 u. T. 18/I/4.
  • Albert Haemmerle: Die Wasserzeichen des Alois Dessauer, 1763–1850. In: Papiergeschichte, Jahrgang 16, 1966, Heft 3/4, S. 2–4.
  • Albert Haemmerle: Stammtafel der Familie Dessauer aus Aschaffenburg. Als Manuskript gedruckt. München 1962.
  • Buntpapierfabrik AG Aschaffenburg (Hg.): Hundertfünfzig Jahre Buntpapierfabrik AG. Aschaffenburg 1960
  • Albert Stadelmann: Die Buntpapierindustrie in Aschaffenburg. Dissertation. Würzburg 1922.
  • Actiengesellschaft für Buntpapier- und Leimfabrication (Hg.): Arbeits-Ordnung der Actien-Gesellschaft für Buntpapier- und Leim-Fabrikation in Aschaffenburg. Aschaffenburg 1902 (StadtAA Ah 34 1901).
  • Theodor Schön: Geadelte jüdische Familien. Salzburg 1891, S. 19.

GND: 133481875